Gene Drives: Streit unter Umweltschützern

Eine Technologie zur Verbreitung von Genen, mit der sich schädliche Tierarten ausrotten lassen könnten, sorgt für Uneinigkeit. Manche Umweltgruppen wollen damit gefährdete Tiere retten, andere halten sie für zu gefährlich.

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Von
  • Antonio Regalado

Die Bill and Melinda Gates Foundation will die Summe verdoppeln, die sie für die Entwicklung einer auf der Gen-Editiertechnik CRISPR basierenden Methode zum Töten von Mücken ausgibt.

Die als „Gene Drive“ bezeichnete Technologie macht es möglich, bestimmte Eigenschaften in den natürlichen Populationen von Tieren zu verbreiten. Derartige Eingriffe in die Natur rufen allerdings Proteste von Umweltschutzorganisationen hervor – aber nicht von allen.

Das von der Gates-Stiftung finanzierte Projekt Target Malaria wird federführend vom Imperial College in London betrieben und soll die DNA von Malariamücken so verändern, dass sie steril werden. Wenn sie in der freien Wildbahn ausgesetzt werden, ließe sich diese Gattung damit zum Aussterben bringen.

Laut ihrem Sprecher Bryan Callahan will die Stiftung Taget Malaria zusätzliche 35 Millionen Dollar zur Verfügung stellen, so dass das Projekt mit insgesamt 75 Millionen Dollar finanziert wäre. Das ist die höchste Summe, die jemals für Gene-Drive-Technologie investiert wurde.

Forschern am Imperial College und anderen Einrichtungen ist es im vergangenen Jahr erstmals gelungen, im Labor Gene für einen Drive in Mücken zu etablieren. Dies löste eine weltweite Diskussion darüber aus, ob die Technologie sicher genug für einen Einsatz in der Natur ist.

Das zusätzliche Geld soll Target Malaria dabei helfen, „die potenzielle Entwicklung von anderen Konstrukten zu erkunden und die nächsten Schritte für Biosicherheit, Bioethik, Austausch mit lokalen Bevölkerungen und behördliche Auflagen zu planen“, erklärt Callahan. „Im Wesentlichen geht es um eine Menge Vorbereitungsarbeit.“ Die Gates-Stiftung versteht die Technologie als „Fernprojekt“ – sie muss nicht unbedingt funktionieren, aber wenn sie das tut, könnte sie Malaria besiegen.

Bislang gab die Stiftung an, sie wolle einen Gene Drive bis 2029 für den Praxiseinsatz irgendwo in Afrika genehmigt haben. In diesem Sommer aber äußerte sich Bill Gates, der Gründer von Microsoft, optimistischer: Die Technologie könne schon in zwei Jahren bereit sein.

Bei einem Gene Drive werden genetische Instruktionen über die Paarung von Tieren verbreitet. Wenn er zum Beispiel dazu führt, dass nur noch männliche Tiere geboren werden, würde eine Population schnell einbrechen, weil ihr die Weibchen ausgehen. Alternativ könnte es möglich sein, Mücken so zu modifizieren, dass sie keine Malaria mehr übertragen können. Die Krankheit ist eine bedeutende Todesursache für Kinder in Subsahara-Afrika.

Die Stiftung mit Sitz in Seattle führt hinter den Kulissen eine Auseinandersetzung mit Forschern wie Professor Kevin Esvelt vom MIT Media Lab. In seinen Augen sollte Gene-Drive-Forschung transparenter und offener für eine Beteiligung der Öffentlichkeit sein, und er warnt vor der Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung, falls manipulierte Mücken versehentlich freigesetzt werden.

Laut einem Bericht der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine von diesem Jahr sind Gene Drives noch nicht für eine Freisetzung in die Natur bereit. Außerdem nannte er Maßnahmen, die für sichere Tests ergriffen werden sollten. Die Gates-Stiftung gibt an, diese zu befolgen.

Auf dem Weltkongress der International Union of Conservation of Nature Anfang September in Hawaii gab die Organisation Island Conservation bekannt, dass sie ein ähnliches Projekt begonnen hat: Sie will Mäuse genetisch so manipulieren, dass sie nur noch männliche Nachkommen haben können.

Die Organisation ist der Meinung, dass sich mit Gene Drives invasive Nagetiere, die Vögel und Echsen als Beute fressen, von Inseln und Inselgruppen entfernen lassen. Andere Forscher wollen Mücken auf Hawaii ausrotten, um die letzten dort zu findenden einheimischen Vogelarten zu retten, die ansonsten durch die Vogelgrippe-Form von Malaria aussterben könnten.

Andere Umweltgruppen verbreiteten bei dem Kongress auf Hawaii jedoch ein Petition, die ein Moratorium für dieses Konzept verlangt. Ihre Sorge ist, dass Gene Drives als Werkzeuge zur Arterhaltung das Feld für den kommerziellen Einsatz der Technologie bereiten könnten, zum Beispiel zur Bekämpfung von Agrarschädlingen. „Genetische Auslöschungstechnologien sind eine falsche und gefährliche Lösung für das Problem des Verlusts an Biodiversität“, sagte Erich Pica, Präsident von Friends of the Earth, laut einer von Gentechnik-Gegner unterzeichneten Stellungnahme. Die Technologie sei rücksichtslos.

Der Streit über Gene Drives könnte ebenso intensiv werden wie der über gentechnisch veränderte Organismen allgemein. Denn auch sie würden künstliche Eingriffe in unsere gemeinsame Umwelt bedeuten.

(sma)