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Deiche am Ende? Neue Konzepte für den Hochwasserschutz müssen her

Pauline Schinkels, Jan Wittenbrink
In einer Marktstraße der indonesischen Hauptstadt Jakarta spielen Kinder im Wasser. Überflutungen, wie hier im November 2021, gehören für sie zum Alltag. Die Regierung plant bereits eine Umsiedlung der Hauptstadt., REUTERS/Willy Kurniawan

In einer Marktstraße der indonesischen Hauptstadt Jakarta spielen Kinder im Wasser. Überflutungen, wie hier im November 2021, gehören für sie zum Alltag. Die Regierung plant bereits eine Umsiedlung der Hauptstadt.

(Bild: REUTERS/Willy Kurniawan)

Die Wahrscheinlichkeit für Starkregen wächst, der Meeresspiegel steigt. Was bedeutet das für den Hochwasserschutz?

Vor Dauerregen bis zum 4. Januar warnt der Deutsche Wetterdienst. Besonders die Hochwassergebiete im Nordwesten Deutschlands sind bedroht. Erwartet werden in Niedersachsen und Bremen wieder steigende Pegelstände. In Oldenburg, wo die Bewohner eines Ortsteils evakuiert werden sollen, soll ein mobiler Deich die Stadt schützen. Doch welche Hochwasserschutz-Konzepte sind angesichts zunehmender Extrem-Wetterlagen bedingt durch den Klimawandel noch erforderlich?

Wiederveröffentlichung

Angesichts der aktuellen Hochwasser-Situation in Norddeutschland veröffentlichen wir den Text "Deiche am Ende? Neue Konzepte für den Hochwasserschutz müssen her" frei lesbar. Der Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel "Steigende Gefahr" in der Ausgabe 3/2023 von MIT Technology Review [1].

Er sei im Ahrtal, wieder einmal, sagt Holger Schüttrumpf am Telefon. Während des Gesprächs schaue er auf den zerstörten Flusslauf der Ahr. 2021 schossen gigantische Wassermassen durch das enge Tal in der Eifel. Sie fluteten Häuser bis ins oberste Stockwerk, rissen Autos und Wohnwagen mit sich. 134 Menschen starben hier. "Mit einer derartigen Katastrophe in einem deutschen Mittelgebirge hat niemand gerechnet", sagt Schüttrumpf.

Schwerpunkt: Wasser

Der Professor für Wasserwirtschaft der RWTH Aachen arbeitet im Verbundprojekt KAHR [9] an neuen Konzepten für den Hochwasserschutz im Ahrtal und begleitet den Wiederaufbau. Damit es nicht noch einmal so schlimm wird, wenn das Wasser kommt.

Mit dem Klimawandel nimmt die Häufigkeit von Überflutungen zu. Im Binnenland ist gerade im Sommer öfter mit Extremregen zu rechnen – unter anderem, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. An der Küste wiederum steigt der Meeresspiegel, weil die Polkappen schmelzen und sich wärmeres Wasser stärker ausdehnt.

Bisher ging es beim Hochwasserschutz meist darum, das Wasser auszusperren – durch Deiche, Schutzmauern oder Talsperren. Doch wie lange kann das angesichts der Erderwärmung gut gehen?

An der Nordseeküste kämpfen die Menschen seit Jahrhunderten gegen die Kraft des Meeres, im Laufe der Zeit wurden die Deiche immer höher. Noch sei der Schutz ausreichend, sagt Torsten Schlurmann, Professor für Wasserbau und Küsteningenieurwesen an der Uni Hannover. Doch irgendwann komme man an finanzielle und materielle Grenzen. So sei etwa Klei, der wichtigste Baustoff für Seedeiche, nicht unbegrenzt vorhanden. "Es ist auch eine gesellschaftliche Frage: Wie viel ist es uns wert, gefährdete Gebiete langfristig zu schützen?"

Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg haben bereits eine weitere Erhöhung aller Deiche beschlossen. Zunächst wollten sie nur um 50 Zentimeter aufstocken, 2022 setzten sie den Standard auf einen Meter. Die Deiche werden nicht nur erhöht, sondern auch verbreitert. Denn mit steigendem Meeresspiegel wächst auch die Belastung für den unteren Teil des Deiches. In Schleswig-Holstein entstand der erste "Klimadeich" 2013, nach und nach erhalten dort immer mehr Deichkilometer ein Upgrade.

