Extremwetter und die Energieversorgung: Texas war nur der Anfang

Schnee in Texas â wie hier in einem anderen US-Bundesstaat â ist extrem selten.
(Bild: Matthew T Rader / Unsplash)
Viele Energiesysteme sind auf klimawandelbedingte Disruptionen nicht oder nur schlecht vorbereitet.
Im Februar wĂŒtete eine seltene arktische Kaltluft ĂŒber Zentralamerika und wehte mitten hinein nach Texas. Temperaturen fielen in tiefe Minusbereiche, beinahe brach die Stromversorgung zusammen. Ein Staat, der bekannt ist fĂŒr seine reichhaltigen Energiequellen, musste das weitlĂ€ufige Versagen der eigenen Erdgas- und ElektrizitĂ€tssysteme konstatieren. Mehr als vier Millionen Texaner blieben tagelang ohne Strom.
Krise des Netzes
Die wahrscheinliche Ursache: Eisige Temperaturen trieben die Stromnachfrage auf einen Winterrekord, der mit zuvor nichts vergleichbar war â nicht einmal mit jenem Extrem-Szenario, das sich der staatliche Stromnetzbetreiber, der Electric Reliability Council of Texas (kurz: ERCOT), ĂŒberlegt hatte. Ziemlich schnell waren dutzende Erdgasplantagen und einige Windturbinen auĂer Betrieb und stĂŒrzten das texanische Versorgungsnetz in eine Krise. Um den Ausfall des gesamten Systems zu verhindern, leitete ERCOT Notabschaltungen ein und trennte so Millionen von Kunden vom Netz.
Wissenschaftler sind noch damit beschĂ€ftigt, herauszufinden, ob die sich schnell erwĂ€rmende Arktis hĂ€ufigere ZusammenbrĂŒche des "Polarwirbels" vorantreibt. Jedenfalls soll dieser fĂŒr den Frost in Texas verantwortlich sein. Klar ist bereits, dass der Klimawandel extreme WetterverhĂ€ltnisse wie Hitzewellen, DĂŒrren, WaldbrĂ€nde und Ăberflutungen hĂ€ufiger und schlimmer machen wird. Jedes Ereignis dieser Art kann eine fragile Infrastruktur an den Rand des Zusammenbruchs bringen, so wie eben in Texas geschehen.
Doch wie darauf vorbereiten? Zum Aufbau einer sogenannten Klimaresilienz brĂ€uchte es allein in den USA ein Investment von bis zu 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Eine sorgfĂ€ltige Planung kann helfen, die angegriffenen Ressourcen zu erhalten. Schaut man sich die Schwierigkeiten in Texas rĂŒckblickend an, so lassen sich einige zentrale Lektionen aus ihnen ziehen, wie sowohl fragile Infrastrukturen als auch vulnerable Gemeinschaften besser geschĂŒtzt werden können, um widerstandsfĂ€higer gegen extreme klimatische VerĂ€nderungen zu werden.
Einkommensschwache trifft es am hÀrtesten
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Texas mussten viel erleiden, Menschen starben. DafĂŒr ist nicht einfach der Netzausfall verantwortlich. Erdgasquellen und Leitungen froren ein, die Gasproduktion und Versorgung der staatlichen Pipelines wurde unterbrochen und die Leistung der Kraftwerke halbierte sich genau zu dem Zeitpunkt, als die Nachfrage zunahm. Andernorts kam es zu einem Stromausfall bei Wasseraufbereitungsanlagen und zugefrorene Rohre fĂŒhrten zu einem Druckverlust bei Verteilungsnetzen. Bewohner konnten die gefrorenen StraĂen nicht mehr sicher nutzen.
