Fang die Drohne

Unternehmen und Universitäten forschen an den unterschiedlichsten Techniken zur Abwehr von Drohnen – selbst Greifvögel können der Luftüberwachung dienen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ulf Schönert

Summend steigt die Kameradrohne in die Luft. In zwei, drei Metern Höhe stabilisiert sich ihr Flug, grün und rot leuchten ihre Positionslichter. Da schießt auf einmal mit vorangestreckten Krallen ein riesiger, dunkel gefiederter Adler heran. Von schräg unten nähert er sich dem Quadrokopter, packt ihn und reißt ihn mit sich, um dann wenige Meter weiter mit der Beute zu landen.

Hinter dem spektakulären Angriff, dessen Video im Netz bereits hunderttausendfach Verbreitung fand, steckt eine Firma namens "Guard From Above" aus Den Haag. Deren Mitarbeiter, nach eigenen Angaben erfahrene Falkner, hatten den Raubvogel gezielt abgerichtet, um die Drohne vom Himmel zu holen. Und hatten damit "eine Lowtech-Lösung für ein Hightech-Problem" gefunden, wie es ihr Chef Sjoerd Hoogendoorn formuliert.

Das Problem, das er meint, macht in letzter Zeit immer häufiger Schlagzeilen. Es geht um Drohnen, die an Orten auftauchen, an denen sie nicht sein sollen. Erst kürzlich kam es zu einem Beinahe-Crash am Flughafen Paris-Orly: Der Pilot eines Airbus hatte im letzten Moment eine Drohne auf Kollisionskurs bemerkt – und nur mit einem Ausweichmanöver einen Unfall verhindern können. Ähnlich spektakulär war der Fall des österreichischen Skirennläufers Marcel Hirscher, der letzten Dezember bei einem Weltcup-Rennen in Italien beinahe von einer abstürzenden Drohne erschlagen wurde.

Auch Gefängnisse melden neuerdings Handy- und Drogen-Schmuggelversuche mit Drohnen. Im Netz sind Videos aufgetaucht, die Drohnen mit scharfen Feuerwaffen zeigen. "Die Einsatzszenarien reichen von möglichen Anschlägen über Schmuggelaktivitäten bis hin zu Ausspähungen und Belästigungen", heißt es aus dem Bundeskriminalamt.

Ob sich die Adler allerdings fernab von Testumgebungen bewähren, ist fraglich: Sie müssen von geschultem Personal betreut werden. Ihr Transport ist schwierig. Zudem könnten sie sich an den Propellern verletzen. Luftfahrtkonzerne wie Boeing und Airbus, Rüstungsbetriebe wie Rheinmetall, aber auch Universitäten und Start-ups forschen deshalb an technischen Lösungen zur Drohnenabwehr. Bis zum Jahr 2022 soll der Anti-Drohnen-Markt 1,14 Milliarden US-Dollar wert sein, hat das Marktforschungsinstitut MarketsandMarkets errechnet.

Um etwas gegen illegale Drohnen unternehmen zu können, muss man sie zunächst einmal erkennen. Ingo Seebach und Jörg Lamprecht haben dazu die Firma Dedrone gegründet. Sie beschäftigt 30 Mitarbeiter und hat gerade ihren Sitz von Kassel nach San Francisco verlegt. Ihr Produkt, der DroneTracker, sieht aus wie ein Propeller, in dessen Mitte eine Kamera sitzt. Er wird an den Außenwänden zu schützender Gebäude angebracht und erkennt laut Hersteller "alle Arten von zivilen Drohnen". Dazu nutzt er neben der Kamera auch WLAN-Signale, einen Infrarotsensor, Ultraschallsensoren und zwei Mikrofone.

Nähert sich eine Drohne, wird sie gefilmt und anhand ihrer Bewegungen und ihres Geräuschprofils identifiziert. Dazu pflegt Dedrone eine Datenbank, die Details zu möglichst vielen Drohnentypen enthält. "Das ist wie bei einem Virenscanner, das muss permanent aktualisiert werden", sagt Lamprecht. Die Justizvollzugsanstalt Halle gehört zu seinen ersten Kunden. 6900 Euro beträgt der Preis für den Detektor, dazu kommen Kosten für die Aktualisierung der Software in Höhe von 660 Euro pro Jahr.

