Kriminalistik: Fingerabdruck-Datierung auf den Tag genau

Kriminalisten wollen wissen, wie alt Spuren sind. Eine neue Technik hilft.

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Fingerabdruck-Datierung auf den Tag genau

Young-Jin Lee und Paige Hinners können das Alter von Fingerabdrücken bestimmen.

(Bild: Christopher Gannon/Iowa State University)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Jeder hat individuelle Fingerabdrücke, das macht sie zu einem wichtigen kriminalistischen Werkzeug. Sobald aber Verbrechen an Orten geschehen, an denen sich ein Verdächtiger ohnehin rechtmäßig aufhält – wie etwa dem Arbeitsplatz –, sinkt die Aussagekraft der individuellen Fingerkuppen-Muster. In solchen Fällen wäre nicht entscheidend, dass sie da sind, sondern wann sie hinterlassen wurden und wie nah dieser Zeitpunkt an dem der Tat liegt. Eine neue Methode aus dem Labor des Chemikers Young-Jin Lee an der Iowa State University könnte wenige Tage alte Fingerabdrücke tatsächlich auf einen Tag genau datieren.

Bisher ließ sich das Alter von Fingerabdrücken nur grob auf älter oder jünger als eine Woche eingrenzen, indem die von der Haut hinterlassenen Substanzen untersucht wurden: Fett, Talg und Schweiß. Durch Umwelteinflüsse nimmt ihre Menge mit der Zeit ab – der Fingerabdruck schwindet. Für die Altersbestimmung verdampfen Forensiker den Fingerabdruck in einem Gaschromatografen und ermitteln dann die auf der Oberfläche übrig gebliebene Masse der einzelnen Komponenten in einem Massenspektrometer. Doch das Verfahren erlaubt nur eine Schätzung, wenn die Ausgangsmasse bekannt ist. "Deshalb haben wir überlegt, den Abbau nicht absolut, sondern relativ zu quantifizieren", erklärt Lee.

"Frühere Forschungen legten nahe, dass sich die Erhebungen des Abdrucks mit der Zeit verbreitern", sagt Paige Hinners, die als Doktorandin federführend im Projekt war. Doch eine chemische Veränderung erwies sich als noch genauer: In der Fettmischung der Fingerabdrücke nimmt das Verhältnis von gesättigten zu ungesättigten Fettsäuren mit jedem Tag zu. Je älter der Fingerabdruck, desto größer der Anteil an gesättigten Fettsäuren.

Die ungesättigten Fettsäuren altern durch den Kontakt mit dem Ozon aus der Luft. Wenn sich das aus drei Sauerstoffatomen bestehende Ozon aufspaltet, entstehen sehr reaktive Sauerstoffatome, die die ungesättigten Fettsäuren in gesättigte Sauerstoffverbindungen umwandeln.

Hinners untersuchte den Effekt dieses auch Ozonolyse genannten Oxidationsprozesses in einer kleinen Konzeptstudie mit drei Probanden. Sie ließ jeden mehrere Glasplatten berühren und maß sofort nach der Berührung sowie an jedem Folgetag die verschiedenen Fettsäuren und die Reaktionsprodukte. In Wiederholungsexperimenten erwies sich die Alterungsrate für jeden Probanden als konstant. Die Ergebnisse veröffentlichte sie im Fachjournal "Analytical Chemistry" (DOI: 10.1021/acs.analchem.9b04765).

Allerdings scheinen unterschiedliche Hauttypen verschiedene Alterungsgeschwindigkeiten zu besitzen. Die Abdrücke eines Freiwilligen etwa waren weitaus fettiger und enthielten damit weit mehr ungesättigte Fettsäuren. Als Folge dauerte es doppelt so lange, bis seine Proben dieselben Werte erreichten wie die anderen Teilnehmerabdrücke. "Für eine präzise Zeitbestimmung müsste also bei allen Verdächtigen zuerst getestet werden, wie schnell ihre Fingerabdrücke altern", sagt Lee.

Der Forscher hat bereits Fördergelder für umfangreichere Studien mit 100 Probanden eingeworben. Er will unter anderem weitere mögliche Einflussfaktoren auf die Alterung der Fingerabdrücke untersuchen, darunter die Temperatur, Feuchtigkeit und Ausgangs-Ozongehalt der Luft. Mehr Ozon etwa sorge für eine schnellere Alterung, so Lee. Beziehe man alle Faktoren mit ein, ließe sich die Datierung auf zwölf Stunden genau präzisieren. Das sei sogar bei asservierten Fingerabdrücken möglich, die vor Wochen oder Monaten gesammelt wurden, solange sie luftdicht aufbewahrt werden.

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(bsc)