Die Firma mit der Maus

Die Geschichten, die Logitech-Gründer Daniel Borel erzählt, fangen nicht selten mit einem Fehlschlag an.

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Von
  • Tobias HĂĽrter

Foto: Oliver Tjaden

Die Geschichten, die Logitech-Gründer Daniel Borel erzählt, fangen nicht selten mit einem Fehlschlag an. Etwa die, in der er sich an einen gewissen Bill Gates heranmacht, um ihm Mäuse zu verkaufen. Es war im Frühjahr 1983 an der kalifornischen Küste. Gates hatte Grund zum Feiern, denn er hatte gerade Microsoft Word auf den Markt gebracht, eines der ersten mausgesteuerten Programme, und dazu die passende Maus. Künftig wollte Borel diese Maus zuliefern. Gates zeigte sich nicht abgeneigt. Er hielt Borel über zwei Jahre hin. Unterschrieben hat er nie.

"Heute danke ich Bill Gates dafür", sagt Daniel Borel. Das Scheitern des Microsoft-Deals zwang Logitech nämlich ins Verbrauchergeschäft, das dem Schweizer Unternehmen heute mehr als 80 Prozent seines Umsatzes bringt. Logitech wurde zur Marke, Borel zum hundertfachen Millionär.

Die Computermaus ist Logitechs Kerngeschäft. Ob der Schweizer Konzern globaler Marktführer ist oder ob Microsoft die Nase vorn hat, hängt davon ab, wie man die Zahlen frisiert. In Deutschland jedenfalls führt Logitech - Microsoft folgt in gehörigem Abstand. Mehr als 500 Millionen Plastiknager hat Logitech in den letzten zwanzig Jahren in die Welt gesetzt, bei rund einer Milliarde produzierter Personal Computer im letzten Vierteljahrhundert. Dabei kann Logitech mehr als Mäuse bauen. Das Unternehmen hat fast alles zu bieten, worauf ein Computer gehorcht - und das möglichst kabellos: neben Mäusen auch Tastaturen, Trackballs, Joysticks, Digitalstifte und -kameras.

Begonnen hat alles - natürlich - nicht so erfolgreich: Im Herbst 1981 machten Daniel Borel und einige Mitstudenten an der Stanford University Logitech auf, ursprünglich als Software-Firma ("logiciel" ist französisch für Software) in einem Bauernhof bei Lausanne. Und gleich als internationales und vernetztes Unternehmen: Borel und Kollegen kommunizierten über das Arpanet, den Vorläufer des Internets.

Eher nebenbei lernten sie die erste kommerzielle Computermaus aus dem kalifornischen Xerox-Entwicklungszentrum kennen und machten sich daran, ihre eigene Maus zu produzieren: Die frühen Exemplare wurden von den Feinmechanikern einer Uhrenfirma in Kleinserie gefertigt. Doch die filigranen Geräte rosteten beim Transport über den Atlantik. Später brachte der erste Großabnehmer Hewlett-Packard den Schweizern bei, Plastik zu gießen.

"Wir brauchten eine Weile, um zu kapieren, dass die Maus unsere Zukunft war", sagt Borel. Zunächst war sie eine Lösung ohne passendes Problem: Personal Computer und grafische Benutzeroberflächen waren noch in der Entwicklung, die Urmäuse zogen einen alphanumerischen Cursor über den Monitor. Das Geschäft schleppte sich dahin - bis man 1985 Apple als Kunden gewann. "Von da an war die Maus eine steigende Gerade", sagt Borel.

Einmal allerdings, 1994, stockte der Aufwärtstrend, als der Windows-Standard sich endgültig durchsetzte und fernöstliche Billigproduzenten die Mauspreise verdarben. Plötzlich zahlte Logitech bei jeder verkauften Maus drauf. Borel musste hunderte Mitarbeiter entlassen und verlegte die Produktion "über Nacht" nach China. "Wir wären beinahe draufgegangen", sagt er.

Seit diesem Trauma herrscht bei Logitech jene eigenartige Mischung aus Bescheidenheit und Wagemut, die offenbar ein Erfolgsrezept ergibt. Der Crash der Internet-Wirtschaft hat in der Bilanz kaum eine Scharte hinterlassen. "Da hatten wir unsere Krise längst hinter uns", sagt Borel.

Stattdessen macht Logitech sich seine Schwierigkeiten lieber selbst, und zwar vor allem mit einer Folge floppender Produkte: etwa dem FotoMan von 1991, der ersten kommerziellen Digitalkamera - genial, aber leider vor dem Internet-Boom und nur schwarzweiß. "Wir haben mehr davon produziert, als wir verkaufen konnten", sagt Borel. Letztlich jedoch lohnte sich der Mut zum FotoMan, denn heute dominiert Logitech den Webcam-Markt. Andere Eskapaden endeten in der Sackgasse: Der Handscanner (1988) ist weitgehend vergessen, die 3-D-Maus (1992) verkaufte sich keine tausendmal und ist heute hauptsächlich bei Auto-Designern beliebt. Zum Glück subventioniert die Allerweltsmaus solche Experimente.

Ein streng formalisierter Innovationsprozess lenkt die Einfälle der Logitech-Tüftler in geordnete Bahnen. In einer für jeden Beteiligten einsehbaren Datenbank ist vermerkt, welche Entwicklungsphase ein Projekt gerade durchläuft, welche Hürden es noch zu nehmen hat, wann Design und Technologie zu überprüfen sind, und wann Feedback von außen - etwa aus den Medien - eingeholt wird. So können Ingenieure und Marktstrategen ihre Arbeit synchronisieren; die Entwicklungsdauer der Produkte schrumpfte von mehreren Jahren auf neun Monate. Einst stand Logitech im Ruf, aus seinen Ideen zu wenig verwertbare Ware zu machen. Für das Weihnachtsgeschäft jedoch kamen allein für den Einzelhandel 35 neue Produkte aus dem Logitech-Hauptquartier, nur wenige Kilometer entfernt vom ursprünglichen Bauernhof.

Aber Logitech ist immer noch Logitech, und so könnte den Entwicklern wieder das eine oder andere Fehlprodukt unterlaufen sein. Ein Kandidat dafür ist der "io", mit dem man wie mit einem üblichen Stift schreiben kann, allerdings auf speziell gemustertem Papier. Dann merkt der io sich das Notierte und kann es einem Computer übermitteln. Vereint der io nun die Vorteile analoger und digitaler Schrift - oder die Nachteile? "Wir glauben an den Erfolg des io", sagt Public-Relations-Manager Garreth Hayes. Der Erfolg eines Produkts ist klar definiert bei Logitech: mindestens 100 Millionen Dollar Jahresumsatz.

Unter Finanz-Fachleuten herrscht gedämpfte Zufriedenheit mit Logitech. "Gut positioniert" sei das Unternehmen, sagt Analyst Oliver Maslowski von der Investmentbank Vontobel. Er sieht "drei große Vorteile" seitens Logitech: "Sie agieren ausschließlich in Oligopolmärkten, decken alle Bereiche der Peripherie ab und verkaufen sowohl im Einzelhandel als auch im Zuliefergeschäft." Weniger gern sieht Maslowski die Experimentierlust der Entwickler in Romanel. Er wünscht es sich "etwas konservativer". Benutzer könnten da widersprechen - Langeweile gibt es genug in der Computerwelt. (sma)