Das muss kacheln!

Die Runde 2 für Microsofts Windows Phone startet mit sieben Handys von Acer, HTC, LG, Nokia und Samsung. Auf den ersten Blick sind sie sich ganz schön ähnlich – und doch gibt es große Unterschiede.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Achim Barczok

Microsoft beginnt mal wieder eine Aufholjagd. Derzeit führt Android die Verkaufszahlen an, das iPhone gilt als Innovationstreiber und qualitative Messlatte. Windows Phone liegt gerade einmal auf Platz 6 nach gut einem Jahr mit 1,5 Prozent Marktanteil weltweit. Doch Microsofts Handy-Betriebssystem gewinnt an Fahrt: Mit der aktuellen Version 7.5 und neuer Hardware begegnet Windows Phone in puncto Leistung erstmals Android und iOS auf Augenhöhe [1] . Wer ein Smartphone kauft, muss sich spätestens ab jetzt auch die Windows Phones anschauen. Aber welches ist das beste?

Die zweite Generation der Microsoft-Handys zählt sieben Geräte. Windows-Phone-Veteran HTC schickt das Radar und das Titan ins Rennen. Samsung kann mit dem Omnia-7-Nachfolger Omnia W aufwarten, LG bietet in Kooperation mit Jil Sander das LG E906 an. Windows-Phone-Neuling Acer steuert das Allegro, Nokia das Lumia 710 und das Lumia 800 bei.

Vor allem drei Aspekte zeichnet Windows Phone gegenüber anderen Smartphone-Betriebssystemen aus: ein modernes Design, eine schnelle Oberfläche und eine smarte Navigationsstruktur.

Der Startbildschirm wirkt mit seinen vorwiegend einheitlich gefärbten Kacheln reduziert, symmetrisch und übersichtlich. Die Kacheln starten Anwendungen oder Systemfunktionen, können aber auch zu einer Person im Adressbuch, einem Musikalbum oder einem Mail-Ordner führen. Erst auf den zweiten Blick entdeckt man die Dynamik des Startbildschirms: Profilfotos und Schnappschüsse auf den Kacheln wechseln gelegentlich und Hinweise auf neue Nachrichten, Mails, Anrufe oder Facebook-Postings tauchen auf umklappenden Kacheln auf. So hat man ähnlich den Android-Widgets schnell im Blick, ob Neuigkeiten eingetrudelt sind.

Das Springen und Hin- und Herwischen zwischen Funktionen, Apps und Systemebenen läuft flüssig und blitzschnell ab und bleibt auch dann flüssig, wenn man das Smartphone mit Apps und Daten füllt – da ruckelt es auf Android-Geräten meistens schon ein bisschen. Auch beim iPhone geht alles ruckzuck, und doch gelangt man unter Windows Phone an viele Informationen fixer, was an der Navigationsstruktur liegt. Windows Phone sortiert Anwendungen, Funktionen und Nachrichten automatisch in sogenannte Hubs: Der Link zu einem Online-Radio landet im Musik-Hub, ein neues Spiel automatisch im Xbox-Live-Ordner. Fotoalben von Facebook werden im Bilder-Hub integriert. Das Adressbuch wird zur Kommunikationszentrale: Im Profil jeder einzelnen Person erscheinen nicht nur die aus Google, Facebook und Windows Live verknüpften Telefonnummern und Geburtsdaten, sondern auch eine chronologische Abfolge aller gemeinsam geführten Telefonate, Mails und Nachrichten, dazu kann man Pinnwandeinträge oder Fotos der Person überfliegen und direkt aus dem Adressbuch heraus kommentieren. Dieser personen- und funktionenzentrierte Ansatz setzt sich auch auf dem Startbildschirm fort: Zieht man einen Kontakt auf den Startbildschirm, blendet die Kachel ein, wenn eine neue SMS, Mail oder eben ein Pinnwandeintrag auf Facebook erschienen ist.