Infrastruktursysteme lassen GlĂŒhbirnen in normalen Zeiten leuchten und das Wasser kommt verlĂ€sslich aus dem Hahn â doch im ungĂŒnstigen Fall fĂŒhren sie zu Problemen. Extreme Wetterbedingungen können auch dazu fĂŒhren, dass mehrere Bereiche eines kritischen Systems gleichzeitig ausfallen. Diese Art von zeitgleichen Katastrophen ist weitaus wahrscheinlicher als man denkt. Will man also eine widerstandsfĂ€hige Infrastruktur aufbauen, muss man mit extremen Ereignissen rechnen, die groĂe Teile des Systems mit einem Mal treffen könnten, seien es SchneestĂŒrme, WaldbrĂ€nde, Wind oder Ăberflutungen. Letztlich werden die schlimmsten Auswirkungen, die der Ausfall einer Infrastruktur auf Menschen hat, nicht von dem Ausfall selbst verursacht. Es sind stattdessen die eisigen Temperaturen, denen Menschen ausgesetzt sind, ein Mangel an sauberem Trinkwasser, schwindende LebensmittelvorrĂ€te, und die Angst, dass Hilfe nicht rechtzeitig eintreffen könnte.
Hinzu kommt, dass die Bevölkerungsgruppen, die in der Geschichte schon immer marginalisiert wurden, auch ĂŒber die wenigsten Ressourcen verfĂŒgen, um sich vor den menschlichen Opfern eines infrastrukturellen Versagens zu schĂŒtzen. In Texas waren obdachlose Menschen am ehesten von den eisigen Temperaturen gefĂ€hrdet. Zufluchtsorte, begrenzt durch Social-Distancing-Auflagen, kamen schnell an ihre KapazitĂ€tsgrenzen. Viele einkommensschwache Stadtteile gehörten zu den Ersten, bei denen der Strom verschwand. Und People of Color sind in beiden dieser Gruppen unverhĂ€ltnismĂ€Ăig stark reprĂ€sentiert.
Investitionen leisten, Versorgung diversifizieren
Was kann man tun? Mit dem schwĂ€chsten Glied der Infrastruktur sollte begonnen werden. Energiesysteme können und mĂŒssen widerstandsfĂ€higer gegen extreme Wetterbedingungen werden. Windturbinen arbeiten in der Antarktis, Gasanlagen werden in Alberta betrieben und Gasbohrungen in Alaska durchgefĂŒhrt. Wetterfestigkeit kann teuer werden, doch die erschwinglichsten Schritte, beispielsweise bei Windturbinen oder bei dem Einsatz von Begleitheizungen und Isolierung, damit Drucksensoren bei Erdgas oder Atomkraftwerken nicht einfrieren, sind diese Kosten im Zweifelsfall sehr wert.
Es ist schwer zu entscheiden, welche Investitionen zur Schadensbegrenzung seltener Ereignisse angemessen sind. Doch es handelt sich um eine Kalkulation, die nicht von der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses abhÀngen sollte, sondern von dem Schweregrad seiner Konsequenzen.
Ohnehin ist es unmöglich, jeden Zentimeter einer Infrastruktur gegen die Vielzahl aller möglichen Katastrophen zu schĂŒtzen. Es wĂ€re also auch sinnvoll, die Versorgung kritischer Ressourcen wie Strom zu diversifizieren, wo immer möglich. Erdgaskraftwerke, die zwei Drittel der texanischen ErzeugungskapazitĂ€t ausmachen, waren hauptsĂ€chlich mitverantwortlich fĂŒr die Versorgungsknappheit. Weist das Netz aber eine gemischte Vielzahl an Erzeugungsquellen an verschiedenen Orten auf, die jeweils unterschiedlich anfĂ€llig fĂŒr andere Formen von Extrembedingungen sind, wĂ€re es insgesamt widerstandsfĂ€higer gegenĂŒber einem einzelnen Ereignis.
Sarah Fletcher ist Juniorprofessorin an der Stanford University. Sie untersucht die Themen Wasserversorgung, Infrastruktur-Planung, und Klimaanpassung. Jesse Jenkins ist Juniorprofessor an der Princeton University und forscht im Bereich Energiesysteme und Maschinenbau.
(bsc [2])
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