Eine virtuelle Übungswelt für Roboter

Wenn es für Menschen zu gefährlich wird, könnten Roboter einspringen – aber nur, wenn sie auch auf schwierigem Gelände zurechtkommen. Eine realitätsnahe 3D-Umgebung macht ihre Entwicklung schneller und billiger.

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Von
  • Will Knight

Wenn es für Menschen zu gefährlich wird, könnten Roboter einspringen – aber nur, wenn sie auch auf schwierigem Gelände zurechtkommen. Eine realitätsnahe 3D-Umgebung macht ihre Entwicklung schneller und billiger.

In ungefähr einem Monat wird eine bunte Mischung von Robotern versuchen, fehlerfrei durch einen schwierigen Hindernis-Parcours auf einem Messegelände in Ponoma im US-Bundesstaat Kalifornien zu kommen. Bei dem von der Defense Advanced Projects Research Agency (DARPA) ausgerichteten Wettbewerb treten etwa zwei Dutzend Maschinen an. Sie müssen verschiedene Aufgaben lösen und sollen so den neuesten Stand der Technik bei Navigation, Manipulation von Objekten und Bewegung zeigen.

Schon bevor die Roboter erstmals das Gelände betreten (oder befahren), werden viele von ihnen ihr Können in einer sehr realistischen virtuellen Welt gezeigt haben. In der 3D-Umgebung namens Gazebo kann man Roboter-Hardware oder -Software ganz ohne die physischen Maschinen ausprobieren. Damit ist sie eine billige und schnelle Möglichkeit, zu experimentieren, ohne dabei Schäden an wertvollen Komponenten zu riskieren. Zudem können mittels Gazebo mehrere Teams gleichzeitig am selben Roboter arbeiten.

DARPA ist eine Regierungsagentur mit der Aufgabe, in ferner Zukunft liegende Konzepte zu finanzieren. Der Wettbewerb soll die Entwicklung von Robotern fördern, die in extrem gefährlichen Umgebungen – wie zum Beispiel einem Atomkraftwerk nach einer Kernschmelze – eingesetzt werden könnten und dort Aufgaben übernehmen, die normalerweise Menschen vorbehalten sind. In Ponoma sollen die Roboter simulierte Reparaturarbeiten erledigen, zum Beispiel das Abstellen einer Wasserpumpe, das Versiegeln eines kontaminierten Gebäudes oder das Steuern von Fahrzeugen mit Material. Die meisten der antretenden Roboter haben eine humanoide Form, manche allerdings sehen eher aus wie riesige mechanische Spinnen.

Auch die Entwicklung von Gazebo wurde in den letzten Jahren von der DARPA finanziert. Die Software erzeugt 3D-Welten ähnlich wie in vielen Computerspielen, bietet aber viel realistischere Annäherungen an reale Kräfte und Phänomene wie Reibung und Beleuchtung. In die Sensoren der Roboter können realistische Geräusche eingespielt werden, um die Herausforderungen zu simulieren, mit denen Roboter in der echten Welt zurechtkommen müssen.

„Wir versuchen, die Realität so eng abzubilden wie möglich“, sagt Nate Koenig, der als CTO der Open Source Robotics Foundation seit einem Jahrzehnt die Entwicklung von Gazebo leitet. „Das Ziel ist, leicht auf einen echten Roboter umschalten zu können.“

Gazebo ist ein Teil des Robot Operating System, kostenloser Open-Source-Software für die Steuerung unterschiedlicher Roboter-Komponenten. Weil Robotiker verbesserten Programmcode wieder dem ROS-Projekt zur Verfügung stellen, hat das Betriebssystem als Entwicklungsplattform einiges an Beliebtheit gewonnen, vor allem im akademischen Bereich. Gazebo und ROS kommen bei der Entwicklung unterschiedlichster Hardware-Typen zum Einsatz. Ein Forscher in der Schweiz zum Beispiel entwickelt damit ein Autopilot-System für Quadrokopter.

Auch einige Industrieroboter nutzen bereits ROS und Gazebo, beispielsweise die von Rethink Robotics in Boston. Das Unternehmen hat für kommerzielle Kunden seine eigene Simulationsplattform entwickelt, ermutigt jedoch akademische Forscher, Gazebo für Experimente mit seinem ersten Roboter, einer zweiarmigen Maschine namens Baxter, zu verwenden.

„Niemand will jedes Mal ganz von vorn anfangen“, sagt Brian Benoit, leitender Produktmanager bei Rethink Robotics. „Wenn man ein Labor hat, das wirklich gut in maschinellem Sehen ist, möchte man sich möglichst selbst keine Gedanken mehr über Rückwärtstransformationen machen“, sagt er.

Eine extrem realistische 3D-Welt ist besonders nützlich für Roboter, die in komplexen und unvorhersagbaren Umgebungen arbeiten sollen. Die Roboter bei dem DARPA-Wettbewerb werden es mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen und physischen Gegebenheiten zu tun bekommen, und ein Fehltritt könnte leicht zu Beschädigungen führen. „Meistens versucht man, vor allem bei humanoiden Robotern, Objekte zu ergreifen und prüft dabei, ob man mit sich selbst kollidiert“, erklärt Koenig.

Gazebo wird auch von vielen Teams genutzt, die sich an einem anderen Roboter-Wettbewerb am Rande einer wichtigen Konferenz diesen Monat in Seattle beteiligen. Bei dem von Amazon finanzierten Wettkampf sollen Roboter Produkte in Regalen identifizieren und aus ihnen herausnehmen, ähnlich wie menschliche Arbeiter in den Amazon-Lagern. Das Unternehmen setzt in seinen Logistikzentren bereits Roboter ein, um Regale durch die Gegend zu fahren. Daraus auch Waren zu entnehmen, ist allerdings eine weitaus schwierigere Aufgabe.

(sma)