Hoppla, jetzt komme ich!

Während früher mitten im Sommer allenfalls Nessi für Schlagzeilen sorgte, liefert diesmal zumindest in Hightech-Kreisen der aufrührerische Athlon das Gesprächsthema Nummer Eins, will er doch König Pentium III vom Thron beziehungsweise Sockel stürzen. Den Putschversuch hat AMD diesmal gut vorbereitet, Heerscharen um sich versammelt und die Waffenkammer mit scharfen Lanzen gefüllt. Wankt nun Intels Imperium?

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Für AMD geht es ums nackte Überleben. Seit geraumer Zeit schon schreibt der einzig nennenswerte Intel-Konkurrent im x86-Lager rote Zahlen, zuletzt gar 162 Millionen Dollar Verlust. Kurzzeitig gab es zwar mal Quartale mit ausgeglichener und leicht positiver Bilanz, aber die konnten die großen aufgelaufenen Verluste der letzten Jahre nicht wettmachen. Um sich über Wasser zu halten, musste AMD schon das Tafelsilber in Gestalt der Tochter Vantis verscherbeln. Nun wird Athlon ins Feld geschickt, um die ‘letzte Schlacht’ zu schlagen.

Im Vorfeld scheint es aber noch mal heftig hinter den Kulissen gekracht zu haben. AMD-Gründer Sanders sollte eigentlich aufs Altenteil abgeschoben werden und der eigentliche Macher, Aziq Raza, seine Position einnehmen. Nun hat es sich offensichtlich anders ergeben. Noch vor der Athlon-Uraufführung gab AMD den plötzlichen und unerwarteten Abgang des Regisseurs Raza bekannt, angeblich aus ‘persönlichen Gründen’. Solche theatralischen Aktionen passen ja eher zum griechischen Schauspiel, wo etwa Medea ihren Bruder zerstückelte, um die Feinde dadurch zu verwirren. AMD ‘zerstückelt’ halt die eigene Geschäftsführung, ob das aber Intel aus der Fassung bringt, ist eher fraglich.

Rechteckig, schwarz, schnell und nahezu gleich teuer: die feindlichen 600-MHz-Konkurrenten Pentium III und Athlon

Laut Wall Street Journal habe Raza unter anderem vorgehabt, die Dresdener Fab zu schließen beziehungsweise zu verkaufen. Das wollte Sanders aber auf keinen Fall zulassen, hat die Fab doch gerade erst stolz vermeldet, den Kupferprozess im Griff zu haben und bereits am Jahresende mit Kupfer-Athlons aufwarten zu wollen.

Als Nachfolger von Raza ist übrigens Robert Palmer im Gespräch, als langjähriger Chef von Digital ein Urgestein der IT-Szene. Immerhin kennt sich Palmer ja mit dem Alpha-Prozessor gut aus, was Athlon auch zugute kommen könnte.

Was auch immer wirklich hinter den Kulissen vorgefallen sein mag, im Vordergrund strahlt der Held Athlon und zeigt vor allem eins: seine Muskeln. Und die sind in der Tat beeindruckend.

Wie unsere Benchmarkergebnisse belegen, schlägt er den Pentium III bei gleichem Takt in nahezu allen Belangen. Zum Teil, etwa im Gleitkomma-Bereich, düpiert er den Herausgeforderten geradezu. Ja, es gibt sogar einen Benchmark bei SPECfp95 (fpppp), wo Athlon sensationell um den Faktor drei schneller ist. Als i-Tüpfelchen kommt dabei noch hinzu, dass die Benchmarks mit den Intel- C++- und Fortran-Compilern übersetzt wurden, die wohl kaum im Ruf stehen, speziell für Athlon zu optimieren.Benchmarks wie SPECfp95 oder die BAPCo-Suite mied AMD früher wie der Teufel das Weihwasser - nun sind sie auf einmal AMDs Lieblinge - und ganz zufällig mag Intel auf einmal die BAPCo-Suite gar nicht mehr. Und auch typische Benchmarks aus Intels Drei-Welten-Theorie (Integer, MMX, FPU) wie der hauseigene Media Bench stehen nun in einem gänzlich anderen Lichte da. Wissenschaftler, die sich die SPECfp95-Ergebnisse anschauen, müssen einfach in Scharen zum Athlon überlaufen, was dessen Ruf sicherlich gut tut.

