Humanoide Roboter aus Japan mit gezüchteter Haut für die Hand

In Japan ist man schon lange in humanoide Roboter verliebt. Bislang mussten die Maschinenwesen aber mit Silikonhaut überzogen werden. Das ändert sich nun.

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(Bild: Universität Tokio)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Es ist ein kleiner Schritt für einen Roboterfinger, aber ein großer für humanoide Maschinenwesen: Forscher der Universität Tokio haben lebende Haut für Roboter gezüchtet. Sie ist nicht nur flexibel, sondern kann sich auch heilen, wenn auch nicht selbst wie in Science-Fiction-Filmen. Noch muss ein Stück Collagen auf die Wunde gelegt werden, um die Haut wieder zusammenwachsen zu lassen.

Das Ziel der Forscher in Japan ist allerdings keine lebensechtere Version von Kampfrobotern vom Schlage eines Terminators. „Durch die Nachahmung des Aussehens und der Funktionen des Menschen haben Humanoide das Potenzial, harmonischere und natürlichere Mensch-Roboter-Interaktionen zu schaffen“, erklärte das Forscherquintett in einem Artikel in der Publikation „Matter“.

Die Jagd nach Robotern mit Fingerspitzengefühl ist nicht neu. Bisher konzentrierte sie sich allerdings auf künstliche Haut wie die eines Projekts in Singapur, das die Daten von eingebauten Sensoren auch schnell an menschliche Nervenbahnen weiterleiten kann.

Menschliche Haut wird derweil für Hauttransplantationen gezüchtet, allerdings bisher nur als Stückchen. Projektleiter Shoji Takeuchi, Professor der Abteilung für mechanische und biofunktionale Systeme am Instititut für Industriewissenschaft der Universität Tokio, setzt hingegen auf einen menschlichen Touch in 3D.

Die Herausforderung bestand darin, die Haut dreidimensional am Roboterfinger zu züchten und nicht in der Fläche. Dazu wurde der Roboterfinger in einen passgenauen Zylinder gesteckt, in den ein Mischung aus Collagen und lebenden Zellen wie Fibroblasten und Keratinozyten eingeführt wurde. Diese Mischung könne einzigartige Charakteristika menschlicher Haut nachbilden wie eine weiche Berührung oder eben Selbstheilung, erklärten die Forscher.

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Auf die Oberfläche der Unterhaut trugen die Forscher dann Keratinozyten auf, die etwa 90 Prozent der Epidermis ausmachen. Nachdem die Haut gebildet war, wurde der dreigliedrige Roboterfinger bewegt, damit die Haut wie bei einem richtigen Finger Falten bildet und damit dehnbarer wird. „Wir sind überrascht, wie gut sich das Hautgewebe an die Oberfläche des Roboters anpasst“, sagte Takeuchi. „Aber diese Arbeit ist nur der erste Schritt auf dem Weg zur Entwicklung von Robotern mit lebendiger Haut“.

Eine Herausforderung ist, dass die Haut schnell austrocknet. Sie muss daher oft in einer Nährlösung gebadet werden. Sie reißt auch noch sehr viel leichter als wirklich lebende Haut. Und Feingefühl hat sie ebenfalls noch nicht entwickelt, da noch keine Sensoren eingebaut wurden. Allerdings hat sie gegenüber einer anderen denkbaren Methode, der Auflage flacher gezüchteter Hautstücke, einen Vorteil: Ohne Nahtstellen ist sie so glatt wie menschliche Haut.

Takeuchi und sein Teammitglieder wissen auch schon, in welche Richtung sie weiterforschen wollen. Um die Haut effizienter herzustellen, schlagen sie die Entwicklung von Bio-Printing-Methoden vor, um gekrümmte Hautäquivalenten und Keratinozyten auf gekrümmten Oberflächen aufzutragen. Außerdem wollen sie in und unter der Haut kleine Kanäle anlegen, die Blutgefäße nachahmen. Durch sie kann dann die Haut mit Feuchtigkeit versorgt werden.

„Eine zukünftige Herausforderung besteht darin, die Komponenten der Haut, einschließlich Nerven und anderer Teile wie Nägel und Schweißdrüsen, zu reproduzieren, damit Roboter diese hautspezifischen Funktionen erwerben können“, so die Forscher. Dann könnten Roboter sogar schwitzen. Die Wissenschaftler sind jedenfalls optimistisch, dass ihre Forschung einen Durchbruch darstellt: „Wir glauben, dass diese Resultate ein neues Paradigma für biohybride Roboter darstellen wird.“

(bsc)