Datenstrom im Deckenlicht

Schon lange lassen sich Daten per Glasfaser schneller übertragen als per Kabel. Nun arbeiten Forscher an der drahtlosen Licht-Kommunikation.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Frank Grotelüschen

Schon lange lassen sich Daten per Glasfaser schneller übertragen als per Kabel. Nun arbeiten Forscher an der drahtlosen Licht-Kommunikation.

Wenn im Labor von Klaus-Dieter Langer das Deckenlicht angeht, schaltet sein Computer auf Empfang. Dann signalisiert das blinkende Modem: Hier werden Daten übertragen – nicht wie üblich per Funk, sondern über das Licht der LED-Lampe an der Zimmerdecke. Über einen Sensor fängt der PC das Lampenlicht auf und rekonstruiert einen Datenstrom aus Bits und Bytes. Die neue Methode hat das Zeug, in einigen Jahren die gängigen Funktechniken wie UMTS und WLAN zu ergänzen. "Unser Verfahren ist überall dort interessant, wo sowieso Licht brennt", erläutert Langer, Forscher am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) in Berlin. In den Werkhallen der Industrie könnte es Industrieroboter mit Updates versorgen, in Flugzeugen oder Wartesälen das Unterhaltungsprogramm verteilen und in Krankenhäusern, in denen Medizingeräte durch WLAN-Signale gestört werden, für einen risikolosen Datentransfer sorgen.

Das Prinzip: Vor die handelsübliche Weißlicht-LED-Lampe schalten die Forscher ein elektrisches Spezialbauteil, den Modulator. Er unterbricht das Licht für winzige Augenblicke, knipst gewissermaßen die Lampe während des Betriebs und unsichtbar für das Auge extrem schnell an und aus. Damit schreibt er jenen binären Code, den jeder Rechner versteht: hell gleich eins, dunkel gleich null. Der Empfänger am Rechner ist eine schlichte Photodiode. Sie fängt das Licht auf, eine dahinter geschaltete Elektronik dekodiert die aufgeprägte Information und übersetzt sie in elektrische Impulse – die Sprache des Computers. Klingt simpel, doch Langer und sein Team schafften Anfang des Jahres eine Datenrate von 500 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) – Weltrekord für diese Art der optischen Digitalkommunikation.

Für Langer hat das "VLC"-Verfahren (Visible Light Communication) gleich mehrere Vorteile: Es ist schnell, im Gegensatz zu UMTS lizenzfrei und anders als etwa WLAN weitgehend abhörsicher: Nur die Rechner, die im Lichtkegel der Lampe stehen, kriegen etwas von der Datenflut mit. Allerdings hat die Methode auch Nachteile. So muss stets eine Sichtverbindung bestehen, und die Reichweite ist auf einige Meter beschränkt. Außerdem gibt es bislang keinen Rückkanal vom Rechner zur Lampe. "Es wäre wohl kaum sinnvoll, mit seinem Laptop wie mit einer Taschenlampe auf einen Empfänger zu leuchten", meint Langer. Damit ist VLC vorerst eine digitale Einbahnstraße, unbrauchbar zum Surfen im Internet.

Denkbar hingegen ist, die Technik auf unsichtbares Licht zu übertragen – auf Infrarot-Frequenzen. Damit scheint eine bilaterale PC-Kommunikation eher machbar. Und die Kommunikation klappt auch dann, wenn Sender und Empfänger sich nicht direkt gegenüberstehen – ähnlich wie bei einer TV-Fernbedienung. Schon bald wollen die Fraunhofer-Forscher per Infrarot Daten mit einer Rate von 100 Megabit pro Sekunde durch den Äther schicken. Das entspricht der Geschwindigkeit einer Ethernet-Verbindung via Kupferkabel. Mit diesem Infrarot-Zusatz wäre die neue Technik als Ergänzung zum etablierten WLAN interessant: Bereits heute sind in manchen Gebäuden derart viele drahtlose Netze aktiv, dass sie sich ins Gehege kommen können.

