Der Feind in meinem Körper

Der diesjährige Medizin-Nobelpreis geht an drei Wissenschaftler, die dabei geholfen haben, die Rolle wichtiger Protagonisten der menschlichen Immunabwehr aufzuklären.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der diesjährige Medizin-Nobelpreis geht an drei Wissenschaftler, die dabei geholfen haben, die Rolle wichtiger Protagonisten der menschlichen Immunabwehr aufzuklären.

Wir leben in einer gefährlichen Welt. Ständig bedrohen Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilze unsere Gesundheit. Doch der Körper verfügt über ein äußerst leistungsfähiges Abwehrsystem, das spezialisierte Immunzellen einsetzt, die Eindringlinge nicht nur identifizieren und unschädlich machen können, sondern sich deren Identität für spätere Begegnungen merken. Für die Aufklärung wichtiger Akteure des Immunsystem haben heute drei Wissenschaftler den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten. Der US-Forscher Bruce A. Beutler vom Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla und der in Luxemburg geborene Jules A. Hoffman von der Universität Straßburg teilen sich eine Hälfte der mit knapp einer Million Euro dotierten Auszeichnung. Die andere Hälfte geht an Ralph M. Steinman von der Rockefeller University in New York. [Update:] Wie die Rockefeller University inzwischen mitteilte, ist Steinman am vergangenen Freitag im Alter von 68 Jahren verstorben. Bei dem Forscher war vor vier Jahren Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden. Steinman erhält den Preis entgegen den Statuten, die keine Ehrung für bereits verstorbene Forscher vorsehen. Das Kommitee macht in diesem Fall eine Ausnahme. Posthume Ehrungen waren bisher nur möglich, wenn die Preisträger nach der Zuerkennung aber noch vor der Preisverleihung verstorben waren. [/Update]

Wie die Nobelversammlung am 3. Oktober in Oslo verkündete, haben die Preisträger maßgeblich zur Aufklärung der beiden Immunabwehr-Zweige beigetragen. Beutler und Hoffmann identifizierten spezielle Rezeptorproteine, die schädliche Mikroorganismen aufspüren und daraufhin das sogenannte angeborene Immunsystem aktivieren. Steinman wiederum klärte die Rolle der dendritischen Zellen auf, die das zweite Abwehr-Standbein – die sogenannte adaptive Immunantwort – anstoßen.

Die Entdeckungen der drei Forscher haben die Entwicklung neuer Medikamente für die Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten ermöglicht, insbesondere von Impfungen gegen Infektionskrankheiten und von immunstimulierenden Wirkstoffen zur Bekämpfung von Tumoren. Darüber hinaus halfen die neuen Erkenntnisse, zu verstehen, warum der Körper zuweilen sich selbst angreift und wie solche Autoimmunerkrankungen behandelt werden können.

Beide Abwehrzweige greifen folgendermaßen ineinander: Sobald fremde Mikroorganismen in den Körper eingedrungen sind, läuft die angeborene Immunabwehr an. Dabei handelt es sich gewissermaßen um eine schnelle Eingreiftruppe, die Infektionen aufhalten soll. Sie wird auf den Plan gerufen, sobald Rezeptoren zum Beispiel von Bakterien produzierte Giftstoffe erkennen. Ihre Zellen zerstören die Eindringlinge direkt und lösen Entzündungen aus, um die Ausbreitung der Mikroben einzudämmen.

Allerdings merkt sich der Körper in dieser Abwehrphase nicht, mit wem er es gerade zu tun hatte. Jules Hoffman hatte 1996 gezeigt, dass Mutationen, die zu kaputten Rezeptoren führen, das Anspringen dieses Abwehrzweigs verhindern können. Bruce Beutler wiederum wies 1998 nach, dass solche Rezeptoren auch für ein Überreagieren des Immunsystems sorgen können: Wird der Körper mit einer zu großen Menge an Bakteriengift überschwemmt, kann es zu chronischen Entzündungen und Schockzuständen kommen.

Reicht diese erste Abwehrwelle nicht aus und die Schädlinge konnten Körperzellen infizieren, kommt die adaptive Immunantwort ins Spiel. Sie wird durch die dendritischen Zellen, die Ralph Steinman 1973 entdeckte, ausgelöst. Nun werden zum einen passende Antikörper produziert, um im Körper zirkulierende Schädlinge abzufangen und gleichzeitig gehen Killerzellen gegen bereits infizierte Körperzellen vor. Beides zusammen stoppt in vielen Fällen schließlich die Ausbreitung der Infektion. Nun legen bestimmte Abwehrzellen sozusagen Fahndungsbilder der Eindringlinge ab, damit sie bei einer erneuten Infektion schnell erkannt werden, während andere Immunzellen die Trümmer der Abwehrschlacht aufräumen. Diese adaptive Immunantwort ist langsamer, dafür erinnert sich der Körper daran, wen er schon einmal bekämpft hat. (vsz)