Geht die Saat auf?

Bayer kündigte seine Fusion mit Monsanto an. Gemeinsam könne man besser daran arbeiten, alle Menschen satt zu bekommen. Werden die beiden ihr Versprechen halten?

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  • Katja Scherer

Selten liegen Fremd- und Selbstwahrnehmung so weit auseinander wie beim US-Konzern Monsanto. Der Saatgut-produzent sieht sich selbst gern als Stütze der globalen Ernährungssicherheit. Bei Umweltschützern auf der ganzen Welt dagegen ist das Unternehmen verhasst. Ob Gentechnik oder Glyphosat: Monsanto steht für alles, was in ihren Augen böse ist. Wie die Sigwatch-Liste der am stärksten von Nichtregierungsorganisationen kritisierten Unternehmen zeigt, ist nur der Ölförderer Shell noch unbeliebter.

Entsprechend groß war die Empörung, als der Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern Bayer im September bekannt gab, dass er Monsanto übernehmen werde. Aus PR-Sicht ein völliges Desaster. Wäre da nicht dieses eine Gegenargument: "Gemeinsam können wir noch mehr dazu beitragen, dass im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen satt werden", sagte Bayer-Chef Werner Baumann kurz nach der Ankündigung der Fusion. Aber stimmt das? Ist die Symbiose aus Saatgut und Chemie wirklich ein Gewinn in Sachen Ernährungssicherheit – und nicht etwa eine weitere Bedrohung für eine vielfältigere und ressourcenschonendere Landwirtschaft?

Natürlich hat Baumann die Fusion nicht aus Altruismus beschlossen. Einerseits stecken große Agrarmärkte wie Brasilien in einer Rezession; die Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln und Saatgut dort ist stark zurückgegangen. Hinzu kommen strategische Überlegungen, denn die Kosten für die Entwicklung neuer Produkte sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Die Fusionswelle in der Agrochemie kam für Branchenkenner daher wenig überraschend. Schon im Jahr 2015 wurde quasi wöchentlich darüber spekuliert, wer mit wem zusammenkommen könnte. Fakten schafften dann zuerst die amerikanischen Chemiekonzerne Dow Chemical und DuPont, die Mitte Dezember ihren Zusammenschluss bekannt gaben. Im Frühjahr 2016 dann griff ChemChina nach dem Schweizer Chemieriesen Syngenta. Im September folgten die Leverkusener. Aus sechs Großkonzernen werden drei.

Dass Bayer-Chef Baumann den Zusammenschluss damit begründet, den Hunger auf der Welt stillen zu wollen, ist für die Gegner einer großindustriellen Landwirtschaft fast zynisch. Sie befürchten, dass die neuen Superkonzerne zu hohe Preise für ihr Saatgut verlangen und dass Kleinbauern mangels Konkurrenzangeboten von ihnen abhängig werden. Insbesondere der Bayer-Monsanto-Deal steht in der Kritik. "Die Übernahme von Monsanto würde den Wettbewerb, die Wahlfreiheit und die genetische Vielfalt unzulässig beschneiden", warnt etwa Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Auch entwicklungspolitische Organisationen wie Misereor und Brot für die Welt fordern einen Stopp der Pläne.

Vor 20 Jahren teilten sich die zehn führenden Saatgut-hersteller 37 Prozent des Weltmarktes. Inzwischen sind es laut der NGO Inkota rund 70 Prozent. Michael Schmitz, Professor für Agrar- und Entwicklungspolitik an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hält die Sorgen der Fusionsgegner dennoch für unbegründet. "Gerade die Zulassung ist in den vergangenen Jahren deutlich komplizierter und teurer geworden", sagt er. Oft zögen sich die Verfahren über Jahre hin. Entwicklung und Zulassung eines Pflanzenschutzmittels dauere rund elf Jahre und koste etwa 250 Millionen Euro an Investitionen. "Das können nur die wirklich großen Konzerne stemmen", so Schmitz.