Zurzeit arbeiten die Fraunhofer-Forscher gemeinsam mit Siemens daran, die Daten mit deutlich schwächerem Licht als bislang zu übertragen. Außerdem wollen sie Sender und Empfänger in Form von kleinen, preisgünstigen Chips realisieren. Erste Produkte könnten in fünf Jahren auf den Markt kommen. Deutlich schneller als die Berliner Deckenleuchte vermögen Glasfasern, das Rückgrat von Internet und Telefonie, Daten von A nach B zu leiten. Das Prinzip: Kleine Laser erzeugen Infrarotsignale und prägen ihnen dabei durch Amplituden- oder Frequenzänderungen digitale Datenpakete auf. Die Faser leitet die Lichtsignale nahezu verlustfrei auf Sensoren an ihrem Ende, die sie zurück in elektrische Impulse, also die Sprache der Computer übersetzen. Eine Glasfaser ähnelt dabei einer vielspurigen Autobahn: Sie transportiert mehrere Signale gleichzeitig, wobei jede "Spur" mit einer anderen Wellenlänge belegt ist.

Ähnlich wie die PCs mit der Zeit immer schneller wurden, konnte die Industrie auch die Übertragungsgeschwindigkeiten von Glasfasern stetig steigern. Immer mehr Menschen wollen ins Internet, und sie wollen immer größere Datenpakete übertragen: hochauflösende 3D-Filme, gestochen scharfe Fotos, Videokonferenzen ohne Ruckeln und Zittern.

Die derzeit installierten Fasern arbeiten bei Datenraten von 10 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) und Wellenlängenkanal. Allmählich steigt die Branche auf 40 Gbit/s-Leitungen um. Als Nächstes sollen 100 Gbit/s-Systeme zum Einsatz kommen. Darauf basiert der aktuelle Glasfaser-Weltrekord vom Mai 2009: Ein Konsortium der Firmen NEC, AT&T und Corning schaffte es, Signale mit einer Gesamtdatenrate von 32 Terabit pro Sekunde (Tbit/s) zu übertragen – der Inhalt von 850 voll beschriebenen DVDs. Der Trick: In ein und dieselbe Faser sperrten die Experten 320 verschiedene Infrarot-Wellenlängen ein.

Aber: "Man wird bald an die Grenzen stoßen", prophezeit Fedor Mitschke, Physikprofessor an der Universität Rostock. "In der Industrie spricht man bereits von einer drohenden Kapazitätskrise." Der Grund: Eine Glasfaser vermag das Licht nur im Wellenlängenbereich zwischen 1,2 und 1,6 Mikrometer effektiv zu leiten. Ober- und unterhalb dieses Fensters dämpft sie die Signale zu stark. Das limitiert die theoretisch mögliche Datenrate auf rund 100 Tbit/s – gerade mal das Dreifache des aktuellen Weltrekords. Das heißt: Die Zeiten, in denen die Geschwindigkeiten mit schöner Regelmäßigkeit ums Mehrfache stiegen, dürften bald vorbei sein. "Ein Faktor zwei ist sicher noch drin, aber ein Faktor zehn nicht mehr", schätzt Mitschke. Dann wird man schlicht immer mehr Glasfasern legen müssen – eine kostspielige Angelegenheit.

Deshalb basteln manche Experten an einer anderen Strategie: Würde es gelingen, die einzelnen Wellenlängenkanäle schneller zu machen, könnte man in einer Glasfaser mit deutlich weniger Kanälen auskommen – also mit weniger Lasern und Empfängern –, sodass die Übertragung billiger würde. Wissenschaftler vom Heinrich-Hertz-Institut konnten bereits Daten mit einer Rate von 2,56 Tbit/s über einen einzelnen Kanal übertragen. "Über kurze Strecken haben wir sogar 3,6 Tbit/s geschafft", sagt HHI-Forscher Godehard Walf. "Und wir arbeiten schon an 5 Tbit/s." Die Berliner gehen bei diesen Rekorden an die Grenzen des derzeit technisch Machbaren, verwenden spezielle Glasfasern und extrem schnelle Laser.

Für den Markt taugen die Laborverfahren noch nicht. Deutlich größere Datenraten wären nur machbar, wenn man Lichtsignale nicht durch Glasfasern schickte, sondern durch den freien Raum. Dann ließe sich das gesamte Lichtspektrum nutzen – mit Bandbreiten, die theoretisch im Petabit-Bereich liegen können. Dem aber setzt die Erdatmosphäre eine natürliche Grenze: Wolken und Nebel vereiteln eine Datenvermittlung über größere Strecken. Deshalb zielen die Petabit-Träume eher in den Weltraum: auf Raketen und Raumstationen, die künftig mit Lichtblitzen kommunizieren könnten – der alte Traum von Erfindergenie Nikola Tesla. (bsc)