Und wer gesehen hat, wie die halbe c't-Redaktion mit glänzenden Augen dem rasanten Geschehen zuschaute, das die neueste Spielgeneration auf dem Athlon-System zu Stande brachte, der weiß: ‘A Star was born’.

Damit ist zumindest eines klar: die x86-Performancekrone steht eindeutig dem Athlon-Superhelden zu, seis unter Windows 98, NT oder Linux. Denn Intels vorgesehener Thronverteidiger, der neue Pentium-Prozessor mit Codenamen Coppermine, der in 0,18-µm-Technologie und mit integriertem 256KByte-L2-Cache gefertigt werden soll, verspätet sich. Wie es heißt, haben sich hier noch Probleme mit so genannten Speed-Paths offenbart, die den Coppermine um mindestens zwei Monate zurückwerfen dürften. Die Verspätung ist natürlich ein Glück für AMD: Nun kann der Athlon die Sommerbühne fast für sich allein bespielen. Aber nur fast, denn Intel hat dem alten, ausgereizten 0,25-µm-Prozess immerhin noch einen 600-MHz-Prozessor abgerungen und auf die Schnelle noch vor dem Athlon ins Feld geführt. Und als flankierende Maßnahme kommt im Lowcost-Bereich noch der 500-MHz-Celeron hinzu.

Preisfrage: Athlon oder Pentium III? Man beachte den neckischen Debug-Port oben rechts.

Ob die Ausbeute beim 600-MHz-Pentium-III nennenswert ist, spielt dabei keine Rolle. Intel verfährt nach dem Muster: koste es, was es wolle, dem AMD-Thronanspruch muss getrotzt werden. Der Image-Verlust - ein nicht unbeträchtlicher Faktor im Business - wäre ansonsten zu groß. Da war sich Intel auch nicht zu schade, entgegen allen ursprünglichen Roadmaps den Preis des 600-MHz-Prozessors an dem Athlon (griechisch für ‘Kampfpreis’) des Athlons auszurichten und ihn gar um vermutlich 20 bis 30 Dollar zu unterbieten.

Der richtige Kämpfer, der schließlich Athlon in die Schranken weisen soll, wird aber erst noch aufgebaut. Unter dem Codenamen Willamette soll frühestens Mitte nächsten Jahres eine komplett neue iA32-Architektur das Licht der Welt erblicken, ebenfalls mit riesigen Caches bestückt. Bis dahin fließt aber noch viel Silizium die Fab-Straße hinunter.

Derzeit vermag Intel jedenfalls kaum vom großen Athlon-Soloauftritt abzulenken. Keine neuen Chipsätze, kein Rambus, kein Front-Side-Bus mit 133 MHz, kein PC133, kein integrierter L2-Cache, keine 0,18 µm ... nur ein etwas schnellerer Pentium III, der trotz 600 MHz in seiner Performance dem Athlon recht hilflos ausgeliefert ist. Zumindest für August ist nichts weiter vorgesehen, im September sollen Rambus und FSB-133 in Erscheinung treten. Doch möglicherweise verzögert sich der dafür vorgesehene Camino-Chipsatz 820 noch weiter.

Mit Athlon bringt AMD keinen einfachen ‘Sockelfolger’ auf den Markt, der sich als Clone in eine bestehende Infrastruktur von Chipsätzen und Boards einpasst oder allenfalls leichte Erweiterungen wie Super Socket 7 mit sich bringt. Athlon ist mit einem neuen Prozessor-Bus ausgestattet, dessen Protokoll AMD von dem Hersteller eines der schnellsten Mikroprozessoren überhaupt, Digital, übernommen hat. Den Versuch eines eigenständigen Prozessorbusses hat seinerzeit mal die Prozessorschmiede NexGen unternommen - der Versuch scheiterte kläglich: NexGen wurde schließlich von AMD aufgekauft und ihr Design floss in den K6 ein, den AMD wieder in kompatibles Sockel-7-Format presste.

Nun wagt NexGen-Besitzer AMD abermals den Alleingang - diesmal jedoch unter anderem Vorzeichen. Intel selbst hat dafür gesorgt, dass dem Prozessorbus nur noch wenig Beachtung geschenkt wird. Ob nun Slot-1, Slot-2, PGA-370 oder demnächst FCPGA oder PGA412, das Ganze auch noch garniert mit SEPP-, SECC1- oder SECC2-Modulausführungen - da blickt sowieso keiner mehr durch.

