Was von Asteroiden-Proben von Sonden wie Osiris-Rex zu erwarten ist

Proben vom Asteroiden liefern Lebensbausteine und Seltene Erden. Geowissenschaftler Frank E. Brenker von der Uni Frankfurt erklärt im Interview, was das heißt.

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Asteroid Bennu

Asteroid Bennu.

(Bild: NASA Goddard Space Flight Center)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christian Rauch

Am 24. September sollen Bodenproben auf der Erde landen, die die NASA-Sonde OSIRIS-REx auf dem Asteroiden Bennu entnommen hatte. Prof. Frank E. Brenker vom Schwiete CosmoLab des Instituts für Geowissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main ist einer der Forscher, die diese Proben untersuchen werden. Im Interview mit MIT Technology Review spricht er über die aktuellen Erkenntnisse.

Prof. Brenker, die Proben, die Sie bald erhalten, wurden am Asteroiden Bennu vor fast drei Jahren gesammelt. Erinnern Sie sich noch an die spektakulären Bilder?

Ja, natürlich! Alles war automatisch gesteuert, ein direkter Eingriff von der Erde aus nicht möglich. Da war es beruhigend, dass Stunden später die empfangenen Daten eine erfolgreiche Entnahme bestätigten. Doch später erfuhren wir, dass die Operation auf Messers Schneide gestanden hatte. Denn OSIRIS-Rex berührte die Asteroidenoberfläche an einer unerwartet weichen Stelle, sank 70 Zentimeter tief ein – was keinesfalls geplant war. Durch die Triebwerke konnte sich die Sonde wieder erfolgreich abstoßen. Das war rückwirkend ein echt kritischer Moment, der hätte schiefgehen können. Immerhin konnten, soweit wir wissen, rund 250 Gramm Proben gesammelt werden. Das ist deutlich mehr als erhofft und mehr als genug für alle geplanten Untersuchungen.

Wann werden Sie ihre Bodenproben bekommen?

Bis zum 18. Oktober wird die NASA die ersten Proben katalogisiert haben. Die gröberen Materialien werden zunächst zurückgehalten. Von den feinkörnigen Materialien gehen jeweils 100 Milligramm an acht Forschungsteams weltweit. In Kontinentaleuropa erhalten wir zusammen mit französischen Kollegen eine solche Probe. Wir wissen noch nicht genau, ob wir die Probe schicken lassen oder ob sie jemand von uns persönlich in Houston abholt. Wahrscheinlich letzteres, denn wir wollen bereits ab dem 24. Oktober mit den ersten Untersuchungen beginnen.

Welche Analyseverfahren werden Sie vor allem einsetzen?

Zum einen werden wir Synchrotronstrahlung nutzen. Das ist besonders intensive Röntgenstrahlung, die hierzulande am Teilchenbeschleuniger DESY in Hamburg erzeugt wird. Damit durchleuchten wir das Material und können bis auf die Größe von Molekülen, also im Nanometerbereich, auflösen. Das erlaubt eine sehr präzise Bestimmung der in der Probe enthaltenen chemischen Elemente.

Darüber hinaus stellen wir bei uns in Frankfurt gerade das neue Schwiete CosmoLab für Transmissionselektronenmikroskopie fertig. Wir werden es Anfang Oktober einweihen. Damit blicken wir noch tiefer in die atomaren Strukturen des Asteroidenmaterials.

Sie durften bereits mit Proben des Asteroiden Ryugu arbeiten, die die japanische Sonde Hayabusa 2 im Dezember 2020 zur Erde gebracht hatte. Was erwarten Sie von den Bennu-Proben?

Ryugu ist ein CI-Chondrit. Er ist reich an kohlenstoffhaltigen Verbindungen und Wasser und bildet die im frühen Sonnensystem enthaltenen chemischen Elemente sehr gut ab. Ursprüngliche Minerale wie Silikate und Oxide gingen durch Umwandlungsprozesse mit dem Wasser aber fast vollständig verloren. Bennu ist wahrscheinlich ein CM-Chondrit. Im Prinzip ähnlich, doch mit deutlich weniger Wasser. Die ursprünglichen Mineralien wären also noch gut erhalten, und voraussichtlich auch die Kohlenwasserstoffe weniger verändert.

