KI untersucht, wie psychedelische Drogen im Gehirn wirken

LSD und andere Psychedelika werden zunehmend zur Behandlung psychischer Störungen eingesetzt. Maschinelles Lernen soll nun helfen, die Wirkweise zu analysieren.

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(Bild: Ms Tech / Unsplash)

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Von
  • Jessica Hamzelou
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Halluzinogen wirkende Drogen wie LSD, sogenannte Psychedelika, werden seit langem als mögliche Mittel gegen psychische Erkrankungen wie Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) angepriesen. Doch wie diese Substanzen im Gehirn wirken, ist bislang kaum bekannt. Wenn man wüsste, wie sie funktionieren, ließe sich ihr Potential besser einschätzen. Doch das ist nicht so einfach.

Um das Rätsel zu lösen, setzen erste Wissenschaftler nun auf KI. So nutzt ein Team an der McGill University in Montreal ein Sprachverarbeitungsprogramm – die Technik, mit der Sprachassistenten oder Suchmaschinen funktionieren –, um schriftliche Beschreibungen von Konsumenten über ihre Rauschzustände (Trips) zu analysieren. Die Arbeit könnte aufzeigen, wie Halluzinogene bestimmte mentale Zustände auslösen, sei es Euphorie, Angst oder das Gefühl, mit der Welt eins zu sein.

Forschungsleiter Danilo Bzdok hofft, dass sich mit Hilfe der Ergebnisse seiner Gruppe neue Medikamente zur Behandlung psychischer Störungen entwickeln ließen. "Es ist die bislang größte Studie dieser Art über Psychedelika", sagt er.

Für solche Untersuchungen gelten in der Regel klinische Studien, bei denen einigen Teilnehmern nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) ein Medikament und anderen ein Placebo verabreicht wird, als Goldstandard. Solche Studien sind jedoch langwierig und teuer und umfassen meist nur eine kleine Anzahl von Teilnehmern. "Sie dauern mehrere Jahre, kosten einen siebenstelligen Betrag – und die bioethischen Genehmigungen dauern ewig", sagt Bzdok.

Stattdessen nutzte sein Team nun das Sprachverarbeitungsprogramm, um 6.850 schriftliche Schilderungen über die Triperfahrungen nach dem Konsum halluzinogener Drogen auszuwerten. Dazu nutzte er die Eingaben von Personen, die eine von 27 Drogen – darunter Ketamin, MDMA, LSD und Psilocin – in einem typischen realen Umfeld und nicht im Rahmen eines Laborexperiments eingenommen hatte. Die Beschreibungen kamen über die Website von Erowid an die Forscher, eine Nichtregierungsorganisation, die eine Online-Datenbank mit Informationen zu psychoaktiven Substanzen unterhält.

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Bzdoks Team verknüpfte die Daten aus den Berichten mit Informationen zu den Rezeptoren im Gehirn, mit denen die jeweils eingenommene Droge bekanntermaßen interagiert. Auf diese Weise konnte das Team Verbindungen herstellen zwischen bestimmten Neurotransmitterrezeptoren und Wörtern, die die Drogenerfahrungen beschreiben. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die Erregungen von einer Nervenzelle auf eine andere übertragen. So wurden beispielsweise Wörter wie "Raum", "Universum", "Bewusstsein", "Dimension" und "Durchbruch", die mystische Erfahrungen beschreiben, mit Medikamenten assoziiert, die an die Rezeptoren der Botenstoffe Dopamin-, Serotonin- oder körpereigenen Opioide binden.

Laut Bzdok könnte die Methode neue Ansatzpunkte für die Arzneimittelentwicklung liefern. Theoretisch sollten Medikamente, die sich an diese Rezeptoren binden, ähnliche Gefühle auslösen wie psychedelische Drogen, so Bzdok, dessen Studie kürzlich in "Science Advances" veröffentlicht wurde.

Frederick Barrett, Neurowissenschaftler mit Expertise im Bereich Psychedelika an der Johns Hopkins University in Baltimore, sieht das allerdings skeptisch. "Die Leute wissen nicht immer genau, welche Droge sie nehmen", sagt er. "Unter realen Bedingungen sind die Dosen oft nicht genau kalibriert, und die Erfahrungen damit werden von weit mehr Parametern beeinflusst als sich erfassen lässt.“

Anders sieht das Dillan DiNardo, CEO von MindState Design Labs, dessen Ansatz dem von Bzdok ähnelt. Das Biotech-Unternehmen aus Pittsburgh sucht nach Medikamenten, die positive Stimmungen auslösen, und will letztendlich neue Behandlungsmethoden gegen psychische Störungen entwickeln. "Ich finde die Studie fantastisch", sagt DiNardo. Das Unternehmen wolle sich jedoch eher auf einzelne Rezeptoren als auf Rezeptorgruppen konzentrieren, sagt er.

Das Hauptproblem bleibt, dass niemand wirklich weiß, welche psychedelischen Erfahrungen sich tatsächlich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken. So deutete eine klinische Studie aus dem Jahr 2021 beispielsweise darauf hin, dass die Partydroge MDMA einigen Menschen mit schwerer PTBS helfen könnte. Das bedeutet jedoch nicht, dass Menschen, die MDMA konsumieren, davor geschützt sind, eine solche Störung zu entwickeln.

Es erscheint einleuchtend, dass Drogen, die positive Gefühle hervorrufen, Menschen helfen könnten, sich besser zu fühlen. Doch manche Menschen machen die Erfahrung, dass gerade die als negativ bewerteten Gefühle wie Angst und Trauer ihnen helfen, ihr Trauma zu verarbeiten, so Neurowissenschaftler Barrett.

Trip-Berichte zu nutzen sei wertvoll und ergänze die traditionelle Arbeit, sagt er. Aber er fügt hinzu, dass "alles, was aus dieser Analyse hervorgeht, noch in sorgfältig kontrollierten klinischen Studien oder anderen Experimenten validiert und verifiziert werden muss".

(bsc)