"Durchbrüche für sieben Milliarden Menschen"

Der Unternehmer Peter Diamandis über die Bedeutung von Technologie-Wettbewerben für den technischen Fortschritt und die spezielle Innovationskultur, die der von ihm begründete X Prize hervorgebracht hat.

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Von
  • Antonio Regalado

Der Unternehmer Peter Diamandis über die Bedeutung von Technologie-Wettbewerben für den technischen Fortschritt und die spezielle Innovationskultur, die der von ihm begründete X Prize hervorgebracht hat.

Diamandis ist einer der bekanntesten Luftfahrtunternehmer der USA. Als ausgebildeter Arzt weiß er auch, dass für den Fortschritt nicht nur die Technik, sondern auch die Psychologie zählt. Also rief er 1996 den X Prize ins Leben. Der soll „radikale Durchbrüche“ zum Wohle der Menschheit befördern. Der erste X Prize – damals hieß er noch „Ansari X Prize“ – wurde 2004 in einem großen Medienspektakel für den ersten privaten bemannten Raumflug vergeben. Der Sieger, das Team Scaled Composites, bekam für den erfolgreichen Flug des SpaceShipOne am 4. Oktober 2004 zehn Millionen Dollar. Die Berichterstattung allein sei aber locker 120 Millionen Dollar wert gewesen, sagt Diamandis.

Seitdem hat er mit seiner Stiftung etliche Millionen aufgetrieben, um weitere Wettbewerbe auszurufen, darunter einen zur Frage, wie man eine Ölpest gründlich beseitigt. Dem ersten privaten Unternehmen, das einen Rover auf dem Mond absetzt, winken gar 30 Millionen Dollar – der höchstdotierte Technikpreis in der Geschichte. Technology Review sprach mit Diamandis über die Bedeutung von Technologie-Wettbewerben für den technischen Fortschritt, die spezielle Innovationskultur des X Prize und die Frage, warum die X Prize Foundation selbst so viel Sponsorengelder einbehält.

TR: Welche Seite der menschlichen Natur hat Sie dazu gebracht, ins Geschäft mit Preisgeldern einzusteigen?

Peter Diamandis: Die Menschen sind genetisch so veranlagt, dass sie konkurrieren – um einen Partner, im Sport, bei der Arbeit. Wettbewerbe mit einem Anreiz zwingen die Menschen, unter vorgegebenen Randbedingungen ein klares Ziel zu verfolgen, das die Lösung des Problems ist. Es ist das Gegenteil vom Denken „out of the box“: Sie müssen innerhalb der Box denken.

Wenn Menschen ohne Einschränkungen nachdenken, werden sie bequem. Dann nutzen sie alle verfügbaren Ressourcen, Zeit und Geld, und spielen auf Sicherheit, wollen keine Risiken eingehen. Engen Sie das Problem hingegen zeitlich oder finanziell ein, sagen viele „das geht nicht“ und steigen aus. Diejenigen, die sagen „OK, ich versuche es trotzdem“ müssen ihren Kopf anstrengen, wie sie das Problem lösen könnten. Sie sind plötzlich gezwungen, es ganz anders zu betrachten. Das ist zwar hochriskant. Aber in Wettbewerben, in denen der Sieger alles abräumt, gehen Menschen größere Risiken ein. Sind genug Konkurrenten dabei, haben die Erfolgreichen per definitionem etwas Neues vollbracht.

TR: Wenn die gesamte Technologieentwicklung über Wettbewerbe wie den X Prize ablaufen würde, was für eine Technik würde am Ende dabei herauskommen?

Diamandis: Es geht nicht darum, eine Welt des Überflusses zu erschaffen. Es geht nicht um Durchbrüche, die ein Luxusleben ermöglicht, sondern um solche, die sieben Milliarden Menschen ein Leben voller Chancen eröffnet. Die ihre Grundbedürfnisse nach Trinkwasser, Nahrung, Energie und Gesundheit befriedigt. Es geht darum, die ganz großen Probleme zu lösen. Probleme, die Milliarden Menschen betreffen und innerhalb von zehn Jahren gelöst werden könnten, wenn sich einige Menschen auf sie konzentrieren würden.

TR: Wer bei einem X Prize antritt, braucht sehr viel Geld. Sind das nicht nur Wettbewerbe für die Reichen?

Diamandis: Alle Teams nutzen den Preis, seine Berühmtheit, das Theater drumherum, um Anreize für Investitionen zu setzen. Als es den Ansari X Prize noch nicht gab, lautete eine typische Frage: „Können Sie meine Rakete finanzieren?“ Die Meisten antworteten dann: „Sind Sie verrückt? So was macht nur die NASA.“ Es gab eben keine Überprüfung des Vorhabens von außen.

Als der Wettbewerb für die Beseitigung von Ölverseuchungen lief, waren sieben der zehn Teams sehr klein. Es waren gewissermaßen Familienunternehmen. Eins traf sich zum Beispiel in einem Tätowierstudio in Las Vegas. Aber diese Teams konnten am Ende doppelt so viel Öl entfernen, wie es die Ölkonzerne in den letzten 20 Jahren vermocht hatten.

TR: Angesichs des Tempos, mit dem sich die Technik weiterentwickelt – wofür brauchen wir überhaupt Preisgelder?

Diamandis: Eine gute Frage. Ein Grund ist, die Entwicklung in einer bestimmten Richtung zu beschleunigen. Ein zweiter Grund ist – um es mit Clay Shirky zu sagen –, dass es da draußen einen erheblichen „kognitiven Mehrwert“ gibt. Wie realisieren Sie den, um etwas Konstruktives, Positives zu tun?

Nehmen sie den Qualcomm-Tricorder-Preis. Dabei geht es um medizinische Geräte, ähnlich wie der Tricorder in Star Trek, die einen Gesundheitscheck vornehmen könne, ohne den Körper einer Person zu berühren. Es wird vielleicht fünf bis zehn Jahre dauern, bis sie kommen. Der Wettbewerb hilft aber, in dieser Zeit regulatorische Standards zu setzen, Kapital zu mobilisieren und Unternehmer zielstrebiger zu machen. Es gibt Millionen Menschen, die möglicherweise nicht sterben müssten, wenn es so eine Technologie schon gäbe.

TR: Qualcomm hat Ihrer Stiftung 20 Millionen Dollar gegeben. Die eine Hälfte ist das Preisgeld, die andere fließt in die Stiftung. Ist das nicht etwas viel? Die meisten Forschungsstiftungen spenden fast ihr gesamtes Geld.

Diamandis: Solche Vergleiche frustrieren mich. Leute, die fragen: „Warum ist Ihr Verwaltungsapparat so groß?“, verstehen nichts davon, wie man einen Technologiepreis organisiert. Dazu gehören PR-Arbeit, Beziehungen zur Regierung, Einrichtungen, um den Wettbewerb abzuhalten, die Bewertung der Ergebnisse zu ermöglichen und eine Jury zusammenzustellen. Wir werden mit Qualcomm am Ende die Bewertung wie wie eine klinische Studie durchführen. Das mit einer Stiftung zu vergleichen, die Forschungsstipendien vergibt und einmal im Jahr Berichte anfordert, ist totaler Unsinn. (nbo)