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"Ein Misserfolg war das nicht"

Ben Schwan

Elon Musk, CEO des jungen Weltraumunternehmens SpaceX, spricht im Interview mit Technology Review über nervenaufreibende Raketentests, eine effiziente Raumfahrt und seine 100-Millionen-Dollar-Wette, einen Wettbewerber für Giganten wie Lockheed zu formen.

Elon Musk, 35, machte mit den Internetfirmen Zip2 und Paypal sein Geld. Seit 2002 entwickelt er mit SpaceX [1] eine völlig neue Rakete namens Falcon, mit der er kommerzielle Satelliten in den Weltraum befördern will, und die im März zum zweiten Mal getestet wurde. Außerdem arbeitet Musk mit der NASA zusammen an Komponenten für den Nachfolger des Space Shuttle.

Technology Review: Herr Musk, der zweite Testflug Ihrer neuentwickelten Rakete Falcon 1 im vergangenen Monat war erneut nicht ganz erfolgreich [2]. Können Sie zusammenfassen, was schiefgelaufen ist?

Elon Musk: Ich würde das Ganze keinen Misserfolg, sondern eher einen durchaus erfolgreichen Test nennen. Es handelte sich um eine Versuchsmission, und wir hatten keinen Satelliten an Bord.

Das Ziel dabei war, alle Systeme durchzuchecken und genügend Daten zu sammeln, um sicherzustellen, dass unser erster Satellitenstart, der noch in diesem Jahr geplant ist, auch wirklich ein Erfolg wird.

Das ist uns gelungen – wir konnten 90 Prozent der Systeme positiv testen und haben nun genügend Daten, die Probleme mit den restlichen 10 Prozent zu lösen.

TR: Wie kam es dazu, dass die Falcon 1 den Orbit nicht erreichte?

Musk: Die zweite Stufe stieß mit der ersten zusammen, als sich beide Stufen voneinander trennen sollten. Das halten wir allerdings für kein großes Problem, das sich nicht lösen lassen könnte.

TR: Sie haben einmal gesagt, dass Sie Ihre Firma zusperren würden, wenn Sie drei hintereinanderliegende Fehlschläge erleben müssten. Dies war, wenn man den nur kurzen Jungfernflug der Falcon 1 hinzurechnet, Fehlschlag Nummer 2. Bleiben Sie bei Ihrer Aussage?

Musk: Das Weltraumgeschäft ist das wohl komplexeste Business, das man sich vorstellen kann. Nur einige wenige Länder können das, was wir hier vorhaben. Und wie ich schon sagte: Ich sehe den jüngsten Start größtenteils als Erfolg, dementsprechend greift hier meine "3-Fehlschlags-Regel" auch nicht.

TR: Sie sprachen von 10 Prozent der Systeme, die noch nicht so laufen, wie sie sollen. Was ist dort noch zu tun?

Musk: Es gab da eine Schwankung am Ende des Abbrennvorgangs der zweiten Stufe. Der Flug sollte eigentlich 9 Minuten dauern, erreichte aber nur 8 Minuten. Wir haben aber einen stabilen Zustand der zweiten Stufe erzielen können – und zwar in nahezu allen Bereichen. Die Schwankung könnte von einer Schleife im Kontrollsystem ausgehen. Das können wir nun aber genau analysieren, weil wir genügend Flugdaten gewonnen haben. Ist die Schwankung aus dem System verbannt, haben wirs endgültig geschafft.

TR: Sehen Sie noch Probleme bei der eigentlichen Ausführung der Mission, also dem Aussetzen der Satelliten?

Musk: Das ist nicht kompliziert. Dem Vehikel wird einfach ein "Release"-Kommando übermittelt und das wars.

TR: Sie haben selbst rund 100 Millionen Dollar aus Ihrem Privatvermögen in SpaceX investiert. Wie lange halten Sie noch durch, bevor ordentlich Geld in die Kasse kommt?

Musk: Lange genug. Ich kann mich nur nochmals wiederholen: Für mich war die letzte Mission ein Erfolg. Sollte bei unserem ersten Satellitenstart etwas danebengehen, also der Satellit nicht in die Umlaufbahn gelangen, wäre das natürlich sehr unschön.

TR: Welche Satelliten soll SpaceX bei seinen ersten Missionen ins All befördern?

Musk: Der erste Satellitenstart ist für den Spätsommer geplant. Das ist ein Satellit des US-Verteidigungsministeriums für die amerikanische Marine. Auch die ersten beide Teststarts von Falcon 1 wurden von der US-Regierung mitfinanziert. Sie ist sozusagen unser Beta-Kunde. Diesem müssen wir außerdem beweisen, dass wir mit unseren Raketen sehr schnell ins All gelangen können.

Der Plan ist, sie innerhalb einer Stunde betanken und dann ins All schießen zu können. Die Idee dabei ist, dass das US-Militär bei Satellitenfehlern oder dem Abschuss eines Satelliten diesen sehr schnell ersetzen kann. Das kann bislang keine andere Weltraumfirma leisten.

TR: Bislang haben Sie nur die kleinere Falcon 1 getestet. Wird die wesentlich traglaststärkere und damit kommerziell attraktivere Falcon 9 parallel entwickelt?

Musk: Ja. Allerdings bauen beide Systeme auf den gleichen Komponenten auf. Die Falcon 9 nutzt eben neun der Raketenmotoren der ersten Stufe der Falcon 1 und einen Falcon-1-Raketenmotor der ersten Stufe in ihrer zweiten Stufe. Ein erster Teststart einer Falcon 9 wird aber noch eine gewisse Zeit brauchen.

TR: Sie selbst haben die NASA und andere Weltraumagenturen gerne wegen Ihrer Bürokratie belächelt – und versuchen nun, ähnliche Aufgaben wesentlich effizienter zu lösen. So benötigen Sie für Ihre Starts erstaunlich kleine Teams. Inzwischen haben Sie ja genügend Erfahrung gesammelt. Wird sich Ihre Vision der kostengünstigen Weltraumfahrt also tatsächlich verwirklichen lassen?

Musk: Durchaus. Wobei ich die NASA hier in Schutz nehmen muss – auch dort kauft man seine Starts und Raketen ja bei Boeing oder Lockheed ein. Die NASA ist außerdem ein wichtiger Kunde von uns und sehr an unserer Arbeit interessiert.

Uns ist es gelungen, die Kostentreiber in nahezu allen Bereichen kleiner zu bekommen – vom Raketenmotor über die notwendigen Gebäude, die Luftfahrtelektronik, die Launch-Teams, die Organisation und vieles mehr. Wir fahren einen sehr geringen Overhead und gehen überall so innovativ wie möglich vor.

Der wichtigste Punkt auf lange Sicht ist aber, dass die Falcon 9 die erste wiederverwendbare Rakete zum Erreichen der Erdumlaufbahn sein wird. Wenn wir das schaffen, ist uns einer der größten Durchbrüche in der Geschichte der Raketentechnik gelungen. (bsc [3])


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https://www.heise.de/-279681

Links in diesem Artikel:
[1] http://spacex.com/
[2] http://spacex.com/updates.php#demoflight_2_prelim_review_1
[3] mailto:bsc@heise.de