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Im Unterlauf der Elbe, der sogenannten Tideelbe, treffen Fluss und Meer aufeinander. Zweimal täglich rollt die Flutwelle der Nordsee flussaufwärts. Wegen der Trichterwirkung des Flussbetts ist der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser im Hamburger Hafen sogar deutlich höher als auf dem offenen Meer.

Die dunkel markierten Küstenabschnitte liegen tiefer als zehn Meter über dem Meeresspiegel und sind besonders gefährdet. , CORRECTIV / searise.correctiv.org/de/explore

Die dunkel markierten Küstenabschnitte liegen tiefer als zehn Meter über dem Meeresspiegel und sind besonders gefährdet.

(Bild: CORRECTIV / searise.correctiv.org/de/explore)

Schon nach der Hamburger Flutkatastrophe von 1962, bei der über 300 Menschen starben, wurden die Deiche dort massiv erhöht. Für die kommenden Jahrzehnte sei die Stadt gut geschützt, sagt Peter Fröhle, Professor für Wasserbau an der TU Hamburg. Doch Fröhle blickt schon bis ins Jahr 2200. Im Projekt TideelbeKlima [11], das er leitet, simulieren Forscher Szenarien für Wasserstände an Nordsee und Elbe – und deren Wirkung auf Schutzbauwerke. Am Rechner lösen sie Sturmfluten aus, lassen Deiche virtuell brechen oder erhöhen sie.

Und sie experimentieren mit neuen Bauwerken: So wird seit Jahren über ein gewaltiges Sperrwerk im Mündungsbereich der Elbe diskutiert. Seit den neunziger Jahren schützt ein ähnliches Sperrwerk mit zwei jeweils über 200 Meter langen, schwenkbaren Toren den Großraum Rotterdam. "Die Elbe ist allerdings noch einmal deutlich breiter als die Hafeneinfahrt von Rotterdam", sagt Fröhle. Denkbar sei etwa, den Fluss durch zwei Dämme künstlich zu verengen und in der verbleibenden Öffnung in der Flussmitte ein Sperrwerk zu installieren.

Das Maeslant-Sperrwerk bei Rotterdam besteht aus drei Mal so viel Stahl wie der Eiffelturm. Seit Inbetriebnahme 1997 musste es bisher nur zu Testzwecken geschlossen werden. , Swart/Hollandse Hoogte/laif

Das Maeslant-Sperrwerk bei Rotterdam besteht aus drei Mal so viel Stahl wie der Eiffelturm. Seit Inbetriebnahme 1997 musste es bisher nur zu Testzwecken geschlossen werden.

(Bild: Swart/Hollandse Hoogte/laif)

Fröhle und sein Team sollen in ihrer vom Bundesumweltministerium geförderten Studie neben anderen technischen Lösungen auch die Machbarkeit eines Sperrwerks ausloten. Sie testen virtuell verschiedene Standorte, wägen mögliche Kosten und Nutzen ab. "Wir sehen die Schutzwirkungen, aber auch einen Rückstau auf der dem Meer zugewandten Seite." Der Rückstau der Elbe auf der Binnenseite sei hingegen – auch wegen der bereits jetzt hohen Schutzanlagen – wenig kritisch. Allerdings könne allein die Planung für so ein gigantisches Vorhaben mehrere Jahrzehnte dauern. Zudem warnen Umweltverbände vor ökologischen Folgen.

Küstenschutz und die Bewahrung von Ökosystemen müssen aber keine Gegensätze sein. Forscher Schlurmann fordert einen Paradigmenwechsel: Zwar seien massive Schutzbauwerke unverzichtbar – doch moderner Küstenschutz müsse zusätzlich die Natur für sich nutzen.

Etwa die Salzwiese: Dieses Biotop aus salzwasserresistenten Pflanzen liegt an der Nordsee zwischen Deich und Wattenmeer und wird bei höheren Fluten überspült. "Dass die Salzwiese die Energie der einlaufenden Wellen dämpft, ist bekannt", sagt Schlurmann, der im Rahmen des Projekts "Gute Küste Niedersachsen" [12] unter anderem im ostfriesischen Neßmersiel die Renaturierung einer Salzwiese untersucht. "Wir wissen aber noch nicht, wie hoch die Dämpfung genau ist und wie viele Kosten sich dadurch etwa beim Deichbau einsparen lassen." Um das in Zukunft quantifizieren und bei der Planung berücksichtigen zu können, untersuchen die Forscher etwa die Widerstandskraft der Pflanzen gegenüber Strömungen sowie die Verankerung ihrer Wurzeln im Boden.