Statt der einst heiligen Kuh Kompatibilität herrscht nun Beliebigkeit. Das kann AMD nur recht sein, warum also nicht mal zur Abwechslung noch einen neuen Bus. Die Board- und Chipsatz-Firmen reiben sich die Hände, denn den Nerv mit Intel wegen der Lizenzen rund um den Pentium-II-Bus sind sie leid. Vor allem die taiwanische Chipsatzschmiede Via dürfte sich freuen, die mit Intel aus eben diesen Gründen gerade im Clinch liegt.

Doch zunächst ist AMD bei den Chipsätzen auf sich allein gestellt. Das ist kein größeres Manko, mit dem Irongate hat AMD einen passablen Chipsatz auf die Beine gestellt, der im Großen und Ganzen dem aktuellen BX- oder GX-Chipsatz von Intel entspricht (PC100, 768 MByte Speicherbereich, AGP 2x).

Während Intel den Chipsatzmarkt in kurzer Zeit weitgehend für sich vereinnahmte und den eigenen Bus so bewacht wie Cerberus die Hölle, hofft AMD, dass möglichst bald die drei großen taiwanischen Schmieden Via, Ali und SiS mit eigenen Designs präsent sind. Schließlich will sich AMD auf das Kerngeschäft, also auf die Prozessoren selbst, konzentrieren. Auch ist offenbar nicht geplant, das hauseigene Fester-Board zu vermarkten, das in den aktuellen Testsystemen steckt.

AMDs Fester-Board, mittlerweile im Revisionsstand B3, soll nur als Referenz-Design dienen und nicht vermarktet werden. Dafür sind Gigabyte, MSI, Asus und andere zuständig.

Gigabyte und Microstar (MSI) liefern Athlon-Boards mit Irongate aus, Asus, FIC, Aopen, Biostar und andere stehen mit fertigen Designs zumindest ‘Gewehr bei Fuߒ. Unklar ist derzeit noch, was die ‘erste Etage’ der Systemhäuser, die so genannten ‘First Tiers’, nun wirklich tun werden. Bis auf Dell haben zwar alle durchblicken lassen, Athlon-Systeme herauszubringen, aber Genaueres wollen sie frühestens am 16. August, dem offiziellen Athlon-Einstandstermin, herauslassen.

Eine deutliche Zurückhaltung ist überall zu spüren, ob bei Asus oder FIC, bei Siemens & Fujitsu, IBM oder Compaq. Zu groß ist die Furcht vor der möglichen ‘Rache’ des Altkönigs. Es geht ein wenig nach der Devise: erst mal gucken und ‘Hannemann, geh du voran’. Immerhin, Compaq und IBM bestreiten nicht, dass sie im Desktop-Bereich Athlon- Systeme vorstellen wollen, für Server schließen sie den Athlon jedoch kategorisch aus - jedenfalls noch.

Doch neben König Intel regiert ja noch ein König, nämlich König Kunde - und der ist zuweilen noch mächtiger. ‘Sollte ein Bedarf für Athlon-Systeme da sein, werden wir sie auch liefern’, so der oft gehörte, viel sagende Satz bei unserer Rundumfrage.

Etwas mehr ist wohl doch geplant, etwa bei Siemens oder Packard Bell. Auch ComTech und Archtech (IPC) bereiten sich auf den Event Mitte August vor, letztere beliefern unter anderem die ProMarkt-Kette. Die IPC-Systeme beispielsweise, bestückt mit 500 MHz Athlon und MSI-Board, sollen zu recht attraktiven Preisen ab 1900 Mark in die Läden.

AMD schätzt die Erfolgschancen durchaus nüchtern ein. So hofft man, wenigstens eine Millionen Athlon-Prozessoren im dritten Quartal absetzen zu können. Das erscheint nicht zu hoch gegriffen, selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich um einen vergleichsweise teuren Highend-Prozessor handelt. Parallel dazu wird die K6-Linie mit dem 500-MHz-K6-III fortgesetzt und im Lowcost-Bereich spielt AMD bei Intels Celeron-Preispoker weiter mit und ‘verschleudert’ den K6-2, von dem man knapp zwei Millionen auf Halde hat.

