Jagd nach Ersatzteilen und verschollenen Akten: Das Videospielmuseum Hi-Score
Im Interview berichtet Regine Silbermann, wie das "Hi-Score"-Museum alte Spiele restauriert – und warum eine verschwundene Akte zum Problem wurde.

(Bild: heise online / missi)
Wer das Videospielmuseum Hi-Score in Hannover betritt, fĂĽhlt sich wie auf einer Zeitreise. Hinter uralten Konsolen der Siebziger reihen sich Automaten-Oldies aus den Achtzigern wie "Defender" oder "Pac-Man" aneinander. Am anderen Ende der Ausstellung flackern aktuelle Multiplayer- und Rhythmusspiele unter der hohen Decke. Alles im Original, versteht sich, denn das Team legt Wert auf Restaurierung und authentisches Nacherleben der Epochen, statt mit Emulation zu arbeiten.
In der neuen großen Halle in der Anna-Zammert-Straße 28 hat all das mehr Platz. Sie liegt mitten im Gewerbegebiet, umgeben von Bau- und Supermärkten. Nach einem Umzug und der Überwindung behördlicher Hürden hat die Dauerausstellung hier eine neue Heimat gefunden, nachdem sie im Juli 2024 aus dem ehemaligen Kaufhof-Gebäude in der Osterstraße 13 ausziehen musste. Sonnabends und sonntags sind auf über 1000 Quadratmetern hunderte Exponate von 1972 bis heute zu bestaunen, darunter Konsolen, Heimcomputer und Arcade-Automaten.
Die meisten der ausgestellten Geräte können selbst ausprobiert werden: Nach dem Eintritt sind dafür keine Münzen oder Tokens nötig. Zusätzlich gibt es immer wieder Sonderöffnungszeiten, etwa in den Osterferien oder an Feiertagen. Auch Events und E-Sport-Turniere finden in der Location statt. Im Interview spricht Organisatorin Regine Silbermann über die neu gegliederte Ausstellung, wie man die selten gewordene Hardware instand hält und von ihrer Jagd nach der verlorenen Bauakte.
(Bild: heise online / jpw)
heise online: Kommen eure Besucher hauptsächlich aus der Region oder eher von außerhalb?
Regine Silbermann: Mittlerweile sehen wir auf dem Parkplatz viele Autokennzeichen von überall her, zum Beispiel aus München, Frankfurt, Berlin und sogar aus Österreich, Tschechien oder den Niederlanden. Es hat sich herumgesprochen und wir sind auch sehr stolz auf das tolle Feedback unserer Besucher. Viele erwarten nicht, dass es so groß und ist und sich die Geräte in einem so guten Zustand befinden. Uns ist dabei wichtig, dass sie so dastehen, wie sie mal gedacht waren.
Was restauriert werden muss, wird gemacht, aber das ist dann zum Beispiel nur der Umbau eines SCART-Anschlusses. Weil wir sehr darauf achten, dass es die Originalplatinen und die Originalröhrenfernseher sind, die höchstens mal gegen eine andere Röhren-Marke ausgetauscht werden. Viele Arcades in den USA haben inzwischen auf moderne TVs umgestellt, aber das ändert ja das komplette Feeling der Achtziger- und Neunzigerjahre.
Macht ihr nach wie vor nur wenig Werbung, um nicht zu viele Besucher anzulocken?
Samstags sind die Slots von 14 bis 18 Uhr und von 18 bis 22 Uhr immer proppenvoll. Wir mussten noch niemanden abweisen, waren aber schon kurz davor. Deswegen sollte man am besten vorher reservieren. Sonntag ist also der bessere Tag fĂĽr Spontanbesucher. Oder Samstag von zehn bis 14 Uhr, da kommen eher die FrĂĽhaufsteher-Familien. Die Besucherrekorde vom alten Standort haben wir jedenfalls geschlagen.
Was würdet ihr früheren Besuchern der neuen Ausstellung empfehlen? Habt ihr sie neu gegliedert und euch bei der Zahl der Exponate vergrößert?
Im Prinzip haben wir uns verdoppelt. Bisherige Exponate haben jetzt den Platz, den sie verdienen. Und es ist viel hinzugekommen, sodass wir endlich alles schön chronologisch gliedern können, ohne die gedrängte Schlauchform der alten Räume. Wir haben jetzt über 1000 Quadratmeter zur Verfügung. Man startet in den Siebzigerjahren, schaut sich dort die Anfänge der Konsolengeschichte und der Arcade-Automaten an.
Im nächsten Jahrzehnt folgt das neue Achtziger-Wohnzimmer und viele neue Automaten. Wenige noch fehlende Konsolen und Handhelds haben wir auch noch besorgt. Wir überlegen immer, wie kann man es noch besser machen, aber man findet kaum noch etwas. Bei einer großen Auktion in Holland haben wir letzte Woche nochmal acht Automaten ersteigert, unter anderem "Dragon’s Lair". Aber ich denke, wir haben jetzt alle Meilensteine. Man kann sich komplett über 50 Jahre Videospielgeschichte informieren und sie selbst erleben.
Videospielmuseum Hi-Score - Galerie 1 (10 Bilder)

heise online / missi
)Auf welche Aspekte legt ihr bei euren Neuanschaffungen denn besonderen Wert?
Impact. Es geht nicht nur um alte Lieblingsspiele, sondern um Titel wie "Q-Bert". Der ist trotz seiner veralteten Hüpftechnik einfach eine ikonische Figur und hat hier kulturell bisher gefehlt. Oder "Dragon’s Lair": Nicht das aufregendste Spiel, aber diese tolle Grafik, diese Laserdisc-Technik macht es einfach zu einem Meilenstein der Videospielgeschichte! Sauteuer, aber es musste sein.
Wenn man mal Gäste nach weiteren Wunschtiteln fragt, sagen sie oft: „Ihr hattet ja "Donkey Kong", "Pac-Man", "Centipede" und so weiter, ich wüsste es jetzt nicht. Doch, warte mal, es gab da doch dieses eine Spiel, wie hieß das nochmal?“ Das inspiriert uns. Dann können wir nachschauen, ob es das noch irgendwo gibt, in welchem Zustand und ob man es vielleicht restaurieren kann. Und dann gehen wir wieder auf die Jagd.
Wie können Besucher euch unterstützen oder eventuell eine Anschaffung beeinflussen?
Wenn jemand von einer Sache begeistert ist, hört man automatisch zu. Dann sind auch wir begeistert und informieren uns über Texte, Highscores oder alte Videos. Das passiert sehr oft. Zum Beispiel bei „Moon Patrol“, da wären wir nie drauf gekommen. Wir dachten, die C64-Version reiche aus. Doch ein Gast erzählte uns, wie viel besser die Arcade-Version ist, die er früher immer in der Kneipe gespielt hat. Wir kriegen immer wieder Anrufe von Leuten, nicht nur aus der Region, sondern oft auch aus Süddeutschland, die zum Beispiel sagen: „Bei uns steht noch ein „Space Invaders“, wollt ihr den haben?“