Mit Salzwiesen im Vorland müssen Deiche weniger hoch sein, und sie halten länger. Eindeichungen haben in der Vergangenheit vielerorts Salzwiesen zerstört. "In Zukunft könnten wir gezielte Anpflanzungen vornehmen", sagt Schlurmann. Man teste auch neues Saatgut zur Bepflanzung des Deiches selbst: Eine vielfältigere Vegetation auf dem Deich könnte zum einen die Wellen stärker ausbremsen, zum anderen den Deich durch tieferes Wurzelwachstum stabilisieren und im Sommer weniger austrocknen lassen.

In den Niederlanden experimentieren Wissenschaftler des Meeresforschungsinstituts NIOZ mit Schlickgras. Diese in Europa einst eingeschleppte Salzwiesenpflanze gilt als besonders ausdauernd. Das Institut hat unter anderem einen transportablen Wellenkanal gebaut, der direkt an der Salzwiese verankert wird. So testen die Forscher, wie sich Wellen auf das Schlickgras auswirken – und unter welchen Bedingungen Sedimente abgetragen werden. Am unteren Rand der Salzwiese, der täglich überflutet wird, können nur wenige Pflanzen überleben. Um ihre Wurzeln zu stabilisieren, legen die Forscher ein wabenartiges Gerüst aus abbaubarer Kartoffelstärke aus – womöglich ein Modell für die Zukunft.

Auch im Ahrtal wollen Naturschützer zunächst die nach der Flutkatastrophe neu entstehenden Auenlandschaften erhalten, um dem Fluss wieder mehr Raum zu geben. Dort könnten sich dann auch wieder seltene Tierarten wie die Flussuferwolfspinne ansiedeln. Wichtiger Raum für den Fluss und damit für den Hochwasserschutz gehe jedoch bereits wieder verloren, sagt Schüttrumpf. Dabei braucht es Flächen wie Wälder, die das Wasser aufnehmen: "Der Forst wirkt wie ein Schwamm." Das allein reiche aber nicht. Entscheidend sei eine Kombination aus technischem und natürlichem Hochwasserschutz, etwa in Form leistungsfähiger Rückhaltebecken.

Da Hochwasserschutz nicht unbegrenzt finanziert werden kann, sind auch bessere Messdaten wichtig, um im Ernstfall rechtzeitig evakuieren zu können. Im Binnenland ist das umso komplizierter, je hügeliger das Gelände ist. In den Hängen des Ahrtals forscht man derzeit an einer ungewöhnlichen Messmethode. Michael Dietze von der Uni Göttingen und Rainer Bell von der Uni Bonn haben hier, rund einen halben Meter unter der Erde, Erdbebensensoren installiert. Damit können sie auch die Abflussmengen der Ahr messen. Je höher die Amplituden ihrer Aufzeichnungen ausschlagen, desto mehr Wasser fließt im Fluss. Bis zu eineinhalb Kilometer flussaufwärts konnten sie so zum Beispiel das Hochwasser von 2021 erkennen. Bei einer Fließgeschwindigkeit von rund einem Meter pro Sekunde ließe sich so immerhin eine knappe halbe Stunde vor dem Eintreffen einer Flutwelle warnen. Die Sensoren sind allerdings so sensibel, dass sie auch ein vorbeifahrendes Auto oder fallende Regentropfen registrieren. Diese Störsignale müssen erst herausgefiltert werden.

Dann können die Erdbebensensoren vor allem dort helfen, wo sich die Wasserstände nicht mit einem klassischen Wasserstandspegel messen lassen: in Engtälern, Wildbächen in den Alpen, entlegenen Tälern des Himalaya – oder eben im Mittelgebirge. Als der Höchststand im Ahrtal erreicht war, waren die Pegel dort längst von den Wassermassen weggerissen worden.

Mit den Sensoren lässt sich aber auch die Durchweichung von Deichen erkennen. So kann man die betreffenden Stellen verstärken, bevor sie brechen. Gleiches gilt für Hangrutschungen, erzählen die Forscher. Im Ahrtal sind noch immer, viele Monate nach dem Hochwasser, durch den Fluss erodierte Hangbereiche nicht zur Ruhe gekommen und stellen eine Gefahr dar.

