Drei HIV-positive Menschen erhielten einen Heilversuch per CRISPR

Das maßgeschneiderte Gen-Editierwerkzeug soll das Virus aus dem Körper der AIDS-Patienten eliminieren. Das Ergebnis ist noch unbekannt.

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Blutproben

(Bild: PENpics Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Die Gen-Editiertechnologie CRISPR wurde bereits eingesetzt, um Tiere zu modifizieren, die Gene von Babys zu verändern und auch, um Menschen mit Sichelzellanämie zu behandeln. Jetzt versuchen sich Wissenschaftler an einem weiteren Novum: Sie wollen mithilfe von CRISPR Patienten dauerhaft von HIV heilen.

In einem bemerkenswerten Experiment hat das US-Biotechnologie-Unternehmen Excision BioTherapeutics nach eigenen Angaben ein maßgeschneidertes CRISPR-Werkzeug in den Körper dreier HIV-Infizierter eingebracht. Sein Auftrag: das Virus zu schneiden und zu zerstören, wo immer es sich versteckt.

Die Pilotstudie ist ein erster Schritt auf dem Weg zum Ziel des Unternehmens, HIV-Infektionen mit einer einzigen intravenösen Dosis des Gen-Editierwerkzeugs zu heilen. Nach Angaben von Excision Biotherapeutics, das seinen Sitz in San Francisco hat, wurde der erste Patient vor etwa einem Jahr behandelt. Ende Oktober berichteten die an der Studie beteiligten Ärzte auf einer Tagung in Brüssel, dass die Behandlung sicher zu sein scheint und keine größeren Nebenwirkungen hat. Allerdings hielten sie frühe Daten über die Auswirkungen der Behandlung zurück, so dass Experten außerhalb der Studie nur raten können, ob die Behandlung funktioniert hat.

"Das ist eine außerordentlich ehrgeizige und wichtige Studie", sagt Fyodor Urnov, Genom-Editier-Experte an der University of California in Berkeley. Aber es "wäre gut, eher früher als später" zu wissen, wie die Wirkung war, "einschließlich, möglicherweise, keiner Wirkung". Ein Misserfolg würde niemanden überraschen, der sich mit HIV auskennt. Das Virus hat sich als tückischer Gegner erwiesen: Es gibt auch 40 Jahre nach seiner Entdeckung 1983 immer noch keinen Impfstoff dagegen.

Immerhin haben Pharmaunternehmen sogenannte antiretrovirale Medikamente entwickelt, die das Virus daran hindern, sich selbst zu kopieren. Durch die Einnahme dieser Tabletten können Menschen mit HIV ein normales Leben führen. Wird die Behandlung jedoch unterbrochen, kommt es zu einem raschen Wiederauftreten des Virus, das unkontrolliert zu jenem tödlichen Syndrom von Infektionen und Krebs führt, das als AIDS bekannt ist.

Ein Grund dafür, dass das Virus mit Medikamenten allein nicht vollständig ausgelöscht werden kann, ist, dass es sein genetisches Material in die DNA in unseren Zellkernen einfügt und so versteckte Kopien hinterlässt, die die Infektion erneut auslösen können. "Plötzlich entdeckt die Zelle: 'Oh, mein Gott, da ist ein Segment, das das gesamte Virusgen enthält'", sagt Kamel Khalili, Professor an der Temple University in Philadelphia, der Excision mitgegründet hat und das Unternehmen weiterhin berät.

Impfstoff-Hersteller haben sich auch deshalb schwergetan, weil HIV genau jene Immunzellen namens CD4+ befällt und tötet, die Infektionen verhindern sollen. Vor einem Jahrzehnt allerdings erkannte Khalili, dass CRISPR eine Möglichkeit bieten könnte, die Infektion zu heilen, ohne das Immunsystem einzubeziehen: indem man die Gene des Virus in ihren Verstecken löscht. "Wenn sich das Virusgen in der DNA befindet, ist es wie eine genetische Krankheit", sagt er. "Man könnte also ein genetisches Werkzeug einsetzen."

Die CRISPR-Technologie wurde 2012 entwickelt und ihre Erfinderinnen wurden bereits mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Sie basierte auf der Entdeckung von Molekülen, mit denen Bakterien eindringende Viren – die sogenannten Phagen – erkennen und zerstören. CRISPR wurde schnell für das Schneiden menschlicher DNA adaptiert und begründete die heutige Ära der Genom-Editierung beim Menschen.

