Fokus Internet: In der Midlife-Crisis

50 Jahre nach seiner Geburt steckt das Internet in der Krise. Sollen wir aussteigen und noch einmal ganz neu anfangen?

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(Bild: Photo by Host Sorter on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Nicht alle waren 1969 in Woodstock. Ein paar Leute blieben zu Hause, um das Internet in Gang zu setzen, das nach der geldgebenden Advanced Research Projects Agency des US-Verteidigungsministeriums vorerst Arpanet hieß. Sie hatten auf jeden Fall auch ihren Spaß, so trug etwa das Betriebssystem des ersten Netzknotens, eines Sigma-7-Computers an der University of California in Los Angeles, den vergnüglichen Namen SEX.

Am späten Abend des 29. Oktober war es so weit. Der erste Versuch, auf einem weiteren Netzknoten ein Log-in zu veranlassen, endete bereits nach zwei Zeichen mit einem Systemabsturz. Eine halbe Stunde später stand die Verbindung – für viele die Geburtsstunde des Internets. Im Juli 1969 waren zum ersten Mal Menschen auf dem Mond gelandet, nun begann die Erkundung eines neuartigen Universums, an der jeder teilnehmen konnte, nicht nur ein paar Astronauten. Erstmals konnten sich nun unterschiedliche Computer über beliebige Entfernungen miteinander austauschen. Die zugrunde liegende Idee des Packet Switching war so radikal neu, dass Paul Baran, der sie 1964 präsentierte, von seinen Kollegen anfangs für verrückt erklärt wurde: Um dem Problem unterbrochener Kommunikationsverbindungen bei einem Atomschlag zu entgehen, schlug Baran vor, sozusagen die Kommunikation zu atomisieren. Die Daten werden in Päckchen zerlegt, die sich jeweils eine eigene Route durch das Verbindungsnetzwerk suchen.

Viele haben zur Grundsteinlegung des Internets beigetragen, Vannevar Bush mit seiner Vision einer persönlichen Wissensmaschine ebenso wie eine Gruppe von Vordenkern, die sich "Intergalactic Network" nannte. "Das Internet ist das Werk Tausender Menschen", so Paul Baran 2001. "Es ist wie bei einer Kathedrale. Wenn man nicht aufpasst und die Arbeit der anderen achtet, kann man sich täuschen und glauben, selbst der Erbauer zu sein."

Mehr oder weniger frei von Finanzsorgen wuchs sich das Netz auch zu einer Projektionsfläche für soziale Utopien aus, einer virtuellen Weide ohne Zäune. 1971 erfand Ray Tomlinson die E-Mail und machte das @-Zeichen zum Symbol der neuen Zeit, die sich am Horizont abzeichnete. Ende der 70er-Jahre startete Usenet, ursprünglich als Alternative zum Arpanet gedacht, und vermittelte mit seinen Tausenden von Interessens- und Debattenbereichen einen Vorgeschmack auf das, was heute Facebook & Co. repräsentieren. Im Usenet wurden FAQs, die Netiquette und erste Instrumente zum Umgang mit Nervensägen, etwa moderierte Debattenbereiche, entwickelt.

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