Indien setzt auf die Sonne

Der indische Premierminister Narendra Modi will die solare Erzeugungskapazität im Land um den Faktor 30 steigern. Er kann bereits viele Zusagen vorweisen, doch die klassischen Versorger dürften sich querstellen.

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Von
  • Peter Fairley

Der indische Premierminister Narendra Modi will die solare Erzeugungskapazität im Land um den Faktor 30 steigern. Er kann bereits viele Zusagen vorweisen, doch die klassischen Versorger dürften sich querstellen.

Im vergangenen Herbst machte der indische Premierminister Narendra Modi Schlagzeilen mit der Ankündigung, bis zum Jahr 2022 auf 100 Gigawatt an Solarstrom-Erzeugungskapazität im Land zu kommen – mehr als 30-mal so viel wie bislang. Skeptiker kritisierten sogleich, dass Modi keine Details nannte und nichts zur Finanzierung sagte. Trotzdem haben sich einige finanziell gut ausgestattete Unternehmen offenbar vom Solar-Fieber anstecken lassen: Bei einem von Modi initiierten Gipfeltreffen für erneuerbare Energie im vergangenen Monat konnte der Premier Zusagen über 166 Gigawatt an Solarprojekten einsammeln.

Bei dem Treffen in New Delhi kamen Erneuerbaren-Größen wie First Solar oder SunEdison zum ersten Mal mit den Chefministern der indischen Bundesstaaten und den Führungsspitzen von indischen Industrie-Konglomeraten wie Adani Enterprises und der National Thermal Power Corporation als dem größten Versorger Indiens zusammen.

Für Tobias Engelmaier, Gründer der Solarmarktberatungsfirma Bridge To India, hat die Ankündigung Modis die Diskussion über das Solarpotenzial von Indien „völlig verändert“. Was als Nächstes passiert, hänge allerdings nur zum Teil davon ab, welche Erneuerbaren-Politik Modi auf Ebene der Zentralregierung einführt – eine größere Rolle könne die bislang ungedeckte Stromnachfrage in Indien spielen. Ein Viertel der indischen Bevölkerung ist bislang nicht ans Stromnetz angeschlossen, der Rest hat mit chronisch unzuverlässiger Versorgung und Knappheit zu kämpfen.

Indien müsse einen „Quantensprung bei der Energieerzeugung machen“, sagte Modi bei dem Gipfeltreffen. Mit ihren kurzen Bauzeiten und rapide sinkenden Preisen – von 20 Rupien (knapp 30 Euro-Cent) pro Kilowattstunde vor drei Jahren auf heute nur noch 7 Rupien – könne Photovoltaik viel dazu beitragen. „Die Regierung scheint wirklich an die Möglichkeit zu glauben, das Land mit Solarstrom und erneuerbarer Energie transformieren zu können“, sagt Pashupathy Gopalan, President für die Region Asien-Pazifik bei SunEdison.

Gopalans Firma hat in den vergangenen fünf Jahren etwa 200 Megawatt an Solarprojekten in Indien installiert. Zu dem von Modi einberufenen Treffen kam er mit unterschriebenen Verträgen für den Bau von 10 Gigawatt Solar- und Windleistung in den Bundesstaaten Karnataka und Rajasthan bis 2020. Außerdem gründete SunEdison ein Joint-Venture mit Adani Enterprises, das ein 4 Milliarden Dollar teures Solarkraftwerk in Gujarat prüfen will. Bei einem positiven Ergebnis könnte der Bau noch in diesem Jahr beginnen.

First Solar war bis zum vergangenen Jahr in Indien nur als Lieferant von Solarmodulen aktiv. Jetzt versprach das Unternehmen, bis 2020 Solarprojekte mit zusammen 5 Gigawatt Leistung zu entwickeln.

In manchen indischen Bundesstaaten kann erneuerbare Energie sogar ohne Subventionen mit fossilen Brennstoffen konkurrieren, jedenfalls bei Gewerbe- und Industriekunden, die in Indien die höchsten Tarife bezahlen. In Maharashtra bezahlen Industriebetriebe laut Engelmaier normalerweise 10 Rupien oder mehr pro Kilowattstunde Netzstrom; Solarentwickler in der Region verkaufen ihren Strom mit Gewinn für 8 Rupien pro Kilowattstunde.

Wie Engelmeiers Beratungsfirma im November 2014 meldete, kostet selbst der Strom von teurer zu installierenden Dachflächen-Anlagen in jedem vierten indischen Bundesstaat inzwischen nur noch gleich viel oder weniger als das, was Gewerbe- und Industriekunden für Netzstrom bezahlen. Der Preis pro Kilowattstunde Solarstrom liege hier ebenfalls bei rund 8 Rupien.

Von 2012 bis 2014 hat sich die installierte Solarkapazität in Indien von 461 Megawatt auf gut 3 Gigawatt erhöht. Engelmaier geht davon aus, dass in diesem Jahr noch einmal 2 Gigawatt hinzukommen.

Eine zunehmende Zahl von Bundesstaaten, darunter Rajasthan, Gujarat und Andhra Pradesh, vermieten inzwischen öffentliches Land für Solarparks. Dadurch entfällt für Solarkraftwerk-Entwickler die Notwendigkeit, sich durch die komplexen Landregister Indiens zu kämpfen.

In mehreren Bundesstaaten wird zudem das Stromnetz für Solarprojekte geöffnet: Die Betreiber erhalten eine Befreiung von der Durchleitungsgebühr und können ihren Strom über das allgemeine Netz kostenlos zu Gewerbe- und Industriekunden leiten. Laut Gopalan kann das die Kosten für Solarstrom um 10 bis 25 Prozent senken.

Um Modis Ziel von 100 Gigawatt Solarkapazität bis 2022 zu erreichen, sind jedoch grundlegendere Reformen im indischen Energiesektor nötig. Die Befreiung des Solarstroms von den Netzgebühren etwa dürfte Widerstand bei der klassischen Versorgern auslösen, die verzweifelt darum kämpfen, ihre lukrativsten Kunden zu behalten. „Die Versorger haben einiges dagegen, ihre guten Kunden zu verlieren. Ich bin mir nicht sicher, wie sich das politisch auf längere Sicht entwickelt“, sagt Gireesh Shrimali, ein Energieökonom am Middlebury Institute of International Studies in Kalifornien, der die indische Regierung zu erneuerbaren Energien beraten hat.

Jedoch könnten dezentrale Solarinstallationen den Versorgern sogar helfen, indem sie die Nachfrage von den am wenigsten lukrativen Kunden verringern: indische Bauern, die kostenlosen Strom für den Betrieb von Bewässerungspumpen bekommen. Diese kostenlosen Lieferungen machen laut Gopalan derzeit 20 Prozent des Stromverbrauchs in Indien aus, was einem Verlust von rund 10 Milliarden Dollar bei den Versorgern entspricht.

Solarstrom eignet sich gut für Pumpen, denn die kommen problemlos mit seinen Schwankungen zurecht. „Solarbetriebene Pumpen für die Bewässerung wären eine klare Stärkung für die Bilanzen des Energiesektors“, sagt Gopalan.

(sma)