Wie der nachfolgende Architekturartikel zeigt, ist Athlon mit 500 oder 600 MHz klar unterfordert, so richtig wird er wohl bei 1 GHz und mehr aufblühen. Wahrscheinlich könnte AMD jetzt bereits schnellere Prozessoren herstellen, aber warum? In den AMD-Labors werkeln 700-MHz-Versionen in ‘Xeon-Konfigurationen’ mit 2 MByte L2-Cache, die SPECint95-Werte von 31 und darüber hinaus erzielen sollen (damit würde Athlon sogar HPs PA-8500-Titanen die Integer-Performance-Krone entreißen, der aktuell 30,8 SPECint95 erzielt). Nur die geeigneten Chipsätze sind noch nicht fertig. Anfang nächsten Jahres will AMD den Irongate-R4 für Rambus und Irongate-D4 für DDR-SDRAM (Double Data Rate) fertig stellen (die 4 steht dabei für AGP 4x), damit solche schnellen Prozessoren einen adäquaten Speicher zur Seite haben.

Ob Rambus überhaupt nötig sein wird, ist im Moment noch gar nicht ausgemacht. Es sieht ja so aus, als wenn die nächste Schlacht weniger über die Prozessoren, als vielmehr über die jeweiligen Speichertechnologien geführt wird. Ursprünglich hat sich Intel ganz auf DirectRambus als Ablösung von PC100 festgelegt, doch Probleme mit Rambus-Speichern (‘RIMMs’), Chipsätzen und Boards sowie massenhafte Anfragen von Kunden und OEMs haben Intel derweil zum Umdenken bewegt - möglicherweise zu spät. Nun will das Prozessorhaus zwar auch PC133 unterstützen, doch frühestens in der übernächsten Chipsatzgeneration.

Bis dahin haben Pentium-III-Kunden die Wahl, Boards mit vermutlich arg teuren RIMMs einzusetzen, oder Boards, die mit Kunstgriffen (so genannte RIMM-to-DIMM-Bridges) den Rambus auf preiswerte SDRAMs umsetzen. Dass man sich allerdings mit Systemen etwas lächerlich macht, die zwar mit einem Front-Side-Bus von 133 MHz daherkommen, aber die nur PC100-Speicher mögen, ist eine Pikanterie am Rande.

Athlon Athlon Athlon Pentium III
OEM Markt Systeme OEM1
500 MHz 324 US-$ 488 US-$ ca. 1299 US-$ 257 US-$
550 MHz 479 US-$ 720 US-$ ca. 1599 US-$ 480 US-$
600 MHz 699 US-$ 950 US-$ ca. 1999 US-$ 656 US-$1
1vermutet für Ende August

AMD kann daher auf dem Speicher-Nebenkriegsschauplatz weiteren Boden gutmachen, sei es mit PC133- oder gar mit DDR200-Speichern. Letztere passen ja wahrlich optimal zu dem vorhandenen DDR200-Systembus und nicht zuletzt sollen sie auch in ihrer Performance dem derzeit schnellsten Rambus-Design PC800 überlegen sein.

Apropos Nebenkriegsschauplatz: Als der Pentium III vorgestellt wurde, sorgte weniger seine neue Multimedia-Fähigkeit namens ISSE für Aufsehen als vielmehr seine Ausspäh-Möglichkeit namens Seriennummer (PSN). Das Thema ist auch jetzt nicht zu den Akten gelegt, kürzlich erst hat das chinesische Ministerium für Industrie-Informatik befunden, dass Pentium-III-Systeme wegen dieser Nummer nicht in vernetzten Systemen eingesetzt werden dürfen.

AMD hat nach dem PSN-Desaster vor lauter Schreck die sicherlich ebenfalls vorgesehene Seriennummer aus dem Athlon erst einmal entfernt (spätere spezielle Serverversionen sollen aber auf Wunsch vieler Systemadministratoren eine Seriennummer bekommen). Das könnte sich lohnen, werden doch allein in China diverse Millionen PCs verkauft.

Fernost scheint sich sowieso zu einer Hochburg für AMD zu entwickeln. Wie es heißt, habe AMD alle Mühe gehabt, japanische Händler davon abzuhalten, vorab Athlon-Systeme zu sicherlich lohnenden Preisen auf den Markt zu bringen. Die Nachfrage im Land der aufgehenden Sonne ist, so scheints, riesig. Doch auch Deutschland ist traditionell ein AMD-freundliches Land, wie die hiesigen Marktanteile belegen. Wenn die Athlons erst einmal aus Dresden kommen, dürfte sich dieser Trend durch ein bisschen Lokalpatriotismus eher verstärken. (as) (as)