"KI Hauptstadt der Welt": San Francisco hofft auf Tech-Boom

San Francisco setzt auf KI-Firmen, um sich von den Folgen der Pandemie zu erholen. In der Stadt sind die Mieten extrem hoch, 30 Prozent der BĂĽros stehen leer.

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(Bild: Joseph Sohm/Shutterstock.com)

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In San Francisco herrscht wieder Goldgräber-Stimmung. Seit der Pandemie liegt die Leerstandsquote der Büros etwa bei 30 Prozent. Die Mieten für Gewerbe- und Wohnimmobilien zählen der Washington Post zufolge zu den höchsten in den USA. Nun hätten Risikokapitalgeber allein dieses Jahr knapp 2 Milliarden Dollar in San Franciscos KI-Start-ups investiert und den Stadtverantwortlichen ein seltenes Gefühl von Optimismus gegeben.

San Franciscos Bürgermeisterin, London Breed, hat die Stadt kürzlich zur "KI-Hauptstadt der Welt" erklärt. Mit einer Reihe von Anreizen will sie die Niederlassung neuer Technologie-Unternehmen vorantreiben und für potenziell Interessierte Steuererleichterungen anbieten – sofern Unternehmen bereit wären, einen dreijährigen Mietvertrag zu unterschreiben. Marktforscher sehen für die angeschlagene Stadt am Rand des Silicon Valley eine Chance, den Ruf als Epizentrum der Innovation zu retten und endlich wieder mehr Menschen zurück in die Büros zu bringen.

Von den 20 größten KI-Unternehmen – gemessen am Investitionskapital – befänden sich 16 in der Bay Area und 11 davon in San Francisco. Das Unternehmen OpenAI, das mit ChatGPT den aktuellen Hype um Künstliche Intelligenz ausgelöst hat, hat seinen Hauptsitz ebenfalls in San Francisco. Seit 2019 gab es laut CBRE, dem weltweit größten Unternehmen auf dem gewerblichen Immobiliensektor, mehr als 500 Risikokapitalfinanzierungen in Höhe von insgesamt 17,7 Milliarden Dollar in KI-Unternehmen in San Francisco. Viele dieser Unternehmen würden Büroräume zur persönlichen Zusammenarbeit und für Kundenempfänge suchen.

Es sei zwar unklar, wie lange der Hype um die Künstliche Intelligenz anhalten werde, aber die Branche stelle eine Wachstumsquelle dar, die San Francisco dringend benötige, so Colin Yasukochi, Executive Director des Tech Insights Center von CBRE. Ähnlich zuversichtlich ist der Managing Director der Immobiliengesellschaft JLL, Mike Sample, dass Künstliche Intelligenz einen weiteren Tech-Boom in der Küstenstadt auslösen werde: "Die besten Talente für die KI-Entwicklung gibt es in San Francisco, ganz klar. Die Frage ist nur, wie man mehr von den richtigen Talenten bekommt und wie man es skalieren kann."

Ein Großteil der KI-Start-ups interessiere sich Sample zufolge allerdings für Büroflächen in Stadtteilen, die der Innenstadt mit den höchsten Leerständen nicht helfen werde. San Francisco gehöre zu den Großstädten, die sich am langsamsten von der Coronapandemie erhole, berichtet die Washington Post weiter.

KI-Unternehmen werden nicht die Lücke schließen können, die die Massen-Entlassungen der Big-Tech-Unternhemen wie Microsoft, Amazon, Meta und Co. aufgerissen haben. Nach Corona fiel die Nachfrage für digitale Dienste rasant ab und die Menschen nutzen wieder zunehmend die Möglichkeiten in der realen Welt. Das spürte in den USA nicht nur die Immobilienbranche, andere Wirtschaftsbereiche wurden ebenfalls hart getroffen.

Die physische Nähe ist auch für viele der KI-Firmen, die sich jetzt in San Francisco niederlassen, ein wichtiger Faktor. So erklärt etwa Avni Patel Thompson, Mitbegründer und CEO des KI-Unternehmens Milo, dass es unabhängig davon sei, wo man sich in San Francisco befinden. Entscheidend sei, in der Stadt zu sein, um andere in diesem Bereich zu treffen und so eine hohe Konzentration von Talenten zu erleben.

Thompson habe vor Kurzem Räumlichkeiten im Mission District gemietet und plane, sich nach weiteren Büros in der Innenstadt umzusehen, da ihr Unternehmen weiter wächst. Sie habe San Franciscos "Anziehungskraft" nicht widerstehen können. "Ich spüre die Energie vor Ort in einer Weise, wie ich sie seit vielen Jahren nicht mehr gespürt habe", sagte sie.

Es sei allerdings unmöglich, die Augen vor den Problemen (in San Francisco) zu verschließen. Die Obdachlosigkeit in San Francisco ist nach wie vor tragisch – viele Einheimische können die Mieten schon lange nicht mehr bezahlen. Hinzu kämen eine Verschlechterung der Infrastruktur und die Ankündigung weiterer Schließungen aufgrund der schwindenden Kundenfrequenz.

Zu der ersten extremen Zuwanderung führte bereits 1848 der "echte" Goldrausch und Bevölkerung wuchs um das 25-fache (von 1.000 auf 25.000 Einwohner). In den 1990er-Jahren führte der Dotcom-Boom zu einer massiven Gentrifizierung und Zuwanderung, steigenden Mieten und endete 2001 mit dem Platzen der Dotcom-Blase im größten Bevölkerungsrückgang der Stadt-Geschichte. Der Wegzug von 30.000 Einwohnern brachte zwar eine Mietanpassung auf ein niedrigeres Niveau mit sich, trotzdem blieb San Francisco eine der teuersten Städte in den USA.

Thomson gibt sich trotzdem optimistisch, den richtigen Weg zu finden und die Bedingungen für alle verbessern zu können – und nicht nur für diejenigen, die in der KI-Branche arbeiten.

(bme)