Der durchschaute Kunde

Was Analyse-Software im Netz kann, will ein US-Start-up mit der detaillierten Auswertung von Überwachungskamerabildern für die Offline-Wirtschaft schaffen: die Frage beantworten, was Menschen in Geschäften tatsächlich machen.

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Von
  • Tom Simonite

Was Analyse-Software im Netz kann, will ein US-Start-up mit der detaillierten Auswertung von Überwachungskamerabildern für die Offline-Wirtschaft schaffen: die Frage beantworten, was Menschen in Geschäften tatsächlich machen.

Wie die Analyse des Kundenverhaltens wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht, zeigen die Umsätze von Online-Giganten wie Amazon und Google. Jeder Klick, jeder Kauf wird mittels Software erfasst, mit anderen Vorgängen verknüpft und dazu verwendet, den Nutzern personalisierte Seiten zu präsentieren – auf dass sie noch mehr klicken und kaufen. Das US-Start-up Prism Skylabs will das Erfolgsgeheimnis des Online-Geschäfts nun auf die Welt der Läden, Malls und Cafés übertragen. Der Schlüssel dazu: Videoüberwachung.

„Allein in den USA sind 40 Millionen Videokameras installiert, und in den Videoaufzeichnungen steckt eine Menge brauchbarer Informationen“, sagt Mitgründer und CEO Steve Russell. Bislang seien die Daten aber – unter anderem aus Datenschutzgründen – nicht zugänglich gewesen. Die Firma aus San Francisco will das ändern: „Wir wollen die darin enthaltenen Informationen freisetzen“, so Russell.

Die Software, die Prism Skylabs entwickelt hat, kann anhand der Videodaten zählen, wie viele Menschen ein Geschäft betreten oder wie lang die Schlange an der Kasse ist. Diese Ergebnisse werden graphisch aufbereitet – auch als Animation –, so dass die Betreiber eines Geschäfts eine Vorstellung bekommen, wie die Kunden sich bei ihnen bewegen. Nach Angaben von Prism Skylabs funktioniert dies anonym: Gesichter werden nicht erfasst und identifiziert.

Ein großer US-Mobilfunkbetreiber testet das System bereits in seinen Filialen. Das Unternehmen will damit unter anderem herausfinden, vor welchen Mobiltelefonen die Menschen länger stehen bleiben, – also eine Marktforschung betreiben, die auch für die Gerätehersteller interessant sein dürfte.

Mit Hilfe der Prism-Software lasse sich sogar eine Art Live-Version von Google Street View erstellen, sagt Ron Palmeri, der zweite Gründer der Firma. „Wir können gewissermaßen hinter die Fassaden von Geschäften blicken und Ihnen zeigen, wie lebhaft es in ihnen zugeht.“ Die Privatsphäre der Erfassten bleibe dabei gewahrt.

Hierfür werden Personen in pixelige Schemen verwandelt, die sich durch einen Raum bewegen. Russel nennt die Darstellungsweise „Predator Vision“. Mehr noch, die Pixelerscheinungen können auch ganz entfernt und durch „Wärmekarten“ ersetzt werden: Die Dichte an Personen auf einem bestimmten Fleck wird durch eine Einfärbung dargestellt (siehe Bild).

Was passiert in einer Shopping Mall? Die Videoanalyse von Prism Skylabs stellt unter anderem Passanten anonymisiert oder als "Wärmekarte" der Bewegungen (unten rechts) dar.

(Bild: Prism Skylabs)

Dass die Auflösung gängiger Überwachungskameras schlecht ist, tut der Sache offenbar keine Abbruch. Indem viele Frames einer Aufnahme von der Software aufbereitet und kombiniert werden, soll das Bildmaterial hinterher sogar eine bessere Qualität haben. „Wir entfernen diese hässliche Grobkörnigkeit von Überwachungskameras“, brüstet sich Russell.

Prism Skylabs hat bei der Entwicklung Wert darauf gelegt, dass sein System mit der heute verfügbaren Kameratechnik funktioniert. Die Rohdaten aus den Kameras werden mit einigem Aufwand in einer Rechner-Cloud verarbeitet. Von dort fließen Visualisierungen und statistische Auswertungen zurück auf die Bildschirme der Anwender, seien es PCs, seien es Smartphones.

Weil die meisten Überwachungskameras in einer bestimmten Ausrichtung fest eingestellt sind, lassen sich statische Bildelemente wie Wände, Boden oder Möbel herausrechnen. Alles, was sich bewegt, wird hingegen weiterbearbeitet. Russell plant, in einer kommenden Version der Software auch neue Verfahren wie das nachträgliche Schärferstellen eines Bildes nach der Aufnahme, wie sie die Firma Lytro entwickelt hat, einzubauen.

Zwar können auch andere Videoanalyse-Systeme Bewegungen erfassen. Das dient dann in erster Linie dazu, Wachpersonal zu alarmieren, wenn etwa ein Unbefugter über eine Mauer klettern will. Doch die Technologie von Prism Skylabs steche aus diesen Ansätzen hervor, lobt Jon Cropley von IMS Research: „Normalerweise brauchen sie für eine solche Videoanalyse geeignete Hardware und Kameras – Prism Skylabs kommt hingegen ohne diese aus.“

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit sei, vorab Kunden einen Blick in ein Geschäft oder ein Restaurant werfen zu lassen. „Die meisten Leute begnügen sich noch mit Fotos von solchen Orten“, sagt Cropley.

Mit der Prism-Technologie könnten zudem Geschäfte überprüfen, ob ihre Rabattaktionen, die sie etwa über Groupon anbieten, neue Kunden anziehen und binden. Dabei würde Prism Skylabs die Bilddaten mit Online-Daten von Groupon, Facebook oder dem Lokalisierungsdienst Foursquare abgleichen. Gibt es einen zeitlichen Zusammenhang, wäre das für einen Ladeninhaber eine nützliche Information. „Das ist dann wie Google Analytics für die reale Welt“, beschreibt Russell das Ziel von Prism Skylabs. (nbo)