An besseren Prognosen forscht auch Sven Tomforde, Professor für Intelligente Systeme an der Uni Kiel. Er verlässt sich ganz auf die Kraft von Daten und Künstlicher Intelligenz. "Die Vorhersage von Pegelständen ist für uns technologisch sehr spannend", sagt er. Diese würden schließlich unter hochgradiger Unsicherheit getroffen, müssten aber gleichzeitig sehr exakt sein. Und gerade bei Extremereignissen wie lokalem Starkregen würden klassische hydrologische Modelle oft versagen. Denn im Gegensatz zu einer KI sind diese statisch: Sie sind nicht in der Lage, aus realen Erfahrungen zu lernen.

Tomforde und sein Team arbeiten mit dem in Schleswig-Holstein für den Hochwasserschutz zuständigen Landesamt für Umwelt zusammen. "Wir schauen uns für bestimmte Pegelstellen an, welche Daten für die Vorhersage besonders aussagekräftig sind", sagt er. Dann nehme man eine Gewichtung vor – und entwickle ein System, das mit der Zeit immer bessere Prognosen treffen könne.

Es habe sich gezeigt: "Besonders relevant sind Prognosedaten zur lokalen Niederschlagswahrscheinlichkeit." Und auch das vergangene Wetter spielt eine Rolle: "Wenn der Boden nach mehreren Regentagen bereits gesättigt ist, steigt die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen."

In einer Machbarkeitsstudie hat Tomforde für drei Messstationen bereits nachgewiesen, genauere Prognosen als klassische Modelle treffen zu können. Schon heute setzt das Landesamt die Software an einigen Pegeln zusätzlich zu den eigenen Modellen ein. Erkennt die KI bestimmte Auffälligkeiten, schlägt sie Alarm – die Behörde kann dann zum Beispiel Tore schließen lassen oder Einsatzkräfte mit Sandsäcken losschicken.

"Unser Ziel ist es, ein übertragbares Modell zu schaffen", sagt Tomforde. Je nach lokaler Situation müsse das System mit verschiedenen zusätzlichen Daten gefüttert werden. So seien in Küstennähe Ebbe und Flut besonders relevant, in einem Gebirge wiederum Annahmen zum Zeitpunkt der Schneeschmelze. In Zukunft könnten KI-Systeme auch bei der Prognose von Sturmfluten helfen. Zwar könne der Zeitpunkt des Eintreffens einer Sturmflut schon heute recht genau vorausgesagt werden, der exakte Pegelstand unterliege aber noch immer großer Unsicherheit.

Sicher scheint dagegen, dass in Zukunft nicht jede Fläche mit gleichen Mitteln geschützt werden kann – das ist schlichtweg zu teuer. Mit solchen Fragen beschäftigt sich Jörn Birkmann, der an der Uni Stuttgart das Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung leitet. "Wir müssen überlegen, wie wir die Wassermassen lenken können", sagt Birkmann. Das gehe etwa, indem Parks, bestimmte Straßen oder Sportplätze tiefergelegt werden, um im Notfall den ungehinderten Abfluss zu sichern oder als Auffangbecken zu fungieren.

Ein Beispiel dafür ist etwa das Hein-Klink-Stadion in Hamburg-Billstedt, eigentlich ein ganz normaler Sportplatz. Bei starkem Niederschlag wird das Wasser in riesige Tanks unter dem Platz geleitet. Laufen diese voll, öffnet sich ein Überlauf und flutet den Sportplatz. Das soll den Stadtteil vor Überflutungen nach Starkregen schützen.

Noch fehle es allerdings an Schutzzielen, die sich an der Nutzung einzelner Flächen und Gebäude orientieren, sagt Birkmann. "Momentan wird der OP-Saal im Untergeschoss eines Hospitals genauso gesichert wie der Weinkeller in einem Privathaus."

Andernorts wird ebenfalls über eine Priorisierung von Räumen nachgedacht. An der walisischen Küste ist schon jetzt beschlossen worden, das nur knapp über dem Meeresspiegel gelegene Dorf Fairbourne mit 1000 Einwohnern bis 2045 umzusiedeln. Die für den langfristigen Schutz der Siedlung nötigen Investitionen will sich die britische Regierung nicht leisten.

