Die neue nukleare Bescheidenheit

Mit der Tennessee Valley Authority (TVA) wagt sich der erste Energieversorger an modulare Kleinreaktoren, die billiger und sicherer sein sollen als herkömmliche AKWs.

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Von
  • Kevin Bullis

Mit der Tennessee Valley Authority (TVA) wagt sich der erste Energieversorger an modulare Kleinreaktoren, die billiger und sicherer sein sollen als herkömmliche AKWs.

In der Debatte über die Zukunft der Kernenergie geht manchmal unter, dass sie nicht nur ein politisches Problem hat. Neue AKWs zu bauen, ist auch äußerst kostspielig: Beim Europäischen Druckwasserreaktor EPR etwa liegen die Baukosten bei gut drei Millionen pro Megawatt installierter Leistung – bei 1.600 Megawatt sind das knapp fünf Milliarden Euro. Eine Alternative könnten „Klein-AKWs“ sein. Mit der Tennessee Valley Authority (TVA) hat nun der erste Energieversorger grünes Licht für diese Option gegeben.

Die TVA hat mit dem Reaktorhersteller Babcock & Wilcox eine Absichtserklärung unterzeichnet, am Clinch River, einem Nebenfluss des Tennessee, sechs kleine Kernreaktoren zu bauen. Die Anlagen vom Typ B&W mPower haben eine Leistung von 125 Megawatt. Beide Partner wollen zunächst die Vorarbeiten für eine Standortgenehmigung und eine Umweltprüfung angehen. Sollte das Projekt erfolgreich realisiert werden, könnte es wegweisend für die internationale Atomindustrie sein.

Denn Babcock & Wilcox verspricht nicht nur niedrigere Baukosten, sondern auch mehr Sicherheit beim Betrieb. In den mPower-Reaktoren soll Containment und Reaktordruckbehälter unter der Erde liegen. Abgebrannte Brennstäbe sollen für 60 Jahre in Abklingbecken aufbewahrt werden.

Bislang beruhte das Geschäftsmodell der Kernenergie auf AKWs mit 1000 und mehr Megawatt Leistung. Von der ersten Finanzierungsrunde bis zur ersten Betriebsstunde habe es aber üblicherweise viele Jahre gedauert, sagt Andrew Kadak, Nuklearingenieur und Berater bei Exponent Failure Analysis. Während die Bauzeit bei großen AKWs bei fünf bis sechs Jahren liegt, sollen die TVA-Reaktoren innerhalb von drei Jahren fertig werden. Weil sie dann schneller Strom und damit Umsatz produzierten, könnten die Betreiber günstigere Zinssätze bei der Finanzierung bekommen, so Kadak. Außerdem seien kleinere Anlagen leichter ins bestehende Stromnetz zu integrieren.

Ein weiterer Vorteil beim mPower-Konzept wäre, dass die Reaktoren nicht mehr am Standort gebaut werden müssen, sondern in Fabriken weitgehend vorgefertigt werden sollen. Der Kraftwerkshersteller bringt bereits eine gewisse Erfahrung mit kleinen Kernreaktoren für Kriegsschiffe mit. An Land sind diese Modelle jedoch noch nie für die normale Stromerzeugung eingesetzt worden.

Zwar haben auch andere Hersteller Konzepte für Kleinreaktoren entwickelt. Doch sind deren Konstruktionen bislang kaum getestet worden. Die Anlagen von Babcock & Wilcox hingegen funktionieren ähnlich wie die verbreiteten Druckwasserreaktoren. Das, so hofft man wohl bei der TVA, könnte die Genehmigung beschleunigen, weil Druckwasserreaktoren hinreichend bekannt sind.

Der mPower-Reaktor kommt zudem mit einem einzigen Druckbehälter aus. Einige der heutigen größeren Reaktorkonstruktionen hingegen bestehen im Kern aus mehreren Druckbehältern, die durch 75 Zentimeter dicke Rohre miteinander verbunden sind. Für den Fall, dass eines der Rohre birst, müssen aufwändige Notkühlwasser-Systeme zur Verfügung stehen, die man sich bei den kleineren Reaktoren sparen will.

Wie teuer der Strom aus den geplanten TVA-Reaktoren wird, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen. In den Kosten von AKWs seien einige Posten enthalten, die von der Größe unabhängig seien, wie zum Beispiel der Werksschutz, warnt Michael Golay, Nuklearingenieur am MIT. Auch sei unklar, ob das Containment – der Sicherheitsbehälter um den Reaktorkern – und andere Sicherheitssysteme wirklich so viel einfacher konstruiert werden könnten. „Wenn es um mein Geld ginge, würde ich in die Anlagen nicht investieren“, sagt Golay. (nbo)