Kohlenstoff und Wasser. Das klingt nach Bausteinen für Leben.

Richtig. Asteroiden wie Ryugu und Bennu sind ursprünglich im äußeren Sonnensystem entstanden und waren gefroren: mit Wasser-, Methan- und Ammoniumeis, letzteres Kohlenwasserstoffe. Später, als Jupiter seine Umlaufbahn veränderte, wurden sie in das innere Sonnensystem geschleudert. Dort tauten die Kohlenwasserstoffe auf und bildeten organische Verbindungen, Grundbausteine des Lebens. Viele Asteroiden, die Ryugu und Bennu ähnlich sind, gerieten in die Nähe der Erde, schlugen dort ein und brachten die Lebensbausteine mit.

Wissen wir sicher, dass unser Leben einst mithilfe von Asteroidenmaterial entstand?

Wir konnten bereits vor den Missionen zu Ryugu und Bennu Asteroidenmaterial untersuchen, nämlich jenes, das in Form von Meteoriten auf die Erdoberfläche herabfiel. Bei diesen Gesteinen können wir aber nie sicher sein, wie der Eintritt in die Erdatmosphäre und der Kontakt zur Erdoberfläche ihre Lebensbausteine, zum Beispiel Aminosäuren, verändert haben. Bei den Proben aus dem Weltraum sehen wir, in welcher Form organische Verbindungen ursprünglich in den Asteroiden enthalten sind. Passen die zum Leben auf der Erde, ist klar, dass die Himmelskörper zur Entstehung irdischen Lebens beigetragen haben. Die junge Erde war so heiß, dass sie viel Wasser und organisches Material verlor. Die Theorie, dass die Erde diese lebensnotwendigen Stoffe von Asteroiden zurückerhielt, ist bisher sehr plausibel.

Welche Materialien in der Probe könnten sich noch als interessant herausstellen?

Schon bei Ryugu haben wir kleine Adern im Gestein entdeckt, die Minerale wie Eisenoxide und Phosphate enthalten. Das sind die Träger für Metalle und Seltene Erden, die in vielen wichtigen Technologieprodukten wie Windkraftanlagen, Elektromotoren, Akkus und Leuchtelementen zum Einsatz kommen. Bei Bennu erwarte ich sogar eine höhere lokale Konzentration Seltener Erden. Denn hier zeigen schon die Aufnahmen von der Oberfläche des Asteroiden massive Adern von Karbonaten, die wichtige Träger dieser chemischen Elemente sind.

Glauben Sie, dass irgendwann Rohstoffe auf Asteroiden abgebaut werden?

Wenn eine Weltraumindustrie und -wirtschaft entstehen sollte, ergibt es eventuell Sinn, wichtige Rohstoffe, von Wasser bis zu Seltenen Erden, auch im All zu gewinnen. Ob es sinnvoll ist, Rohstoffe zur Erde zu transportieren, wird man durchrechnen müssen. Für beide möglichen Fälle werden unsere und weitere Untersuchungen von Asteroidenmaterial wichtige Grundlagenkenntnisse liefern.

Nach dem Abwurf der Probenkapsel fliegt OSIRIS-REx weiter zum Asteroiden Apophis. Der gilt als potenziell gefährlich.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser erdnahe Asteroid in absehbarer Zeit auf der Erde einschlägt, ist während der Berechnungen der letzten 20 Jahre deutlich reduziert worden. Bei den nächsten Annäherungen gilt eine Kollision als nahezu ausgeschlossen. Doch noch können wir die Entwicklung seiner Flugbahn nicht mit letzter Gewissheit voraussagen. OSIRIS-REx soll Apophis im Jahr 2029 erreichen und dann über längere Zeit erforschen.

Kann uns Bennu gefährlich werden?

Frühestens in gut 100 Jahren. Die Untersuchungen der Proben werden in jedem Fall dazu beitragen, Masse und Dichte des Asteroiden noch präziser zu bestimmen und damit seine Flugbahn noch genauer vorauszuberechnen. Die Erkenntnisse können wir auch auf andere Asteroiden ähnlichen Typs übertragen, die eines Tages plötzlich entdeckt und der Erde vielleicht gefährlich werden.

(bsc)