Eine App für 10.000 Strandkörbe: So funktioniert die digitale Vermietung

Tausende Urlauber strömen derzeit an Nord- und Ostsee an die Strände. Vielerorts können sie Strandkörbe digital anmieten. Wie die Technik dahinter funktioniert.

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Ein Strandkorb in Hooksiel (Landkreis Friesland)

Auch per App aufschließbar: Ein Strandkorb am Strand von Hooksiel.

(Bild: mki / heise online)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Sonne, Wind, Meer und Sandstrand: Balsam für die Seele – aber für Technik alles andere als unproblematisch. Jeder kennt das Sprichwort vom Sand im Getriebe. Es gibt einfachere Umgebungen für ein Start-up, um Analoges ins digitale Zeitalter zu überführen, als Strandkörbe digital zugänglich zu machen.

Entsprechend überrascht war der Autor, als er kürzlich bei einem Spaziergang in Hooksiel an der Nordsee spontan den Entschluss fasste, einen Strandkorb anzumieten, um Wellen und Wind sitzend zu genießen. Der Strandkorb hat eine langjährige Tradition, er gilt als typisch deutsches Phänomen. An den Stränden von Nord- und Ostsee ist er nicht wegzudenken, im Ausland ist er vielerorts unbekannt. Und weil er so traditionsreich ist, hat sich irgendwie das Bild vom dicken Schlüssel eingebrannt, den man gefühlt weit weg erstmal in einem Strandhaus bei einem Vermieter holen muss, um das Schloss zur Absperrung des Korbs zu öffnen.

Doch falsch gedacht: Hier in Hooksiel und in vielen anderen Strandbädern an Deutschlands Küsten kann man sich längst per App und damit auch vorab geplant aus der Ferne oder eben spontan vor Ort in den Strandkorb seiner Wahl einwählen. Möglich macht das die Technik verschiedener Anbieter. Firmen wie BeachNow, Strandscanner und Strandbutler buhlen mit unterschiedlich großem Erfolg um die Gunst der Korbvermieter. Obwohl Deutschland sich einig in der Liebe zu den Strandkörben ist: Wenn es darum geht, ob diese offen oder verschlossen vermietet werden, ob die Kommune oder mit deren Lizenz ein Privater die Körbe vermietet, könnten die Unterschiede kaum größer sein.

Auswahl des Strandabschnitts in der App

(Bild: mki / heise online)

Mit solchen Feinheiten möchte der Badegast natürlich nichts zu tun haben. Für ihn zählt das Ergebnis: der eigene Strandkorb – möglichst schnell und einfach. Und dieses Ergebnis erreichen wir im spontanen Test in Hooksiel rasch: Nach dem Laden der Strandbutler-App aus dem App Store, wählen wir auf der Landkarte erst den Ort, dann den Strandabschnitt aus und landen in einer Anzeige, die der von Fluggesellschaften ähnelt, wo im Flugzeug der gewünschte Platz ausgewählt wird. Korb 77, vor dem wir stehen, ist tatsächlich zu haben. Für nicht gerade geringe 8 Euro soll er den Rest des Nachmittags uns zur Verfügung stehen.

Das dicke Schloss, das vor der Holzabsperrung des Strandkorbs hängt, muss zweimal gebeten werden, sich zu öffnen. Zwischenzeitlich kommen schon Zweifel an der Funktionstüchtigkeit auf. Doch die App weiß Bescheid und rät dazu, Bügel und Schloss während der Verbindungsaufnahme durch das Smartphone etwas zusammenzudrücken: Klack – schon ist es offen.

Dieses Schloss kann per App geöffnet werden

(Bild: mki / heise online)

Wir haben bei Geschäftsführer Bernhard Sourdeau von der Strand & Mehr GmbH in Hamburg, die Strandbutler betreibt, nachgefragt, wie genau das funktioniert: Nach seinen Worten nimmt die App per Bluetooth Kontakt zum Schloss auf. Dieses prüfe dann, ob der übermittelte Berechtigungszeitraum mit dem aktuellen Zeitpunkt übereinstimmt. Wer lieber noch zur Strandkorbvermietung marschiert und kein Smartphone dabeihat, kann dort auch alternativ einen NFC-Chip holen, der das Schloss öffnet.

Das Hooksieler Schloss, so erzählt er uns, ist längst nicht mehr das neueste Modell. Ebenfalls an der Nordseeküste, in Neuharlingersiel in Ostfriesland, kommt bereits eine neue Version zum Einsatz, die mit einer in den Chip integrierten SIM-Karte, der nuSIM der Telekom, versehen ist und per GPS auch den genauen Standort des Strandkorbs an den Vermieter übermitteln kann. Das auf diese Weise vernetzte Schloss ermöglicht es dem Vermieter, zu schauen, wo sich der Korb befindet, ob das Schloss funktionstüchtig und wie es um die Batterie steht. Ohne Mobilfunkmodul wurden zumindest die beiden letztgenannten Daten bislang über die Smartphone-App des Nutzers an Strandbutler "gefunkt" – je nach Nutzung eines Korbs konnte es aber manchmal dauern, ein Update zu erhalten.

Nachdem anfänglich mit Akkus gearbeitet wurde, die per USB-Kabel aufgeladen wurden, stellte sich rasch heraus, dass das bei mitunter 500 Körben an einem Strand doch ein ziemlicher Aufwand ist, erinnert sich der Strandbutler-Chef. In Hooksiel steckt deshalb eine Knopfzellenbatterie im Gerät, die erfahrungsgemäß eine ganze Strandkorbsaison – also in der Regel zwischen Ostern und den Herbstferien – überdauern kann. Ein großer zwischenzeitlicher Batterienwechsel ist also nicht nötig. Zur langen Batterielaufzeit trägt auch bei, dass das Schloss ungenutzt in eine Art Ruhezustand übergeht. Nutzer müssen es durch Drücken in den aktiven Zustand versetzen. Die neueren Schlösser haben sogar eine kleine Solarzelle integriert, schließlich stehen die Körbe ja in der Regel dort, wo die Menschen Sonne suchen.

Strandbutler, ein Start-up-Unternehmen mit aktuell sechs Mitarbeitern, hat seinen Service und die Software rund um Schlösser aufgebaut, die von einem Hardware-Partner in China hergestellt werde. Grundlage sei ein Standardprodukt gewesen, das man aber weiterentwickelt habe, sagt Sourdeau. Herausforderung war dabei die Anpassung an die extremen Bedingungen an der Küste, wo Sand, Wetter und Salzwasser gnadenlos die Technik auf die Probe stellen.

Dass alleine Strandbutler ungefähr 10.000 Strandkörbe deutschlandweit mit seinem Service abdeckt, zeigt, dass die Hardware mit Wind und Wetter offenbar gut klarkommt – wobei die Schlösser allerdings auch nur bei 40 Prozent der Körbe im Einsatz sind. Mancherorts seien die Körbe grundsätzlich offen und die Strandbetreiber prüfen durch Kontrollen, ob jemand berechtigt ist, diese zu nutzen. Auch hier biete die App aber die Möglichkeit, das Ticket dafür zu erwerben.

Obwohl eine Nische, sieht der Start-up-Chef noch viel Raum für Wachstum. Auf rund 100.000 wird die Zahl aller Strandkörbe an deutschen Stränden geschätzt. Im Ausland sei man aufgrund des deutschen Strandkorbphänomens noch nicht am Start – aber zumindest grenznah und mit Blick auf das Komfortversprechen werden hier durchaus auch Chancen für die Zukunft gesehen.

(mki)