Durststrecke: Intel-Chef gibt tiefgreifende Probleme zu

Intel erwägt tiefgreifende Maßnahmen, um Investoren zufriedenzustellen – auch in Magdeburg. CEO Pat Gelsinger selbst gibt tiefgreifende Probleme zu.

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Wafer mit Meteor-Lake-Dies

Ein Wafer mit Meteor-Lake-Chiplets, die Intel Foundry noch selbst herstellt.

(Bild: c't)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Es waren einige schwere Wochen", gibt Intels Chef Pat Gelsinger auf einer Investorenkonferenz der Deutschen Bank zu. Er ist in Erklärungsnot, weil seine angestrebte Ausrichtung aktuell viele Milliarden US-Dollar verschlingt und Intel in den roten Zahlen steckt. Selbst 15.000 gestrichene Stellen reichen den Investoren nicht als Sparmaßnahme – die Aktie sank nach Bekanntgabe weiter.

Intel ist offenbar bereit für Zugeständnisse, darunter angeblich auch Verzögerungen bei geplanten Halbleiterwerken, den sogenannten Fabs. Davon könnte auch das gut 30 Milliarden Euro teure Werk in Magdeburg betroffen sein, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters.

Gelsinger will Intel bis 2030 zum weltweit zweitgrößten Chipauftragsfertiger machen, nach dem Weltmarktführer TSMC. Ein großes Unterfangen, denn bisher produziert Intel für externe Kunden so gut wie keine Chips. Um das zu ändern, wird die Fertigungssparte Intel Foundry eigenständig.

Bisher sind die internen Prozesse allerdings nicht auf externe Kunden ausgelegt. Voraussichtlich erst mit der Fertigungsgeneration Intel 18A kann die Firma mehr externe Auftraggeber anlocken. Dafür soll es die für die Chipfertigung notwendigen Design-Tools (Electronic Design Automation, EDA) und lizenzierbaren Chipkomponenten (IP-Blöcke) von Branchenriesen wie Synopsis und Cadence geben.

"Wir haben unterschätzt, ich habe unterschätzt, dass neben der Herstellung guter Wafer auch die EDA und das IP-Ökosystem, das in Gang gesetzt werden muss, um die Designs in die Foundry zu bringen, viel Arbeit machen", führt Gelsinger aus (Audio-Aufnahme bei Intel, Transkript bei Seeking Alpha).

Das größte Problem bis dahin: Intel kann seine eigenen (und sehr teuren) Fabs nicht auslasten, weil auch immer mehr Chips für Intel-Prozessoren bei TSMC vom Band laufen. Hinzu kommen die Milliardeninvestitionen für den Bau neuer Werke, die Intel bis 2030 als notwendig betrachtet. Im letzten Quartal machte die Intel Foundry deswegen einen Betriebsverlust von 2,8 Milliarden US-Dollar.

Gelsinger versucht, die Investoren zu beruhigen. Erneut betont er, dass es rund ein Dutzend Kunden für 18A gebe. Warum bisher keinerlei Namen fallen? Die Firmen wollten derzeit ihre guten Beziehungen zu TSMC nicht gefährden, heißt es.

Die Einblicke in den aktuellen Stand sind ungewöhnlich. Normalerweise behalten Chipfertiger etwa die Ausbeute-Raten (Yield) ihrer Fertigungsprozesse unter Verschluss. Jetzt sagt Gelsinger zur Beruhigung: 18A hat eine Fehlerrate von weniger als 0,4 Defekten pro Quadratzentimeter – ein laut eigenen Aussagen sehr guter Wert für einen Prozess, der erst gut ein Jahr später in die Serienproduktion gehen soll.

Einen hypothetischen 50-mm²-Baustein könnte Intel demnach schon heute mit einer Ausbeute von gut 82 Prozent voll funktionstüchtiger Chips herstellen. In dieser Größenordnung spielen die Compute-Chiplets heutiger Multi-Chip-Prozessoren. Intel nennt solche Chiplets selbst Tiles – jenes der mobilen Core Ultra 100 (Meteor Lake) misst circa 40 mm².

Jedes Rechteck steht für einen 5 mm × 10 mm großen Chip. Alle grünen sind statistisch betrachtet bei einer Fehlerrate von 0,4 Defekten pro cm² voll funktionstüchtig. Intel könnte so bereits reichlich Chips produzieren.

(Bild: Wafer-Rechner MooreElite, Screenshot heise online)

Aktuell bearbeitet Intel nach eigenen Angaben acht sogenannte Produkt-Tape-ins. Das heißt, Kunden haben ihre Designs an die Intel Foundry geschickt, die jetzt passende Belichtungsmasken und daraufhin erste Testchips herstellt. Entsprechende Produkte sind ab 2026 zu erwarten. Ab 2027 soll die Intel Foundry rentabel sein, also Nettogewinne abwerfen.

Die eigenen Prozessoren Panther Lake (Desktop, Mobile) und Clearwater Forest (Server) sind schon einen Schritt weiter. Erste Prototypen laufen in den Laboren.

Gelsinger macht den Investoren derweil Zugeständnisse: "[…] Die Margen sind inakzeptabel. Und intern konzentrieren wir uns sehr darauf, dass wir sehr schnell wieder in die 4er und dann wieder in die 5er kommen müssen. Und natürlich müssen manche unserer Produktlinien in den 6er-Bereich kommen."

Gemeint ist die Bruttomarge, die aktuell bei 35,4 Prozent hängt und langfristig wieder auf mehr als 50 Prozent steigen soll. Die hohe Profitabilität machte Intel einst für Anleger besonders attraktiv.

Reuters und BNN Bloomberg berichten übereinstimmend über ein Treffen des Intel-Vorstands (Board of Directors) im Laufe dieses Monats, in dem das Board verschiedene Optionen diskutieren will. Naheliegend wären demnach weitere Abspaltungen, etwa des FPGA-Herstellers Altera. Der befand sich zuletzt operativ im Minus, viel Geld dürfte ein Verkauf also nicht mehr einbringen. Als möglicher Käufer steht Marvell im Raum.

Auch weitere Partnerschaften bei den Halbleiterwerken wären denkbar. Zwei Präzedenzfälle dafür gibt es bereits: Der kanadische Vermögensverwalter Brookfield Asset Management stemmt fast die Hälfte der 30 Milliarden US-Dollar teuren Arizona-Werke. Im Gegenzug winkt eine Umsatzbeteiligung. Der Vermögensverwalter Apollo steigt laut Ankündigung derweil für einen 49-Prozent-Anteil beim 11 Milliarden US-Dollar teuren Ausbau des irischen Standorts ein.

In letzter Konsequenz soll eine Abspaltung der Intel Foundry nicht komplett undenkbar sein. Sie wäre allerdings ein Gesichtsverlust für Gelsinger, der alles auf das Projekt setzt, und käme einem Misstrauensvotum gleich. Aktuell soll sich Intel vor aggressiven Investoren schützen.

Es tun sich derweil immer mehr Parallelen zu AMD in den späten 2000er-Jahren auf: 2007 und 2008 machte die Firma jeweils mehr als drei Milliarden US-Dollar Verlust (inflationsbereinigt 4,5-5 Milliarden). 2009 folgte schließlich die Abspaltung der Chipfertigung als Globalfoundries.

(mma)