Die Haut als Sensor

Gezielte Gen-Veränderungen bringen überraschende neue Anwendungsmöglichkeiten. So könnten Hautzellen zur Glukose-Messung bei Diabetikern dienen – und im nächsten Schritt sogar die benötigten Medikamente produzieren.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Viele Diabetiker müssen sich noch immer regelmäßig in einen Finger stechen, um Blut für die Glukose-Messung zu erhalten. Das ist lästig, aber auch unverzichtbar, denn ein außer Kontrolle geratener Blutzuckerspiegel kann verheerende Folgen haben. Seit Jahrzehnten wird deshalb an nicht-invasiver Glukose-Messung gearbeitet, was sich jedoch als schwierig erweist. Bislang ist es schlicht nicht möglich, durch die Haut hindurch den Glukose-Wert zu bestimmen.

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Ein anderer Ansatz aber ist, den Körper eines Menschen so umzustellen, dass er die Messung selbst übernimmt. Die Idee stammt von Xiaoyang Wu und Kollegen am Ben May Department for Cancer Research der University of Chicago. Das Team aus Chicago hat Hautzellen von Mäusen genetisch so verändert, dass sie zum Glukose-Sensor wurden. Das Besondere daran ist, dass er jederzeit funktioniert und ohne Batterie auskommt.

Laut Wu war es das erste Mal, dass lebende Hautzellen zu einem Sensor umprogrammiert wurden. Eine "hautbasierte Technologie würde viele Vorteile haben", fügt er hinzu. Sie sei besser als Stiche in den Finger, aber auch besser als die kontinuierliche Glukose-Messung, die manche Diabetiker vornehmen.

Die Haut ist eines der größten Organe des Körpers, erklären Wu und Kollegen in ihrem Bericht, der Ende September auf der Fachwebsite bioRxiv veröffentlicht wurde. Haut lässt sich leicht gewinnen und, so die Forscher, leicht wieder entfernen, falls etwas nicht so funktioniert wie vorgesehen.

Für ihre biologische Erfindung entnahmen Wu und sein Team den Mäusen zunächst Stammzellen, die für die Herstellung neuer Haut zuständig sind. Dann realisierten sie mit Hilfe der Gen-Editiermethode CRISPR ihren eingebauten Glukose-Detektor. Dazu mussten sie ein Gen von E. Coli-Bakterien hinzufügen, dessen Produkt ein Protein ist, das an Zucker-Molekülen haften bleibt.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

Als Nächstes fügten die Forscher DNA hinzu, die zwei fluoreszierende Moleküle produziert. Wenn das E. Coli-Protein an Zucker haftet und seine Form verändert, werden die fluoreszierenden Moleküle näher zusammen gebracht oder weiter voneinander entfernt. Dadurch entsteht ein Signal, das Wus Team unter dem Mikroskop beobachten konnte.

Bis hierhin passierte das alles in einem Labor. Anschließend testete das Team, ob sich die Zellen zur Glukose-Messung auch wieder in den Körper von Mäusen integrieren lassen. Dazu wurden die manipulierten Hautstücke auf den Rücken der Tiere transplantiert. Wenn hungrige Mäuse dann plötzlich eine große Dosis Zucker bekamen, reagierten die Zellen innerhalb von 30 Sekunden darauf, sagt Wu. Diese Glukose-Messung war ebenso genau wie ein Bluttest, den die Forscher ebenfalls vornahmen.

Die Technologie geht in Richtung einer vollkommen neuen und überraschenden Verwendung von Gen-Veränderungen. Allerdings wird sie noch einige Anpassungen brauchen, bevor ein Mensch einen mittels CRISPR angelegten Sensor im Arm trägt. Denn unter anderem macht das Auslesen der Haut-Signale noch Probleme. Wu musste sie mit einem Laser beleuchten und durch ein Highend-Labormikroskop beobachten.

Bei Menschen wäre das eine "Herausforderung", wie er einräumt. Er habe schon Ideen für einen Ansatz, der auch bei Menschen funktionieren könnte, sagt Wu. Allerdings wolle er vielleicht ein Patent dazu beantragen und ein Unternehmen gründen, so dass er nichts Näheres darüber sagen wollte.

Bereits klar ist, dass man sich vielleicht nicht damit begnügen würde, aus Haut einen Sensor zu machen: Man könnte dieselben Zellen auch dazu bringen, Medikamente gegen Diabetes zu produzieren. Vor kurzem hat Wus Team bereits eine Gentherapie entwickelt, die bei Mäusen zu Gewichtsverlust führte. Eine Kombination des hautbasierten Glukose-Sensors mit dieser Gentherapie könne ein geschlossenes biologisches System zur Kontrolle von Diabetes ergeben, so der Forscher.

"Unsere Untersuchung eröffnet das reizvolle Potenzial von hautbasierten Gentherapien für verschiedene klinische Anwendungen in der Zukunft", schreibt Wu.

(sma)