Innere Web-Werte

Sollte es Microsoft tatsächlich gelingen, Yahoo zu übernehmen, würde das populäre Portal dem Softwareriesen mehr überlassen als nur seine Reklameumsätze.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erica Naone

Anfang Februar schlug der Softwareriese Microsoft dem Portalbetreiber Yahoo vor, ihn für insgesamt 44,6 Milliarden Dollar zu übernehmen. Zunächst gab sich die umworbene Firma zurückhaltend und wollte Bedenkzeit. Inzwischen hat sich der Yahoo-Aufsichtsrat entschlossen, den Vorschlag zunächst abzulehnen – zu wenig biete der Microsoft. Eine Übernahmeschlacht steht bevor.

Wie auch immer die auch ausgeht: die Nachricht zog eine Fülle von Reaktionen aus der Internet-Welt nach sich – inklusive einer Stellungnahme von Google, in der es hieß, der Suchmaschinenmarktführer fürchte starke Wettbewerbsverzerrungen, sollte der Megadeal tatsächlich über die Bühne gehen.

Absolute Klarheit, was Microsoft an Yahoo so attraktiv findet, existiert dabei allerdings nicht. Das besonders nahe liegende – ein größerer Marktanteil im Bereich der Online-Suche und der Reklame im Web – reicht für ein Geschäft dieser Größenordnung eigentlich nicht aus, meinen Experten. Charlene Li, Analystin beim IT-Marktforschungsunternehmen Forrester Research, glaubt, dass neben Yahoos Stellung in diesem Bereich vor allem die Technologien aus den Bereichen Social Media und Mobiles für Microsoft die Hauptrolle spielen. Da wäre beispielsweise die Yahoo-Tochter Flickr, eine enorm populäre Bildercommunity, sowie der Lesezeichendienst del.icio.us, der den "Social Bookmarking"-Trend erst losgetreten hatte.

"Das sind großartige Marken, die im Zentrum dessen stehen, wie die Menschen online miteinander interagieren", meint Li. Spannend an del.icio.us sei so zum Beispiel der "Social Search"-Aspekt, bei dem die Nutzer interessante Seiten mit Tags markierten und so die Relevanz bestimmten. "Da findet eine Demokratisierung von Googles PageRank-Suchtechnologie statt", meint die Analystin. Interessant für Microsoft könne außerdem auch Yahoos Mobilportal "Go" sein, das sich an Microsofts Windows Mobile-Betriebssystem anpassen lasse, dem bislang ein gutes Interface fehle.

Lawrence Ricci, ein auf Embedded-Systeme spezialisierter Industrieberater, glaubt, dass Yahoo-Töchter wie Flickr auch deshalb attraktiv für Microsoft sind, weil sie sich eng mit Hardware wie digitalen Kameras verzahnen lassen, auf denen dann wiederum Microsofts Betriebssystem laufen kann. "Ich vermute, dass der Deal zum Teil dadurch motiviert wurde, dass Geräte mit Microsoft-Software über diese Dienste zum Leben erweckt werden könnten."

Rob Koplowitz, Kollege von Li bei Forrester Research, glaubt außerdem daran, dass Yahoos Technologie Microsofts Office-Büropaket helfen könnte, konkurrenzfähig zu bleiben. Web-basierte Produktivitätslösungen wie Google Docs oder IBM Lotus Symphony erobern langsam Marktanteile – auch weil sie kostenlos oder zumindest extrem günstig sind. Auf der letzten "Lotusphere"-Konferenz in Florida ließ IBM-Manager Michael Rhodin, der die Lotus-Abteilung leitet, die Zuhörer wissen, dass sich die Softwareentwicklung des Konzerns künftig verändere, damit man im Wettbewerb bestehen könne. "Wir werden unsere Dienste sehr aggressiv bepreisen." Für kleine Firmen geeignete Lösungen wie Symphony seien auch deshalb da, damit die Leute nicht mehr 400 Dollar pro Benutzer für eine Textverarbeitung ausgeben müssten.

Obwohl die aufstrebende Online-Konkurrenz Microsoft bislang noch kaum signifikante Marktanteile abnehmen konnte, versucht der Konzern doch, seine lukrative Office-Produktlinie zu schützen. "Wie ernst sie ihre Wettbewerber nehmen, gehört zu den großen Stärken von Microsoft", sagt Koplowitz. Der Konzern begann dementsprechend bereits vor dem Yahoo-Deal, Office um Online-Komponenten zu ergänzen – als Kombination aus der gewohnten Desktop-Anwendung mit den Vorteilen des Internet. Yahoos Entwickler hätten viel Erfahrung bei Web-basierten Diensten und wüssten, wie man effiziente Datacenter aufbaut. "Wenn es wirklich zu einem Modell kommt, bei dem mehr und mehr Software über das Internet ausgeliefert wird, gehen die Margen herunter. Die Fähigkeit, solche Angebote auf jedem Niveau so effizient wie möglich zu gestalten, wird dann zu einem Unterscheidungsmerkmal."

Li glaubt nicht daran, dass die Übernahmeschlacht vor Ende des Jahres abgeschlossen sein wird – selbst wenn Yahoo sich mit Microsoft einigt. Den Anfang bei der Integration dürften aber wahrscheinlich die Bereiche Web-Suche und Werbung machen, bis dann anschließend die Instant Messaging-Dienste und die Nachrichtenportale kombiniert werden. Sind dann die ersten Probleme des neuen Paares bewältigt, könnte sich Microsoft um Dienste wie del.icio.us und Flickr kümmern. (bsc)