Große Firewall schluckt Technikbegriffe

Chinas Zensoren setzen mittlerweile auch harmlos wirkende Worte auf ihre Blacklists, haben Forscher herausgefunden. Dabei geht es zumeist um Echtzeitzensur.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Aviva Hope Rutkin

Chinas Zensoren setzen mittlerweile auch harmlos wirkende Worte auf ihre Blacklists, haben Forscher herausgefunden. Dabei geht es zumeist um Echtzeitzensur.

Dass Peking die digitalen Aktivitäten seiner Bürger überwacht, ist allgemein bekannt. Doch es gibt noch viele offene Fragen, welche Inhalte von den Zensoren genau blockiert werden und wie diese schwarzen Listen sich in Relation zu aktuellen Ereignissen verändern.

Eine neue Studie, die im Internet-Journal First Monday erschienen ist, zeigt nun mehr als 4000 eindeutige Begriffe, die in den letzten anderthalb Jahren auf populären chinesischen Instant-Messaging- und Chat-Plattformen blockiert wurden. Das Forscherteam um Jedidiah R. Crandall, Juniorprofessor am Institut für Informatik der University of New Mexico, konzentrierte sich dabei auf die chinesische Ausgabe von Skype sowie den Microblogging-Dienst Sina Weibo. Ihre Wortliste wurde mit Hilfe verschiedener Reverse-Engineering-Techniken erfasst – darunter auch Packet-Sniffing, mit dem Datenpakete im Netzwerk abgefangen und analysiert werden.

Mehr als 20 Prozent der Worte, die innerhalb von Sina Weibo blockiert wurden, hatten auf die eine oder andere Art mit Technologie zu tun. Darunter waren spezifische URLs, zum Themenfeld, Materialien zu Spyware sowie diverse technische Begriffe. Einige davon, etwa "chinesischsprachige Wikipedia" oder "Google Blogger", verweisen auf populäre Websites, auf denen Informationen nicht vorzensiert werden. (Allerdings finden etwa bei der chinesischen Wikipedia Manipulationen durch Zensurbehörden schon seit vielen Jahren statt.)

Generische Begriffe wie "System", "Administrator" oder "Systemnachricht" tauchten ebenfalls regelmäßig auf der schwarzen Liste auf. Die Forscher gehen davon aus, dass diese Blacklist-Aufnahmen verwendet werden, um User daran zu hindern, sich als Sina-Weibo- oder Skype-Administrator auszugeben und darüber dann andere Nutzeraccounts zu übernehmen. Weitere Begriffe, die zumindest zeitweise zensiert wurden, waren noch viel "normaler": darunter "Internet", "Chat", "World Wide Web" oder gar "chinesische Person".

Das First-Monday-Paper zeigt auch, dass die Begriffslisten in Reaktion auf wichtige Ereignisse fluktuieren. Beispielsweise wurden laut Crandalls Gruppe Ende 2010, als der arabische Frühling begann und mancher in China zu ähnlichen Protesten aufrief, Dutzende damit in Zusammenhang stehende Schlüsselbegriffe auf die Blacklist gesetzt. 69 dieser Begriffe wurden dann im Mai 2011 für einige Wochen abrupt wieder entfernt. Möglicherweise diente dies Peking dazu, spekulieren die Forscher, um die Internet-Mobilisierung der Protestbewegung zu beobachten, um dann durchgreifen zu können. (bsc)