Endlich angeschlossen: KI versorgt versunkene römische Ruinen mit Internet

Die Überwachung archäologischer Stätten unter Wasser ist eine Herausforderung. In Italien hat man deshalb ein spezielles "Unterwasser-Internet" entwickelt.

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Von Algorithmen gelenkt: Taucher in den Ruinen von Balae.

(Bild: Barbara Davidde)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Manuela Callari

Vor mehr als 2.000 Jahren war Baiae der vielleicht prächtigste Badeort Italiens. Wohlhabende Staatsmänner wie Marcus Antonius, Cicero und Caesar fühlten sich von den natürlichen Quellen am Golf von Neapel angezogen und ließen luxuriöse Villen mit beheizten Thermen und mosaikverkleideten Thermalbecken errichten. Doch im Laufe der Jahrhunderte wurde diese Spielwiese des römischen Adels durch vulkanische Aktivitäten und dem damit einhergehenden Anstieg des Meeresspiegels überflutet.

Heute ist Baiae einer der wenigen archäologischen Unterwasserparks der Welt. 435 Hektar stehen Besucherinnen und Besuchern offen, um die Überreste der alten römischen Stadt zu erkunden. Doch der besondere Ort bringt besondere Herausforderungen mit sich: Da es sich in Baiae um ein geschütztes Meeresgebiet handelt, muss die Stätte kontinuierlich auf Schäden durch Tauchende und sich verändernde Umweltfaktoren überwacht werden. Auf trockenem Boden würde man dazu einfach entsprechende Kameras und Sensoren installieren. Unter Wasser ist das schwieriger.

Kabelgebundene Überwachungssysteme funktionieren zwar am zuverlässigsten, aber sie sind schwer zu warten und decken nur ein begrenztes Einsatzgebiet ab, sind also nicht sehr flexibel. Drahtlose Systeme hingegen funktionieren im Wasser nicht gut, weil dieses mit den elektromagnetischen Wellen interagiert. Und auch optische und akustische Signale eignen sich nur bedingt für die drahtlose Unterwasserkommunikation – Faktoren wie Wassertemperatur, Salzgehalt und Seegang können die Signale auf dem Weg zwischen Sender und Empfänger verfälschen.

Um eine bessere Lösung zu finden, hat sich Barbara Davidde, Italiens Beauftragte für das Unterwasserkulturerbe, mit einer Gruppe von Experten unter der Leitung von Chiara Petrioli, Professorin an der Universität Sapienza und Direktorin des Spin-offs WSense, einem auf Unterwasserüberwachung spezialisierten Start-up, zusammengetan. Petriolis Team hat ein Netzwerk aus akustischen Modems und drahtlosen Unterwassersensoren entwickelt, die Umweltdaten erfassen und in Echtzeit an die Verantwortlichen an Land übertragen. "Wir können die Baustelle nun jederzeit aus der Ferne überwachen", sagt Davidde.

Das Besondere an dem System: Es beruht auf Algorithmen auf Basis Künstlicher Intelligenz, die den Informationspfad, also die Kommunikation zwischen den Knotenpunkten, automatisch an die jeweiligen Meeresbedingungen anpassen, sodass das Signal bis zu zwei Kilometer weit reichen kann. Daten zwischen Stationen, die einen Kilometer voneinander entfernt sind, können mit bis zu einem Kilobit pro Sekunde übertragen werden, bei kürzeren Entfernungen seien Dutzende von Megabit pro Sekunde möglich, erklärt Petrioli. Diese Bandbreite reiche aus, um Umweltdaten zu übertragen, die von am Meeresboden verankerten Sensoren erfasst werden, etwa Informationen über Wasserqualität, Druck und Temperatur, metallische, chemische und biologische Elemente sowie Lärm, Strömungen, Wellen und Gezeiten.

Das "Unterwasser-Internet" in Baiae ermöglicht den Experten unter anderem die kontinuierliche Fernüberwachung von Umweltbedingungen wie pH-Wert und Kohlendioxidgehalt. Die wirken sich auf das Wachstum von Mikroorganismen aus, die wiederum die archäologischen Artefakte angreifen könnten. Aber auch die Besucherinnen und Besucher des Unterwasserparks könnten künftig von dem System profitieren.

Barbara Davidde geht davon aus, dass das Netzwerk in den kommenden Monaten für Touristen zur Verfügung stehen wird. Während sie über den Ruinen schwimmen, können sie wasserdichte Tablets verwenden, um untereinander zu kommunizieren und gleichzeitig 3D-Rekonstruktionen der Ruinen über Augmented Reality zu betrachten. "Das Unterwasser-Internet hat die Überwachung der archäologischen Stätte einfacher und effizienter gemacht", sagt Davidde. "Gleichzeitig können wir der Öffentlichkeit eine neue, interaktive Möglichkeit bieten, den Unterwasserpark von Baiae zu erkunden."

Selbst bei geringer Bandbreite ist diese drahtlose Unterwasserkommunikationstechnologie äußerst nützlich, insbesondere für dynamische Systeme wie Tauchende, die sich während der Erkundung einer Stätte bewegen. Sie können über das Netzwerk genau geortet werden, was im Notfall von Vorteil sein kann.

KI-gestützte Systeme wie diese werden bereits an mehreren archäologischen Stätten in Italien eingesetzt. Sie finden auch in vielen anderen Bereichen Anwendung, zum Beispiel bei der Untersuchung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Meeresumwelt und der Beobachtung von Unterwasservulkanen. Italiens Nationale Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung nutzt die WSense-Technik, um zu untersuchen, wie sich Algen, wirbellose Wassertiere und Korallen in der Bucht von Santa Teresa an den Klimawandel anpassen. Und in Norwegen werden sie zur Überwachung der Wasserqualität und der Fischgesundheit in Lachsfarmen eingesetzt.

"Es ist nichts, was ein kabelgebundenes System leisten kann", sagt Chiara Petrioli, "aber die Flexibilität eines kabellosen Netzwerks ist äußerst wertvoll."

(jle)