Zudem haben die Agrarriesen alle ihre eigenen Stärken und Schwächen. Die Geschäftsbereiche von Bayer und Monsanto beispielsweise überschneiden sich bisher kaum. Bayer ist vor allem in Europa und Asien vertreten und stark im Pflanzenschutz. Monsanto dagegen ist führend beim Verkauf von Saatgut, insbesondere in Amerika. Wettbewerbsrechtliche Probleme gäbe es nach einer Fusion insbesondere in Teilbereichen wie beim Baumwoll-Saatgut. Kartellbehörden müssen diese kritischen Märkte ausfindig machen und notfalls den Verkauf bestimmter Geschäftsfelder einfordern.

Im weltweiten Maßstab ist zu wenig Wettbewerb vorerst offenbar nicht zu befürchten. Kann die Fusion also tatsächlich die Ernährungssituation der Welt verbessern? "In vielen Entwicklungsländern gehen noch immer regelmäßig 50 Prozent der Ernten durch Schädlinge und Krankheiten verloren. Wenn man es schafft, diesen Anteil zu reduzieren, wäre das ein großer Schritt, um die Versorgung zu sichern", sagt Schmitz. Potenzial dazu stecke etwa in der Gentechnik. Derzeit arbeiten Agrarkonzerne unter anderem an der Entwicklung von dürretolerantem Mais, der vor allem in Afrika zur Hungerbekämpfung beitragen könnte.

Ein Problem könnte allerdings bestehen bleiben: Die Innovationen der Agrarriesen werden vor allem Großkunden aus Ländern wie den USA, Argentinien oder Brasilien zugute kommen, weniger den Kleinbauern in ärmeren Entwicklungsländern. Denn die haben oft wenig Geld und bauen exotische Arten wie Maniok in so geringem Umfang an, dass sich intensive Forschungsanstrengungen dafür nicht lohnen. Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Göttingen: "Natürlich ist es für die Ernährungssicherheit auch wichtig, die Produktivität in den Industriestaaten zu erhöhen und umweltfreundlicher zu produzieren. Gerade in armen Ländern müssen aber zunächst die Kleinbauern gestärkt werden."

Zumindest indirekt kann Forschung für Großfarmen allerdings auch Kleinbauern in Entwicklungsländern zugute kommen: Dann nämlich, wenn sie wichtige Forschungserkenntnisse liefert, die später der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Ein Beispiel dafür sind neue Baumwollsorten, die mithilfe von Gentechnik resistent gegen Schadinsekten gemacht wurden. Die Technologie dafür wurde ursprünglich von Monsanto für den amerikanischen Markt entwickelt, später aber in Kooperation mit Unternehmen vor Ort angepasst. In Indien konnte so der Baumwollkapselbohrer besiegt werden, ein Schädling, der die Früchte der Baumwollpflanzen von innen auffrisst. Seitdem sind die Einkommen der Kleinbauern vor Ort deutlich gestiegen, wie Untersuchungen der Universität Göttingen zeigen.

Damit ein solcher Wissenstransfer möglich ist, müsse jedoch sichergestellt sein, dass das Wissen innerhalb der Forschungsgemeinde allen zugänglich bleibe, sagt Agrarökonom Qaim. So müsse bei der Patentvergabe darauf geachtet werden, dass Agrarmultis bei grundlegend neuen Technologien keine Exklusivlizenzen an einzelne Nutzer verkaufen dürfen.

Letztendlich gilt: Die gemeinsamen Forschungsanstrengungen von Bayer und Monsanto können der Welt durchaus zugute kommen. Allerdings sollte sich die Weltgemeinschaft nicht auf schöne Worte verlassen. Stattdessen müssen die Kartellbehörden darauf achten, dass der Wettbewerb in jedem lokalen Markt erhalten bleibt. Und die Patentbehörden müs-sen dafür sorgen, dass Innovationen nicht nur der Großindustrie, sondern auch Kleinbauern nutzen. Wenn das gelingt, könnte Bayer aus dem PR-Desaster noch eine Erfolgsgeschichte machen. (bsc)