Ist Alter eine Krankheit?

Viele Forscher ­suchen nach Wirkstoffen, die die Folgen des Alters kurieren. Ihr Ziel ist allerdings nicht mehr wie früher ein ­möglichst langes Leben, sondern ein möglichst gesundes Altwerden.

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(Bild: Shutterstock)

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Die schwarze Maus auf dem Bildschirm liegt im Sterben. Ihre Organe versagen. Sie hat Progerie, eine Krankheit, die das Altern durch eine Genmutation beschleunigt. Dann zeigt Juan Carlos Izpisúa Belmonte, ein spanischer Wissenschaftler am Salk-Institut für biologische Studien in San Diego, etwas, das schwer zu glauben ist: dieselbe Maus, lebendig und aktiv. Er hat sie mit einem Elixier behandelt, das den Alterungsprozess umkehrt. "Sie verjüngt sich vollständig", sagt Izpisúa Belmonte. "Wenn man sie untersucht, sind alle Organe, alle Zellen jünger." Die Maus, so scheint es, hat aus einem Jungbrunnen getrunken, der die Zeit zurückdreht.

Izpisúa Belmonte hat sogenannte epigenetische Markierungen der Mauszellen zurückgesetzt: Chemische Schalter in einer Zelle, die bestimmen, welche Gene an- und welche ausgeschaltet sind. Werden diese Marker gelöscht, weiß eine Zelle nicht mehr, ob sie eine Haut- oder eine Knochenzelle ist und kehrt zu einem viel primitiveren, embryonalen Zustand zurück. Mit zunehmendem Alter kommen mehr dieser Schalter hinzu, als Folge funktionieren die Zellen immer weniger effizient. Einige Wissenschaftler, darunter auch Izpisúa Belmonte, glauben, dass sie Teil des Alterungsprozesses sind. Wäre das so, könnte das Löschen dieser epigenetischen Veränderungen das Altern selbst umkehren.

Die Hoffnung auf einen Jungbrunnen, wie Izpisúa Belmontes, ist so alt wie die Menschheit, aber das Geschäft mit dem Alter hat inzwischen einen Beigeschmack: Gift für die Glaubwürdigkeit der Anti-Aging-Forschung war 2008 die mediale Welle um David Sinclair von der Harvard Medical School in Boston mit seinem Unternehmen Sirtris. Mit plakativen Aussagen über Resveratrol, den roten Farbstoff aus Wein, schürte er die Hoffnungen auf eine simple Lösung für ein längeres Leben.

Die Forschung hat sich jedoch von solchen Rückschlägen nicht beirren lassen und nähert sich dem Jungbrunnen aus verschiedenen Richtungen. Die Zeit, erneut ernsthaft über Verjüngung zu sprechen, scheint reif. Kürzlich titelte der New Scientist: "A Cure for Aging – eine Heilung für das Altern", der "Spiegel" nahm sich im letzten Jahr des "Jungbrunnens aus dem Labor" an.

Die Forschungsförderung nimmt das Alter ebenfalls ernst. Die Europäische Union fördert unter dem Forschungsprogramm "Horizon 2020" das umfangreiche Projekt "Ageing with elegans", in dem Wissenschaftler die Regenerationsfähigkeit des Fadenwurms C. elegans als Modell für Alterungsprozesse studieren. Und in den USA hat sich eine Förderkultur für alters­assoziierte Krankheiten gebildet, allen voran LEAF. Die "Life Extension Advocacy Foundation" – auf Deutsch etwa: Stiftung zur Förderung der Lebensverlängerung – bringt systematisch Investoren und Biotech-Start-ups zusammen, die sich mit ­altersbedingten Erkrankungen befassen.

Von dem Versprechen, das Leben auf 150 Jahre verlängern zu können, sind die Forscher mittlerweile abgerückt. Inzwischen ist das Ziel, das gleiche Alter gesünder, fitter, selbstbestimmter zu erreichen. Dass es dann vielleicht auch automatisch länger wird, ist ein gern gesehener Nebeneffekt.

(rot)