Die meisten Studien dazu, die heute Beachtung finden, zielen auf die Behandlung von Erbkrankheiten ab, die dann entstehen, wenn Menschen mit fehlerhafter DNA geboren werden. Für das jeweilige Leiden maßgeschneiderte CRISPR-Varianten können diese Gene korrigieren oder entfernen. Eine entsprechende Behandlung für Sichelzellanämie soll noch dieses Jahr zugelassen werden.

Die Studie von Excision ist insofern ungewöhnlich, als sie versucht, statt menschlichen Genen die eines Virus zu eliminieren. Von den mehr als 50 Gen-Editing-Studien an menschlichen Freiwilligen, die das MIT Technology Review in diesem Jahr ausgewertet hat, betrafen nur zwei Infektionskrankheiten. Khalili merkt jedoch an, dass der ursprüngliche Zweck von CRISPR in der freien Natur das Ausschalten von Viren war. "Obwohl das Konzept, CRISPR gegen ein Virus einzusetzen, neuartig erscheint, geht es auf das zurück, was in der Natur bereits vor sich ging", sagt er.

Erste Labortests zeigten, dass CRISPR die HIV-Gene in den Zellen aufspüren und zerstören konnte. Später konnten etwa 20 Prozent der HIV-infizierten Mäuse, denen ein Gen-Editiermittel in die Venen geträufelt wurde, funktionell geheilt werden, so Khalili.

Das Unternehmen erhielt die Erlaubnis, Tests am Menschen durchzuführen. Bisher haben drei Menschen die Behandlung erhalten. Sie bekamen eine Infusion mit Milliarden harmloser Trägerviren verabreicht, die DNA-Anweisungen für die Herstellung und Ausrichtung der CRISPR-Schere enthielten.

Nach Angaben von Excision hat die Behandlung keine größeren Nebenwirkungen verursacht. Da das Vorgehen sicher zu sein scheint, erklärte das Unternehmen, dass es die Studie im nächsten Jahr mit höheren Dosen fortsetzen wird, wobei sechs weitere Patienten die drei- und dann die zehnfache Menge der bisher verabreichten Menge erhalten.

Was noch fehlt, sind Daten darüber, ob die Behandlung funktioniert. Die Patienten in der Studie nahmen antiretrovirale Medikamente ein, aber der Plan sah vor, dass die Ärzte diese Medikamente zwölf Wochen nach der Gen-Editing-Behandlung absetzen, um zu sehen, ob das Virus zurückkehrte oder nicht. Dieser Schritt ist als "analytische Behandlungsunterbrechung" bekannt. Wenn das Virus nicht zurückkehrte, könnte das bedeuten, dass CRISPR die viralen Gene zerstört hatte.

Für zwei der Patienten, die vor Monaten behandelt wurden, sind die Daten dem Unternehmen offenbar bereits bekannt. Aber William Kennedy, Senior Vice President für klinische Entwicklung bei Excision, sagte, dass der dritte Patient erst vor kurzem behandelt wurde und dass die vollständigen Ergebnisse für diese Gruppe nicht vor 2024 veröffentlicht werden.

Das ist eine lange Wartezeit, wenn man bedenkt, wie schnell sich das Gene Editing entwickelt. Urnov zufolge sind die Gentech-Unternehmen aufgrund des schwierigen finanziellen Umfelds besonders zurückhaltend. Bei einigen sind die Aktienkurse gesunken, und eines, Beam Therapeutics, hat letzte Woche 20 Prozent seiner Mitarbeiter entlassen und angekündigt, dass es seine Bemühungen umorganisieren werde.

Khalili, der an der klinischen Excision-Studie selbst nicht beteiligt ist und die Ergebnisse deshalb nicht aus erster Hand kennt, sagt, dass die Studie nur ein Schritt auf einem längeren Weg zu einer Heilung sein könnte. Einer, der schließlich die Kombination mehrerer Strategien enthalten könnte.

"Selbst wenn wir [HIV] nicht vollständig heilen, könnten wir den Wiederanstieg des Virus erheblich verzögern", sagt er. "Das könnte uns für die nächste Phase vorbereiten, wie bei jedem Medikament, bei dem es eine erste und eine zweite Generation gibt."

(jle)