Von links nach rechts: Startbildschirm, Anwendungsmenü, Einstellungen, Multitasking, Mail-Client, Adressbuch

Was im ersten Moment unübersichtlich erscheint, bringt einen oftmals schneller ans Ziel. Dabei hilft auch die an vielen Stellen angezeigte Verlaufsliste: Im Musik Hub beispielsweise zeigt sie, welchen Radiosender, welchen Podcast oder welche Musikalben man zuletzt gehört hat. Die Zurück-Taste spult den Verlauf – anders als bei Android – systemübergreifend zurück: So kann man fix zwischen zwei, drei Apps springen, wenn man zum Beispiel mal einen Text aus dem Browser in eine E-Mail kopieren möchte.

Richtig gut funktioniert dieser chronologische Ansatz erst mit den jüngsten Systemaktualisierungen, die einige der größten Bremser eliminiert haben [2] . Erstmals gibt es eine Art eingeschränktes Multitasking, sodass Apps immerhin den aktuellen Zustand einfrieren können und einige auch im Hintergrund laufen; außerdem hat Windows Phone endlich eine Copy-und-Paste-Funktion.

Die Vorteile von Windows Phone haben einen hohen Preis: Anpassen darf man nur wenig. Design, Fonts und Schriftgrößen sind vorgegeben, maximal elf Farbschemata auf schwarzem oder weißem Hintergrund stehen zur Auswahl: zehn von Microsoft und eine vom Hersteller oder Provider. Die Dynamik der Kacheln verliert zudem schnell an Reiz, weil man nicht einstellen kann, was genau sie wann wie lange einblenden. Wer sich außerhalb der von Microsoft integrierten Funktionen bewegen will, stößt mit Regelmäßigkeit an Grenzen: Den schlichten Musik- und Videospieler, der nur wenige Formate kennt, kann man ebenso wenig austauschen wie den eleganten, aber schnell unübersichtlichen Kalender. Einige der Einschränkungen kann man mit kleinen Tricks beheben, wie der Kasten auf Seite 134 in c't 4/12 zeigt.

Immerhin hat Microsoft die Standard-Apps mit dem Update auf 7.5 an vielen Stellen verbessert. Der simple Mail-Client kann Mails nun als Threads und in gebündelten Mailboxen darstellen – Header mit Umlauten werden hingegen oft falsch angezeigt. Der mit dem Internet Explorer 9 verwandte Browser hält in puncto Geschwindigkeit und Funktionen halbwegs mit dem von Android oder iOS mit, Flash, Browser-Tabs oder Add-ons unterstützt er nicht.

Wer Kalender, Adressbuch und Mails mit Windows Live, Google oder einem Exchange-Server synchronisiert, hat alles in Sekunden eingerichtet und fühlt sich auf einem neuen Gerät gleich zu Hause. Fotos und Dokumente, für die Windows Phone ein gutes Office-Paket mitliefert, kann man automatisch mit dem kostenlosen, 25 GByte großen Online-Speicher SkyDrive synchronisieren. Über das Live-Konto kann man das Handy aus der Ferne orten, sperren und zurücksetzen.

Der lokale Abgleich ist dagegen stark eingeschränkt: Zugriff auf die Handy-Daten erhält man nur über die Windows-Software Zune oder am Mac über den Windows Phone 7 Connector, und dann auch nur auf Musik, Videos und Bilder. Kalender oder Kontakte mit Outlook synchronisieren geht genauso wenig wie ein komplettes Backup aller Daten und Apps. Geht das Handy kaputt, sind Spielstände und Einstellungen verloren.

Der App-Shop von Microsoft kann inzwischen mit einer passablen Auswahl an interessanter Software dienen, wie der folgende Artikel auf Seite 132 zeigt. Mit der von Android und iOS kann sie aber nicht mithalten. Im Microsoft-eigenen Zune-Shop kann man Musik unterwegs kaufen, Videos aber nur am Rechner.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 4/2012.

Mehr Infos

Die Windows-Handys

Artikel zum Thema "Windows-Handys" finden Sie in c't 4/2012:

  • Smartphones mit Windows Phone 7.5 - Seite 126
  • Apps und Praxistipps für Windows Phone - Seite 132

(acb)