Wie realistisch ist eine Intel-Übernahme durch Qualcomm?
Qualcomm will angeblich Intel kaufen. Sonderlich realistisch ist das nicht – es gibt aber Argumente, die dafür sprechen.
Intel ist aufgrund seiner Durststrecke angreifbar: Der Konzern ist an der Börse keine 100 Milliarden US-Dollar mehr wert – ein tiefer Fall seit dem Jahr 2000. Damals gipfelte Intel bei gut 500 Milliarden Dollar; inflationsbereinigt wären das heute mehr als 900 Milliarden Dollar.
US-Medien handeln Qualcomm als potenziellen Intel-Käufer. Qualcomm könnte sich damit so einiges an Design-Expertise und neue Geschäftsfelder einverleiben: Bei Servern und Desktop-PCs hat die Firma bisher keinerlei Angebot. Intels integrierte Grafikprozessoren (IGPs) für Notebook-Prozessoren wären zudem ein erhebliches Upgrade gegenüber der Adreno-Grafikeinheit in den Snapdragon-X-CPUs. Die aktuelle Adreno ist deutlich schwächer als die GPUs der AMD Ryzen und Intel Core Ultra.
Mit dem Kerngeschäft von Qualcomm, den Prozessoren und Modems für Smartphones, gibt es im Intel-Produktangebot kaum Überschneidungen.
Qualcomm ist aber auch relativ stark im Geschäft mit Chips für Autos (Automotive). Allerdings geht es da bisher vor allem um Infotainment. Da wäre die israelische Firma Mobileye, an der Intel die Mehrheit hält, eine Ergänzung: Sie liefert Chips für Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und automatisiertes Fahren.
Schwer zu finanzieren
Selbst wenn man den Spekulationen Glauben schenkt, bleiben viele Fragen offen, vor allem zur Finanzierung. Qualcomms Marktkapitalisierung ist mit 185 Milliarden US-Dollar nicht einmal doppelt so hoch wie die von Intel. Eine Übernahme wäre daher ein riesiger Brocken. In den letzten vier Quartalen hat Qualcomm einen operativen Cashflow von insgesamt 23 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet – mit Ausreißern zwischen 3 Milliarden und 9,6 Milliarden Dollar pro Quartal.
Davon gehen regelmäßige Zahlungen runter, etwa Dividenden, Aktienrückkäufe, Kreditzahlungen und Steuerrückstellungen. Erschwerend: Intel macht momentan pro Quartal Minus – die Schulden summieren sich also weiter auf. Will Qualcomm Intel übernehmen, winken auf viele Jahre Kreditschulden.
Lesen Sie auch
Intel hängt in den tiefroten Zahlen
Annähernd realistisch wäre eine Intel-Übernahme durch Qualcomm daher nur, wenn Intel vorher zerschlagen würde. Eine Trennlinie liegt auf der Hand: Der Bereich der Chipentwicklung und der Bereich der Chip-Produktion, der ohnehin bereits als Foundry, also als Auftragsfertiger wirtschaftet. Für Qualcomm wäre die Fertigungssparte Neuland und ein hohes Risiko. Denn Qualcomm ist eine klassische Fabless-Chipfirma, die ihre Entwürfe etwa von TSMC oder auch Samsung produzieren lässt.
Die Chipauftragsfertiger TSMC, Samsung oder Globalfoundries wären potenzielle Kandidaten für den Kauf der Intel Foundry. Samsung und Globalfoundries würden sich so Fertigungs-Know-how zukaufen; Weltmarktführer TSMC hätte auf einen Schlag günstig viel mehr Fertigungskapazität. Bisher gibt es aber keinerlei Anzeichen für so eine Übernahme.
Patentkonflikt mit AMD
The Register macht zudem auf potenzielle Patentprobleme aufmerksam. Im Jahr 2009 haben Intel und AMD ihr Lizenzabkommen aktualisiert, das Intel die Nutzung der 64-Bit-Erweiterung x86-64 erlaubt, aber ausdrücklich eine Lizenzweitergabe ausschließen soll. Übernimmt eine Firma Intel, müsste diese ein neues Abkommen mit AMD aushandeln. Ansonsten dürften keinerlei Intel-Prozessoren mehr verkauft werden.
Das wäre notwendig, um die ganzen Intel-Angestellten zu finanzieren. Lässt Qualcomm die Ingenieure ARM-Prozessoren entwerfen, fällt eine riesige Umsatzquelle weg. Selbst bei mittelfristigen Massenentlassungen wäre das ein wirtschaftlicher Schuss in den eigenen Fuß. Da wäre es realistischer, Personal abzuwerben, statt eine ganze Firma zu übernehmen.
Zu guter Letzt müssten weltweite Kartellbehörden ihre Zustimmung geben. Da Intel einer von nur noch zwei x86-Prozessorherstellern ist, dürften die Länder genau hinschauen. Im Falle von Nvidia und ARM vereitelten sie bereits eine Übernahme.
Nicht zu vernachlässigen sind auch mediale Strohfeuer zur Kursmanipulation. Quellen können Gerüchte streuen, um für kurzfristige Kursschwankungen zu sorgen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Preisvergleich (heise Preisvergleich) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (heise Preisvergleich) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
(mma)