Eine kurze Blütezeit für Bluetooth

Der Nahbereichsfunk über Bluetooth macht Fortschritte.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Eric S. Brown
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Bluetooth soll ein Erfolg sein? Doch, wirklich. Nach Angaben der Industrie-Vereinigung Bluetooth Special Interest Group (Bluetooth SIG) wurden in diesem Mai jede Woche zwei Millionen Geräte mit dieser Nahbereichsfunktechnik ausgeliefert. Das ist mehr als doppelt soviel wie vor neun Monaten. Laut Allied Business Intelligence werden in diesem Jahr insgesamt 300 Millionen Bluetooth-Geräte in die Läden kommen - 2003 waren es erst 80 Millionen. Im US-Mobiltelefonmarkt ist die Technik noch nicht sehr weit verbreitet, und auch als Ersatz für den Kabelsalat am PC hat sie sich bislang noch kaum durchgesetzt. Aber die Technik ist inzwischen bei vielen PDAs Standard und außerhalb Amerikas auch in den meisten Smartphones integriert. Zudem beherrscht sie den hervorragend laufenden Markt für drahtlose Headsets. Und sie wird sexier: Einer der neuesten Trends in Großbritannien ist das "Toothing" - Leute auf der Suche nach einem schnellen Abenteuer nehmen über die Bluetooth-Funktion ihrer Telefone Kontakt miteinander auf.

Bluetooth soll sich demnächst auch technisch verbessern: Die Bluetooth-SIG hat eine schnellere Version namens Bluetooth EDR (für "Enhanced Data Rate", verbesserte Datenrate) beschlossen, die 2005 in ersten Geräten verfügbar sein wird. EDR wird die Datenrate auf 2,1 Megabit pro Sekunde erhöhen, was dem Dreifachen der derzeitigen Durchsatzgeschwindigkeit entspricht. Das entspricht genügend Bandbreite, um hochauflösende Bilder von Foto-Handys auf Laptops oder 300-dpi-Darstellungen an Laserdrucker zu schicken. Auch helfen schnellere Datentransfers, Batteriekapazität zu sparen.

Nach all diesen Erfolgen sollte das beliebte Bluetooth-Schlechtreden eigentlich langsam aufhören. In den USA hat es auch mit einer Art von Fremdenfeindlichkeit zu tun - Technologien, die nicht in Armonk (IBM-Hauptquartier), Sunnyvale (Silicon Valley) oder Redmond (Microsoft) entstanden sind, rufen gerne das Misstrauen der Amerikaner hervor, und Bluetooth stammt aus Schweden. Doch inzwischen geben immer mehr wichtige Analysten auch in den USA Bluetooth gute Noten. So sagt etwa Alex Slawsby von IDC voraus, dass "wir Ende des Jahres sehr viele neue Bluetooth-Produkte sehen werden".

Das mag stimmen, allerdings erwartet man in Amerika in etwa einem Jahr auch das Erscheinen erster "Ultrawideband"-Geräte (kurz: UWB) mit noch deutlich höheren Datenraten. Diese hatte sich verzögert - auch daran könnte der Bluetooth-Erfolg in jüngster Zeit liegen. Ultrawideband benutzt so genannte Short-Pulse-Funksignale mit geringer Leistung - und erreicht so bis zu 480 Megabit pro Sekunde in einem Umkreis von zwei Metern. Bei 10 Metern sind es immer noch 110 Megabit pro Sekunde.

Erdacht wurde die Ultrawideband-Technik, um PC-Kabel zu ersetzen und Videosignale im Haus zu verteilen; außerdem wäre ein kostengünstiger Einbau in Mobilgeräte möglich. Allerdings leidet Ultrawideband derzeit an einem Gerangel um die Standardisierung zwischen dem Elektronikkonzern Motorola und dem für solche Standards eigentlich zuständigen Gremium Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE). Laut Slawsby wird es daher noch mindestens ein Jahr dauern, bis die Technik in ersten Geräten verbaut werden kann.