Manche Drohnen sind allerdings so leise, dass man sie mit Schalldetektoren kaum erfassen kann – gerade in einem lauten Umfeld wie in der Nähe eines Flughafens. Auch äußerlich unterscheiden sich die Modelle inzwischen stark voneinander: Außer dem geläufigen Quadrokopter kommen vermehrt Flügeldrohnen und – noch schwieriger zu erkennen – sogenannte Kolibris auf den Markt: Drohnen in Vogelform. Bei Dedrone arbeiten die Techniker deshalb an einer Erweiterung des Systems durch Radar. Zudem soll es Steuersignale von Fernbedienungen erfassen können. "Es wird in Zukunft nicht das eine Anti-Drohnen-System geben, sondern eine Kombination aus vielen Technologien", sagt Lamprecht. Auch eine mobile Variante zum Schutz von Veranstaltungen hat Dedrone im Angebot. Statt an einer Hauswand wird ihr Sensorsystem auf einem Stativ befestigt.

Der G7-Gipfel in Elmau im vergangenen Jahr gehörte zu den ersten Events, das mit einem Drohnenabwehrsystem überwacht wurde. Den Auftrag dafür erhielt die Firma ESG, die wie Dedrone Multisensortechnik verwendet. Kernstück des ESG-Systems ist eine rotierende Infrarotkamera. Christian Jaeger, Programm-Manager Drohnenabwehrsysteme bei ESG, ist sich sicher: "Früher oder später werden alle Großveranstaltungen dieser Art durch Drohnenabwehrsysteme geschützt."

Wie aber bekommt man Drohnen vom Himmel, nachdem Überwachungssensoren sie erspäht haben? Möglich ist natürlich, die Geräte einfach abzuschießen. Die Rüstungsfirma MBDA, die auch Flugabwehrraketen herstellt, hat dafür eine spezielle Laserkanone entwickelt. Sie befindet sich in der Testphase. Subtiler geht es mit Funkwellen – etwa mit dem DroneDefender des US-amerikanischen Battelle-Instituts. Das fünf Kilogramm schwere Gerät sieht aus wie ein Maschinengewehr mit Antennenaufsatz. Es sendet gezielt Radiowellen in Richtung der Drohne aus und überlagert deren Steuersignale. Die meisten Drohnen sind so programmiert, dass sie in diesem Fall an Ort und Stelle landen oder zu ihrem Ausgangspunkt zurückfliegen. Die Reichweite des Defenders ist allerdings auf etwa 400 Meter begrenzt. Zudem versagt das Verfahren bei autonomen Drohnen.

Wo es keine Steuersignale gibt, können sie auch nicht gestört werden. In diesem Fall hilft nur sogenanntes GPS-Jamming. Dabei werden die Satellitensignale gestört. Die Drohne weiß nicht mehr, wo sie ist – und kann deshalb auch ihr Ziel nicht mehr finden. Schlaue Störsender können die Signale sogar so gezielt manipulieren, dass sich die Drohne damit steuern lässt. "So können wir Drohnen vom Weg abbringen – und zwar dahin, wo wir sie haben wollen", sagt Jaeger von ESG. Das Unternehmen will GPS-Jamming in seine Abwehrsysteme einbauen, in ersten Tests soll sich das Verfahren bereits bewährt haben.

Eine andere Möglichkeit, Drohnen gefahrlos vom Himmel zu holen, wird ebenfalls gerade erprobt: Forscher der Michigan Technological University haben eine Abfangdrohne namens Drone Catcher entwickelt, die feindliche Drohnen aus mehreren Metern Abstand mit einem Netz beschießt. Da die Maschen den Propeller blockieren, kann der Fänger seine Beute dann im Schlepptau mit sich führen. Die Polizei von Tokio verfügt seit Kurzem über eine spezielle Anti-Drohnen-Einheit, die mit einer ähnlichen Abfangdrohne auf Jagd gehen will. Das Gerät wirft sein Netz von oben auf die Beute ab. Den Tokio-Marathon im Februar hat die Einheit bereits überwacht.

Auch vom Boden aus lassen sich Abfangnetze einsetzen. Das britische Start-up OpenWorks Engineering hat gerade eine Kanone namens SkyWall 100 vorgestellt. Sie sieht aus wie ein tragbarer Raketenwerfer, der mit zwei kleinen Kameras ausgestattet ist. Sie erfassen die Drohne und ermitteln ihre Entfernung. Drückt der Schütze den Abzug, schießt ein Projektil mittels Druckluft aus dem Lauf. Kurz vor dem Ziel entfaltet es ein Netz, das die Drohne umwickelt und zum Absturz bringt. Ein Fallschirm federt die Landung ab. So lässt sich die Drohne nicht nur aus dem Verkehr ziehen, sondern auch untersuchen. (bsc)