Fusionsforschung: Zittern beim ITER

Der von internationalen Forschern entwickelte Fusionsreaktor wird mal wieder teurer und verzögert sich. Bei Start-ups, die auf die neue Energieform setzen, läuft es dagegen besser.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Richard Martin

Der International Thermonuclear Experimental Reactor, kurz ITER, ist in einer kritischen Phase. Ende April gab ein Expertenpanel den neuesten Stand in Sachen Budget- und Zeitplanung bekannt. Das Projekt, das im Jahr 2006 von sechs Ländern – USA, China, Indien, Japan, Russland und Südkorea – zusammen mit der Europäischen Union gestartet wurde, um einen funktionierenden Fusionsreaktor zu bauen, hatte schon zuvor mit schweren Verzögerungen und explodierenden Kosten zu kämpfen.

Nun teilte der französische Atomphysiker und Projektdirektor Bernard Bigot mit, dass das System nicht vor 2025 angeschaltet werden soll – und die erste Fusionsreaktion erst zehn Jahre später erreicht werde. Das wären ein Dutzend Jahre später als nach der ursprünglichen Planung. Das Expertenpanel hält diesen Zeitplan zwar für plausibel. Doch es glaubt gleichzeitig nicht, dass das letzte Budget, das Zusatzmittel in Höhe von 4,6 Milliarden Euro verlangt, um Finanzierungslücken zu decken, tatsächlich verfügbar gemacht wird.

Die Probleme beim ITER passen so gar nicht ins allgemeine Bild vom Sektor der Fusionsforschung – zumindest, wenn man sich die Privatwirtschaft anschaut: Dort sammelten junge Firmen wie General Fusion oder Tri Alpha Energy Risikokapital zu hervorragenden Konditionen ein und machen nach eigenen Angaben Fortschritte beim Bau von Prototypen.

Tri Alpha aus Südkalifornien nahm fast eine halbe Milliarde US-Dollar von Investoren auf – darunter einige prominente Namen wie die Investmentbank Goldman Sachs sowie Vulcan Ventures, die Venture-Capital-Firma von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen. Das Start-up teilte bereits im vergangenen August mit, es sei ihm unter Versuchsbedingungen gelungen, eine Wolke ionisierten Plasmas "einzusperren", in der Fusionsreaktionen stattfinden können.

Bei General Fusion konnte man bereits mehrere Millionen Dollar von privaten Investoren einsammeln und erhielt im April nochmals 12,75 Millionen Dollar von der kanadischen Regierung obendrauf.

Die nächsten Monate dürften entscheidend für das weitere Schicksal des ITER werden. Das US-Energieministerium untersucht den Status und der US-Senat hat bereits mehrfach versucht, dem Projekt den Etat zu streichen – letztlich aber nicht erfolgreich, die Gesetzesvorhaben wurden im Repräsentantenhaus gestoppt. Im Juni soll dann der vom ITER-Projekt selbst eingesetzte Verwaltungsausschuss darüber bestimmen, wie das ambitionierte Vorhaben weitergeführt werden soll. (bsc)