Die dunkle Seite des Lichts

Neue Studien zeigen, wie groß die Folgen der Lichtverschmutzung für Tiere und Pflanzen sind. Speziell designtes Licht soll den Schaden nun beheben.

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Die dunkle Seite des Lichts

(Bild: Foto: Kamiel Spoelstra/ NIOO-KNAW)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Rüdiger Braun

Dass wir auf der Erde vielerorts die Nacht zum Tag gemacht haben, ist trivial. Verblüffend und beunruhigend ist jedoch, welches Ausmaß das inzwischen angenommen hat. Städte, Industrieanlagen und Straßenverkehr produzieren inzwischen so viel Licht, dass es in weiten Regionen überhaupt nicht mehr richtig dunkel wird.

Ein „Weltatlas der Nachthimmelerhellung durch Kunstlicht“, den ein internationales Wissenschaftlerteam 2016 veröffentlichte, kommt zu dem Ergebnis, dass mittlerweile rund 80 Prozent der Weltbevölkerung sowie über 99 Prozent der Menschen in den USA und Europa unter einem künstlich erhellten Nachthimmel leben. Etwa ein Drittel der Menschheit kann die Milchstraße mit bloßem Auge nicht mehr sehen. Und jedes Jahr nimmt die flächenmäßige Ausbreitung von Kunstlicht weiter zu. Allein zwischen 2012 und 2016 waren es weltweit im Mittel über zwei Prozent, ermittelte Christopher Kyba vom GeoForschungsZentrum in Potsdam zusammen mit Kollegen aus Spanien, Großbritannien und den USA. Und auch die Helligkeit der beleuchteten Flächen steigt stetig. So reicht der Lichtkegel Berlins manchmal bis zu 100 Kilometer weit ins Brandenburger Umland hinein. Kyba hatte eigentlich gehofft, dass durch die rasche Verbreitung der weniger grell strahlenden LED-Lampen zumindest die Intensität des Kunstlichts abnimmt. Doch er stellt enttäuscht fest: „Schauen wir auf unsere Daten, dann scheinen diese Einsparungen durch neue oder hellere Lampen kompensiert zu werden.“ Ein klassischer Rebound-Effekt: Die geringeren Lichtkosten führen zu großzügigerem Einsatz von Licht.

Seit Beginn der 2000er-Jahre werden die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Pflanzen und Tiere systematisch erforscht. Inzwischen liegen erste Befunde vor. Britische Forscher von der Universität Exeter nutzten dazu hochaufgelöste Satellitenmessungen. Die Auswertung zeigte vor zwei Jahren, dass nachts etwa ein Zehntel der Landfläche unmittelbar von Kunstlicht erhellt wird. Rechnet man den Einfluss des diffusen Himmelsleuchtens hinzu, weil Wolken oder Schwebstoffe das Licht reflektieren, ist es vermutlich sogar ein Viertel. Um die Folgen zu ermessen, verglichen die Forscher umfangreiche Aufzeichnungen über die Blühphase von Bäumen mit Satellitenmessungen des Nachtlichts in den entsprechenden Regionen. Nachdem sie den Einfluss der Temperatur herausgerechnet hatten, kamen sie zu dem Ergebnis, dass künstliches Licht bei einigen Bäumen den Blühzeitpunkt in einem Zeitraum von 13 Jahren um etwa eine Woche vorverlegt hatte. Forscher des Virginia Tech Transportation Institute fanden bei einer Untersuchung in Illinois sogar einen Einfluss von Straßenbeleuchtung und Scheinwerferlicht auf Sojabohnenfelder. In unmittelbarer Straßennähe war die Reifung der Pflanzen um bis zu sieben Wochen verzögert und der Ertrag verringert. Das deckt sich mit zahlreichen Beobachtungen von Gärtnern und Botanikern: Laubbäume, die in unmittelbarer Nähe von Straßenlampen stehen, verlieren ihre Blätter einige Wochen später, wodurch es zu Frostschäden kommen kann. Insgesamt sind Studien zur Wirkung von Lichtverschmutzung auf Pflanzen aber noch recht dünn gesät.

Wesentlich mehr ist inzwischen über die Konsequenzen für einzelne Tierarten bekannt. Die künstliche Helligkeit führt Zugvögel und Seeschildkröten in die Irre und verschreckt bestimmte Fledermausarten. Bei verschiedenen Froscharten bemerkten Experten einen schädlichen Einfluss auf deren Fortpflanzungserfolg. Doch die größten Auswirkungen hat die Lichtverschmutzung vermutlich auf Insekten. Am augenfälligsten ist das Problem bei Straßenlaternen. Nachtfalter und andere nachtaktive Arten fühlen sich davon magisch angezogen. Sie verbrutzeln entweder an der Lichtquelle oder umschwirren sie so lange, bis sie erschöpft zu Boden fallen.

(wst)