Google Pixel 2 und Pixel 2 XL im Test

Googles neue Pixel-Smartphones sind High-End-Geräte mit Oberklasse-Hardware, Spitzenkamera, unverbasteltem Android und offline-Musikerkennung. Auch der Preis liegt am oberen Rand für Android-Smartphones. Wir haben getestet, ob die Rechnung aufgeht.

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Google Pixel 2 und Pixel 2 XL im Test
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Von
  • Stefan Porteck
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Auch mit den beiden neuen Pixel-Smartphones will Google wieder im High-End-Segment mitmischen. Das Design orientiert sich an dem der Vorgänger – zumindest auf der Rückseite: Google verziert das obere Viertel wie gehabt mit poliertem Glas. Der Fingerabdrucksensor liegt nun aber darunter. Das Pixel 2 gibt es wie den Vorgänger in zwei Größen: in 5 Zoll und als "XL"-Variante in 6 Zoll. Die kleine Version wird von HTC gefertigt, die größere von LG. Google betont, dass es außer Displaygröße, Seitenverhältnis und Akkukapazität keine Unterschiede gibt. So ganz stimmt das aber nicht, wenn man auf die Details schaut.

Das Display-Seitenverhältnis des Pixel 2 liegt bei 16:9 (1920 × 1080), das des Pixel 2 XL bei 18:9 (2880 × 1440). Beim kleinen Modell fällt der schwarze Rahmen ums Display insbesondere oben und unten deutlich breiter aus als beim XL. Optisch macht das kleine Pixel 2 deshalb weniger her als andere aktuelle Telefone der Oberklasse. Mit seinem metallenen Antennenring ums Gehäuse erinnert es eher an das alte Nexus 4.

Unabhängig von der Rahmenbreite reagieren die 2er-Pixels an den Seiten auf Druck, um den Google Assistant aus jeder App heraus zu starten. Damit der Assistent sich nicht beim Halten oder in der Tasche versehentlich aktiviert, lässt sich die gewünschte Druckstärke im Einstellungsmenü anpassen.

Beide Modelle haben ein OLED-Display, deren selbstleuchtende Pixel für einen perfekten Schwarzwert und damit für einen hohen Kontrast von mehr als 100.000:1 sorgen. Beide Displays haben zudem eine satte Farbdarstellung. Google verspricht, dass das Pixel 2 XL den DCI-P3-Fabraum komplett und das Pixel 2 ihn zu 95 Prozent abdeckt. Das deckt sich mit unseren Messungen. Der kleine Unterschied zeigt sich vor allem bei der Anzeige besonders satter Grüntöne: Sie gelingt dem XL-Modell – im direkten Vergleich – eine Spur kräftiger.

Google Pixel 2 und Pixel 2 XL (3 Bilder)

Das größere Pixel 2 XL (6 Zoll, links) hat deutlich dünnere Displayrahmen als das 5-Zoll-Modell (rechts).

Neu ist ein "Always-On"-Modus, in denen die Displays permanent Uhrzeit und Benachrichtigungen anzeigen. Die Daueranzeige gibt es bei anderen Smartphones schon länger, Einbrenner haben wir dort bislang nicht beobachtet. In unseren Tests hatte die Funktion auch keine nennenswerte Auswirkung auf die Laufzeit, doch wer mag, kann die Daueranzeige trotzdem deaktivieren. Auf eine visuelle Anzeige neuer Nachrichten muss man dann nicht verzichten: Obgleich im Datenblatt nirgendwo erwähnt, haben die Pixel-2-Smartphones eine Benachrichtigungs-LED neben dem oberen Lautsprecher.

Pixel 2 und Pixel 2 XL sind mit 64 und 128 GByte Flash-Speicher erhältlich. Die vergangenes Jahr schon nicht mehr zeitgemäße Variante mit 32 GByte entfällt. Angetrieben werden die Geräte von einem Qualcomm Snapdragon 835 (8 Kerne, 2,35 + 1,9 GHz) und 4 GByte RAM. In unseren Benchmarks erreichen sie damit Spitzenergebnisse auf dem Niveau anderer High-End-Smartphones mit Snapdragon 835. Beim Pixel 2 kommt zudem erstmals flotter DDR4x-Speicher zum Einsatz, der dank niedrigerer Spannung auch weniger am Akku saugen soll.

Die Kombination aus Qualcomm-SOC, Speicher und verbesserter Tiefschlaf-Modi von Android 8 sorgen bei beiden Pixel 2 für eine beachtliche Laufzeit: Bei der Videowiedergabe in unserem Testlabor mit einer Displayhelligkeit von 200 cd/m2 erreichte das kleine Gerät 14,5 Stunden, das XL schaffte knapp 16 Stunden. Damit rutschen sie locker in die Top-5 aktueller Smartphones.

Den langen Atem konnten wir auch im Praxis-Test bemerken: Während das erste Pixel nach dem Ladegerät rief, vermeldete das gleich große 2er-Modell, dass der Saft noch für einige Stunden reicht. Dank Schnellladetechnik über USB-C sollen die Geräte nach 15 Minuten am Stromnetz bis zu 7 Stunden lang durchhalten. Auch das bestätigten unsere Tests. Eine vollständige Ladung nahm etwas mehr als eine Stunde in Anspruch.

Den Wegfall der Kopfhörerbuchse dürften viele Nutzer bedauern. Immerhin legt Google einen USB-C-Adapter in den Karton. Die Telefone sind nun nach Schutzart IP67 wasser- und staubgeschützt. Dadurch vertragen sie wie aktuelle iPhones eine kurze Dusche, aber kein vollständiges Untertauchen wie Samsung es beim S7, S8 und Note 8 mit der besseren IP68-Klassifizierung ermöglicht.