In Deutschland gelten solche Umsiedlungen noch als Tabu. Offener ist die Debatte in den Niederlanden, wo mancherorts bereits Deiche zurückgebaut werden, um Wasser mehr Raum zu geben. Dazu gehört auch das Konzept schwimmender Siedlungen mit Häusern, die auf einem wasserdichten Schwimmkörper stehen. Bei Überflutungen können sie um mehrere Meter nach oben gleiten. Eine solche Mustersiedlung mit mehr als 40 Häusern steht beispielsweise in Maasbommel in der Nähe von Arnheim.

Selbst ganze Millionenstädte wie Indonesiens Hauptstadt Jakarta könnten in Zukunft umgesiedelt werden. Ein großer Teil der Stadt liegt unter dem Meeresspiegel, Teile stehen bereits unter Wasser. Per Gesetz hat die Regierung deshalb den Bau einer komplett neuen Hauptstadt beschlossen. "Aber für eine Umsiedlung von so einem Ausmaß fehlt die Akzeptanz in der Bevölkerung", meint Birkmann. Weniger in Ufernähe und zudem häufiger auf Stelzen bauen, das sei in der indonesischen Hauptstadt aber durchaus realisierbar.

Um angepasste Häuser geht es auch in Deutschland. "Im Ahrtal gibt es allerdings primär nur Fördergeld für den Wiederaufbau, also oftmals, um den Status quo wiederherzustellen", kritisiert Birkmann. Dabei bräuchten die Häuser wasserfeste Türen, Dammbalken – und weniger Ölheizungen in den Kellern, die das Wasser verschmutzen. Auch weniger und angepasste Brücken im Tal würden helfen, schließlich verfingen sich hier Autos, Bäume und Schutt, die das Wasser zusätzlich stauen.

An der Möllner Landstraße in Hamburg-Billstedt kam es bei Starkregen regelmäßig zu Überflutungen. Ein Speicher unter dem Hein-Klink-Stadion kann nun bis zu 500 000 Liter Wasser aufnehmen und es nach und nach an den Boden abgeben. Reicht das nicht, wird der Sportplatz geflutet., Naumann Landschaft

An der Möllner Landstraße in Hamburg-Billstedt kam es bei Starkregen regelmäßig zu Überflutungen. Ein Speicher unter dem Hein-Klink-Stadion kann nun bis zu 500 000 Liter Wasser aufnehmen und es nach und nach an den Boden abgeben. Reicht das nicht, wird der Sportplatz geflutet.

(Bild: Naumann Landschaft)

Die schlimmste Flutkatastrophe traf im vergangenen Jahr Pakistan. Fast vier Monate dauerte die Überflutung. Mitte Juni hatten dort extreme Monsunregen eingesetzt, die sich immer wieder über dem Land entluden. Bis Anfang Oktober töteten die Wassermassen mindestens 1700 Menschen. Überschwemmungen, Erdrutsche und Sturzfluten führten zu einer humanitären Katastrophe, acht Millionen Menschen wurden heimatlos, viele weitere starben an den sich im stehenden Wasser ausbreitenden Krankheitserregern. Besonders betroffen waren arme Menschen in unzureichenden Unterkünften an Flussufern, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Laut dem Weltklimarat zählt Pakistan zu den Staaten, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Dabei hat das Land seit 1959 lediglich 0,4 Prozent zu den weltweiten Emissionen beigetragen. Die Schäden an Häusern, Infrastruktur und Landwirtschaft belaufen sich auf rund 30 Milliarden Euro, schätzt die Regierung in Islamabad. Geld, das das Land nicht hat. Die Regierung teilte bereits mit, sie müsse zur Bewältigung der Flutfolgen auf Mittel zurückgreifen, mit denen eigentlich Projekte zur Klimaanpassung und Katastrophenvorbeugung hätten finanziert werden sollen.

Von den Wassermassen wurden in Pakistan – ähnlich wie im Ahrtal – viele überrascht. Der pakistanische Wetterdienst hatte, anders als der deutsche, keinen Alarm gegeben. Aber selbst das hilft nicht, wenn Betroffene nicht wissen, wie sie sich in so einem Fall verhalten müssen. "Es gibt hierzulande keine Warnstufe, die alle Anwohner alarmiert, auf den nächsten Hang zu flüchten", sagt Schüttrumpf. Stattdessen seien zu viele in der Flutnacht im Ahrtal noch in ihre Keller gegangen, um geliebte Erinnerungen zu retten, und bekamen die Türe nicht mehr auf. Anders als das Verhalten im Brandfall wird das bei einer Flutwelle in keiner Unterrichtsstunde geübt, kritisiert Schüttrumpf. Noch nicht.

(grh [13])


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