Durchleuchten ohne Strahlen

Sogenannte Körper- oder auch Nacktscanner sollen die Sicherheit an Flughäfen erhöhen, wecken aber Datenschutz- und Gesundheitssorgen. Ein finnisches Spin-Off versucht es jetzt mit einer passiven Methode.

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Von
  • Sascha Mattke

Sogenannte Körper- oder auch Nacktscanner sollen die Sicherheit an Flughäfen erhöhen, wecken aber Datenschutz- und Gesundheitssorgen. Ein finnisches Spin-Off versucht es jetzt mit einer passiven Methode.

Das finnische Unternehmen Asqella, ein Spin-Off des VTT Technical Research Centre in Finnland, will im kommenden Jahr eine auf Terahertzwellen basierende Kamera für Sicherheitsanwendungen auf den Markt bringen. Aktive Systeme dieser Art sind bereits seit einigen Jahren auch auf deutschen Flughäfen im Einsatz, wecken jedoch gesundheitliche und datenschutzrechtliche Bedenken. Trotzdem möchte sich Asqella zunächst auf andere Anwendungen konzentrieren, wie CEO Arttu Luukanen Technology Review Online sagte.

Terahertzstrahlen haben Wellenlängen im Bereich zwischen 100 Mikrometer und 1 Millimeter und werden deshalb auch als Submillimeterwellen bezeichnet. Damit befinden sie sich im Grenzbereich zwischen Mikrowellen und Infrarot. Erst seit etwas zehn Jahren gibt es bedeutende Fortschritte bei ihrer Erzeugung und Detektion – vorher war lange Zeit von einer „Terahertz-Lücke“ die Rede.

Mittlerweile produziert vor allem der US-Rüstungshersteller L-3 Communications aktive Terahertz-Scanner, die an vielen Flughäfen weltweit zum Einsatz kommen. In Deutschland waren sie nach ersten Tests im Jahr 2010 noch durchgefallen, weil es zu viele Fehlalarme gab. Doch die Technik wurde weiterentwickelt, und das gestiegene Sicherheitsbewusstsein hat dafür gesorgt, dass Terahertz-Scanner ihre zweite Chance bekamen. Ende 2012 wurden am Frankfurter Flughafen die ersten drei Körperscanner dieser Art in Deutschland in den regulären Betrieb genommen. Bis Ende dieses Jahres sollen insgesamt rund 100 solcher Geräte an deutschen Flughäfen im Einsatz sein.

Neben der Ungenauigkeit gab es bei der ersten Generation das Problem, dass die aktiven Scanner quasi dreidimensionale Nacktbilder der untersuchten Personen erzeugten. L-3 hat darauf reagiert und lässt die Geräte jetzt nur noch schematische Darstellungen einer weiblichen oder männlichen Person anzeigen, auf denen kritische Objekte hervorgehoben sind; bei Verdachtsfällen muss an diesen Stellen dann genauer nachgesehen werden. Genau erfasst werden die Körperformen aber zunächst trotzdem – und nicht jeder möchte glauben, dass sie nicht auch irgendwie angesehen werden können.

Ein zweites heikles Thema ist die Strahlenbelastung durch die aktiven Systeme. Das Bundesamt für Strahlenschutz erklärte zwar im Jahr 2010, typischerweise liege die Dosis nur bei einem kleinen Bruchteil des in der EU zulässigen Grenzwertes. Weil die Technik aber noch nicht eingehend genug erforscht sei, sprach sich die Behörde für den bevorzugten Einsatz passiver Systeme aus, die nur vom Körper emittierte Terahertzstrahlen erfassen.

Beide Probleme will Asqella mit seinem passiven System gelöst haben, wie CEO Luukanen erklärt: Zum einen sei passive Terahertz-Bildgebung ähnlich wie Infrarot inhärent „zweidimensional“, so dass erst gar kein heikles 3D-Bild kontrollierter Personen entstehe. Zum Zweiten bedeute der Verzicht auf eine aktive Strahlenquelle, dass niemand auch nur auf die Idee kommen könne, es bestehe hier eine Gesundheitsgefährdung. Darüber hinaus ermögliche die Passiv-Technologie eine höhere räumliche Auflösung, mehr Aufnahmen pro Sekunde und die Erfassung über größere Distanzen.

Asqella hat in diesem Juni zusätzliches Wagniskapital in Höhe von 1,8 Millionen Euro von VTT Ventures, finnischen Business-Angels und dem Shenzhen Leitou Fund aus China bekommen. Die neue Finanzierungsrunde sei die Grundlage für die Vorbereitung des internationalen Marktstarts für das eigene Produkt, sagte Luukanen bei diesem Anlass. Angepeilt sei der Herbst kommenden Jahres, gab er auf Nachfrage an, zum Preis könne er nur sagen, dass er sich wohl im Bereich anderer Körperscanner bewegen werde. Genaue Statistiken zur Erfassungsrate gebe es noch nicht, man könne aber sagen, dass das eigene System bei den wichtigsten Kennzahlen „signifikant besser“ sei als andere kommerzielle Körperscanner.

Als wichtigsten Durchbruch dabei bezeichnet Luukanen ein extrem empfindliches supraleitendes Bolometer zur Messung der Strahlungsenergie: ohne diese Komponente sei die passive Technologie viel zu teuer, als dass man auf einen Einsatz in der Praxis hoffen dürfte. Insgesamt sei in die Entwicklung Fachkompetenz unter anderem aus den Bereichen „Vakuumtechnik, Mechanik, Optik, Optomechanik, Mikrofertigung, analoger und digitaler Elektronik, Embedded Systems, Physik der kondensierten Materie, Signalverarbeitung und Datenfusion“ eingeflossen.

Vielleicht etwas überraschend: Mit seinem Produkt zielt Asqella zwar auf den Sicherheitsbereich ab, dies aber weniger an Flughäfen als bei Logistik und Massenveranstaltungen. Die Kamera werde sich bestens dafür eignen, Mitarbeiter von Lagerzentren rasch und wenig invasiv auf mitgenommene Gegenstände zu scannen. Beispielsweise lasse sie sich auf eine Tür ausrichten und könne dann Personen kontrollieren, die ganz normal durch sie hindurchgehen. Ähnlich seien schnelle Kontrollen beim Zugang zu großen Gebäuden oder zu Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern möglich.

Den Flughafen-Markt möchte sich Asqella, wenn überhaupt, später vornehmen. Für ein kleines Start-up sei es so gut wie unmöglich, hier Fuß zu fassen, erklärt Luukanen. Einstweilen sei das System namens Argon deshalb auch nicht gezielt auf diesen Einsatzzweck hin entwickelt worden.

(sma)