Auch bei der zweiten Generation hat Google sehr offensiv die Werbetrommel für die Kamera gerührt – sie soll erneut die beste Smartphone-Kamera aller Zeiten sein. Zwar steckt offenbar der gleiche Sony-Sensor im Pixel 2 wie in vielen Konkurrenzgeräten, die Kombination aus Objektiv und Kamera-App sorgt jedoch für besonders gelungene Fotos und Videos.

Das Objektiv ist lichtstärker als beim Vorgänger (f/1,8 statt f/2,0). Wie bei Apple und Samsung schon länger üblich, beherrscht der 12,2-Megapixel-Sensor nun Dual-Phase-Detection für schnelle Fokussierung. Außerdem sind eine optische (OIS) und eine elektronische Bildstabilisierung (EIS) an Bord. In unseren Tests schossen die Kameras brillante Bilder mit satten Farben und hohem Kontrast. Im Vergleich zum Pixel der ersten Generation kam die Kamera zudem etwas besser mit schwachen Restlicht und direktem Gegenlicht klar: Es zeigte sich weniger Bildrauschen oder überbelichtete Bereiche.

Pixel 2: Porträt-Modus ausprobiert (4 Bilder)

Der Porträt-Modus im Pixel 2 ist eine reine Software-Funktion. Hat man ein Foto geknipst...

Eine Besonderheit ist der Portraitmodus der Kamera-App, die Google derzeit exklusiv auf den Pixel-Smartphones installiert. Er funktioniert sowohl mit der hinteren als auch mit der vorderen (Selfie-)Kamera. Anders als die Konkurrenz arbeitet er mit nur einem Objektiv; stattdessen sorgen Googles Algorithmen dafür, dass Objekte im Vordergrund scharf dargestellt werden und der Hintergrund unscharf wirkt. Der künstlichen Bokeh-Funktion liegen laut Google Machine Learning und eine Datenbank mit über einer Million Fotos zugrunde. In unseren Tests gefielen uns die Ergebnisse sehr gut – auch wenn bei feinen Strukturen wie Haaren mitunter leichte Bildfehler auftraten.

Google reichert das Android-System erneut mit Funktionen an, die anderen Android-Geräten – zumindest vorerst – vorenthalten bleiben. So analysiert die Funktion "Google Lens" aufgenommene Fotos auf Knopfdruck. Danach wird bei Sehenswürdigkeiten beispielsweise der Name oder der Inhalt des fotografierten Objekts angezeigt und mit Daten aus Googles Knowledge-Graph-Informationsdatenbank angereichert. Fotografierten wir Speise- oder Visitenkarten, erkannte Lens nicht nur den Text, sondern auch die Art der Information: Ein Tipp auf die Telefonnummer aktivierte die Telefonie-App, ein Tipp auf die Adresse Google Maps und einer auf die Mail-Adresse startet Gmail.

Den nur auf Pixel-Smartphones verfügbaren Pixel-Launcher hat Google optisch überarbeitet – aber wahrscheinlich nicht zur Freude der meisten Nutzer. Das weniger aufdringliche Suchfeld oben links auf dem Homescreen ist verschwunden, stattdessen findet sich nun eine Suchleiste in voller Breite im Dock und damit platzfressend auf allen Screens.

Android 8 auf dem Pixel 2 (6 Bilder)

Der Pixel Launcher hat wieder eine permanente Suchleiste, die nun im Dock steckt.

Neu und exklusiv ist die "Now-Playing"-Funktion, mit der die Telefone gerade in der Umgebung gespielte Lieder identifiziert. Sobald Musik läuft, werden Titel und Interpret auf dem Sperrbildschirm beziehungsweise in der Benachrichtigungsleiste angezeigt – und das komplett automatisch und ohne Internetverbindung.

Die dafür nötige Musik-Datenbank ist lokal auf den Smartphones gespeichert, sie schicken also anders als Shazam & Co. keine Soundschnipsel oder längere Aufnahmen an Google-Server. Die Datenbank wird laut Google wöchentlich aktualisiert und beinhaltet "zehntausende" Titel. Das klingt eigentlich nach nicht vielen Songs, doch in unseren Tests wurden auch weniger bekannte Stücke nach wenigen Sekunden automatisch erkannt. Wer das mitlauschende Mikrofon trotzdem fürchtet, stellt die Erkennung im Einstellungsmenü ab.

Für die Pixel-Smartphones muss man tief in die Tasche greifen: Sie fangen bei 799 Euro an (64 GByte) und springen beim XL mit 128 GByte sogar die über 1000-Euro-Hürde. Das hat bislang kaum ein Android-Hersteller gewagt. Dafür bietet die Software einige Funktionen, die andere Android-Handys erst später bekommen werden – wenn überhaupt. Wer immer die neueste Android-Version haben will, kommt deshalb an einem Pixel-Smartphone nur schwer vorbei. Hier hat Google auch nachgelegt: Die Pixel 2 will das Unternehmen drei Jahre lang mit Updates versorgen. Bislang gab es neue Funktionen nur für zwei Jahre und dann ein weiteres Jahr lang Sicherheits-Patches.

Ob die sehr gute Kamera und die Android-Dreingaben die Kunden in Scharen zu Google treiben, ist dennoch fraglich. Denn die Pixel-Phones haben zwar eine sehr gute Hardware, doch im Vergleich zur Konkurrenz fehlt es hier und da an Kleinigkeiten wie Wasserabdichtung oder Randlosdisplay. Sollten die Preise nicht auf das günstigere Niveau vergleichbarer High-End-Smartphones fallen, dürften es die Pixel 2 trotz sehr guter Hard- und Software schwer haben.

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(spo)