KI-Hilfe für autistische Kinder

Autismus lässt sich nicht heilen, aber mit intensiver Betreuung können Betroffene ihre sozialen Fähigkeiten verbessern. Diese könnten bald auch Roboter leisten.

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KI-Hilfe für autistische Kinder

(Bild: National Science Foundation)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Karen Hao
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Ungefähr eines von 160 Kindern weltweit wird als dem autistischen Spektrum zugehörig angesehen; in den USA ist diese Quote fast dreimal so hoch, was an Unterschieden bei Diagnose und Meldungen liegen dürfte. Die Entwicklungsstörung geht oft mit sozialen, emotionalen und kommunikativen Problemen einher. Heilen lässt sie sich nicht. Aber mit frühen Interventionen wie Sprach- und Verhaltenstherapie ist es möglich, die Entwicklung betroffener Kinder positiv zu beeinflussen.

Allerdings können solche Interventionen durch menschliche Betreuer teuer und zeitaufwendig sein – für viele Kinder im Autismus-Spektrum werden 20 Stunden Therapie pro Woche empfohlen. Technische Interventionen, die für alle Patienten passend sein sollen, lassen sich wiederum kaum entwickeln, denn Symptome und Verhaltensmuster sind bei den Betroffenen sehr unterschiedlich.

Glücklicherweise haben Fortschritte bei sozialen Hilfsrobotern in den vergangenen Jahren hier neue Möglichkeiten eröffnet, die autistischen Patienten bezahlbare und persönliche Betreuung bringen könnten. Theoretisch könnten Roboter zuhause menschliche Therapeuten ergänzen, indem sie stärkere repetitive Trainingsaktivitäten übernehmen. Mittels KI ließe sich diese Erfahrung stärker individualisieren.

In diese Richtung zielt eine Ende Februar in Science Robotics veröffentlichte Studie von Maja J. Mataric und Kollegen an der University of Southern California. Die Forscher entwickelten ein Maschinenlern-Modell, das Audio- und Video-Daten zum Beispiel aus Dialogen und Augenkontakten von autistischen Kindern bei Interaktionen mit einem Roboter auswertet; auf dieser Grundlage soll es erkennen, ob die Patienten bei bestimmten Aktivitäten motiviert sind.

Falls nicht, soll der Roboter versuchen, sie wieder aufmerksam zu machen, sodass sie ihre Aufmerksamkeit längere Zeit therapeutischen Übungen widmen. Bei Tests konnte das System die Motivation von Kindern zu 90 Prozent korrekt beurteilen, obwohl die Daten verrauscht und bei den Teilnehmern höchst unterschiedlich waren.

Wichtig dabei: Grundlage der Studie waren Daten von Robotern, die einen Monat lang mit den Kindern zuhause zusammenlebten. Sie ist Teil einer mehrjährigen Forschungsinitiative mit dem Ziel, Bedeutung und Fortschritte von Roboter-Begleitern in einem realistischen Umfeld zu untersuchen. Die meisten anderen Studien dagegen befassten sich nur mit kurzen Zeiträumen in kontrollierten Labor-Umgebungen, denn der Einsatz solcher Technologien im häuslichen Umfeld erfordert umständliche Genehmigungen und Vorbereitungen.

Die Teilnehmer an der neuen Studie wurden regelmäßig gebeten, auf dem Touchscreen-Tablet ihres Heimroboters Mathematik-Spiele mit Weltraum-Bezug zu spielen. Der Roboter gab Rückmeldungen dazu und mit der Zeit wurde das Spiel mit Hilfe eines Algorithmus für Verstärkungslernen personalisiert.

Inhaltlich lag der Schwerpunkt des Spiels auf Mathematik, doch sein Hauptzweck bestand darin, den Kindern bei den Interaktionen mit dem Roboter grundlegende soziale Fähigkeiten beizubringen. Beispielsweise sollten sie lernen zu erkennen, wann sie mit Sprechen an der Reihe sind und wann der Roboter, und Augenkontakt aufzunehmen. Vor und nach jeder Intervention wurden die Fähigkeiten der Kinder von Verhaltenstherapeuten beurteilt, um mögliche Verbesserungen zu dokumentieren.

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„Kinder müssen in einem sozialen Umfeld lernen“, sagt Mataric. „Aber Kinder mit Autismus bekommen nicht genügend Übung darin. Aus diesem Grund ist der Roboter wichtig.“ Viele der Kinder in der Studie lernten mit der Zeit, sich mit dem Roboter wie mit einem Freund auszutauschen, und zeigten mehr Empathie gegenüber anderen Kindern.

Viele integrierten die Maschine zudem in ihren Familienkreis und wurden auch gegenüber Eltern und Geschwistern offener, was die Annahme bestätigte, dass Roboter bestehende Beziehungen verbessern können statt sie zu ersetzen. Dies hatte sich schon in einer früheren Untersuchung gezeigt.

Das häusliche Umfeld erwies darin sich als größere Herausforderung, als die Forscher zuvor dachten. Die Teilnehmer beschädigten manchmal aus Versehen den Roboter oder verschoben die Kamera, sodass die gesammelten Daten inkonsistent und verrauscht wurden. Häufig wollten zudem die Geschwister autistischer Kinder die Spiele selbst spielen, was die Analyse noch komplexer machte.

Doch das realistische Umfeld verschaffte den Forschern zugleich ganzheitlichere Erkenntnisse darüber, wie Roboter-Begleiter effektiver werden könnten. Unter anderem zeigte sich, dass sich alle Kinder mit der Zeit weniger intensiv damit beschäftigten, was letztlich die Motivation für die jetzt veröffentlichte Studie war.

Der Roboter, dein Freund und Helfer (28 Bilder)

Können Roboter Priester ersetzen? Oder gar etwas Göttliches repräsentieren? Der Robotiker Gabriele Trovato mit zwei Prototypen, die Gläubige durch "Gesten, Dialog und Blickkontakt beim Gebet ­begleiten" sollen. Die dafür notwendige Software ist allerdings noch nicht vollständig implementiert. (Bild: Gabriele Trovato/Waseda University)

(sma)