Trotz der Probleme bei der Standardisierung sind die Vorteile der UWB-Technik so immens, dass Intel, zuvor großer Bluetooth-Fan, vor kurzem seine Unterstützung reduzierte und statt dessen versucht, eine IEEE-Version von Ultrawideband nach vorne zu bringen. Intel und andere versuchen außerdem, die WLAN-Technik voranzutreiben, deren aktuelle Erfolgsgeschichte Blueooth eher alt aussehen lässt. Im Gegensatz zu Ultrawideband ist WLAN kein direkter Bluetooth-Konkurrent: es ist eher als drahtloses Netzwerk denn als Geräteverbindungstechnologie zu verstehen. Allerdings wird WLAN für diverse Bluetooth-ähnliche Anwendungsfälle verwendet. Die aktuell am stärksten verbreitete WLAN-Technik, 802.11b, ist dabei bis zu fünf Mal schneller als Bluetooth EDR; neuere WLAN-Systeme (802.11g, 802.11a) sind bis zu 25 Mal schneller. Zudem ist der Wettbewerb um einen Platz in Heimelektronik-Geräten hart. WLAN ist in Laptops wesentlich öfter enthalten als Bluetooth - und bis Bluetooth EDR da ist, werden immer mehr Smartphones auch über WLAN verfügen.

"Wenn EDR kommt, wird der Technik nicht viel Zeit bleiben, bevor die Konkurrenz durch WiFi und Ultrawideband sichtbar wird", meint Tod Kort, Analyst bei Gartner. "Es gibt derzeit ein Fenster, das Bluetooth endlich nutzen muss, weil UWB es sonst ersetzt. Die Bandbreite von EDR ist nicht konkurrenzfähig, also wird auch diese nicht viel helfen."

Slawsby von IDC meint, dass die Bandbreite sowieso weniger wichtig ist. Er glaubt, dass sich aktuelle Bluetooth-Geräte mehrere Jahre lang deutlich besser verkaufen werden, als die mit der neuen EDR-Technik - besonders im Bereich der derzeit heißen Bluetooth-Headsets. "Wir glauben nicht, dass EDR zu einer radikalen Veränderung bei der Bluetooth-Akzeptanz führt", meint er. Es werde demnächst zudem Chipsätze geben, die WLAN und Bluetooth kombinierten. Die hätten große Erfolgschancen, weil die UWB-Technik immer noch "sehr jung" sei.

Ein größeres Problem für Bluetooth ist die wachsende Komplexität, meint Gartner-Mann Kort. Das schlechte Image, das Bluetooth in Sachen Bedienbarkeit hat, hänge oft mit Kompatibilitätsproblemen zusammen. "Es gibt zu viele Geräte, die einfach nicht miteinander arbeiten", erklärt er. Während Datentransfers zwischen Produkten der gleichen Firma problemlos liefen, benötigten Übertragungen von einem Gerät des einen Herstellers auf das eines anderen oft die Aktivierung spezieller Einstellungen - manchmal ginge das auch gar nicht. "Mobilfunkanbieter nutzen Bluetooth auch deshalb so langsam, weil sie nicht mit den Support-Problemen belastet werden wollen."

Selbst wenn Bluetooth funktioniert - und trotz "toothing" -, ist diese Form des Datenfunks weit weniger sexy als die Marketingpower, die hinter Technologien wie MP3 oder Digitalfotografie steckt. Auch deshalb sind die Handy-Hersteller und Mobilfunkanbieter in den USA so langsam bei der Technik. Weitere schlechte Nachrichten aus dem wichtigen Markt: Zwar sind immer mehr PDAs mit Bluetooth ausgestattet, doch der PDA-Markt schrumpft. Derweil könnten Benutzer von Handys geneigt sein, ihre Daten einfach per E-Mail über Mobilfunk zu übertragen, anstatt ihren Laptop direkt per Bluetooth mit dem Handy zu verbinden.

Ist Bluetooth also bislang ein weltweiter Erfolg? Ja, wirklich. Wird das auch in einem Jahr noch so sein? Schwer zu sagen. In zwei Jahren? Unwahrscheinlich. Konsumeletronik ist manchmal ein wirklich schmutziges geschäft.

Von Eric S. Brown. Übersetzung: Ben Schwan. (sma)