Katzen-Pilotstudie: Verhütungsspritze gegen unerwünschte Vermehrung

Eine Pilotstudie zeigt, wie die unerwünschte Vermehrung freilaufender Katzen künftig in Schach gehalten werden könnte. Weitere Untersuchungen sind aber nötig.

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Katze im Home Office

Katze im Home Office.

(Bild: heise online / Jürgen Kuri)

Lesezeit: 4 Min.

Katzen sind fraglos eine beliebte Spezies, doch vielerorts vermehren sie sich wahnsinnig schnell – mit oft unerwünschten Folgen. Laut Tierschutzorganisation Peta kann eine einzige Streunerkatze in sieben Jahren mehr als 370.000 Nachkommen zeugen. Eine Spritze mit manipulierten Genen könnte in Zukunft bei der Verhütung helfen und verhindern, dass eine weibliche Katze trächtig wird – und das gleich für mehrere Jahre. Das berichtet ein Team um David Pépin von der Harvard Medical School, Boston und William Swanson vom Tierschutzzentrum am Zoo und Botanischen Garten Cincinnati in Ohio im Fachblatt Nature Communications.

Die Genspritze könnte in Zukunft als preisgünstigere und weniger invasive Alternative zur gängigen Sterilisation oder Kastration von Katzen taugen, schreiben die Forschenden. Immerhin seien weltweit etwa 480 Millionen Freigänger-Katzen unterwegs. Die Streuner können, zumindest lokal, den Bestand verschiedener wildlebender Tiere deutlich dezimieren. Zudem sind viele krank oder unterernährt. Tierheime, die sich um sie kümmern, geraten oft an Kapazitätsgrenzen.

Nicht umsonst gibt es in Deutschland mancherorts eine Kastrationspflicht für männliche und weibliche Katzen. Eine zuverlässige, über Jahre wirkende hormonelle Empfängnisverhütung gibt es bisher nicht. Doch Sterilisation und Kastration sind – wie jede Operation mit Vollnarkose – mit Risiken verbunden und kosten viel Geld. Von Sterilisation sprechen Veterinäre übrigens, wenn lediglich die Samen- oder Eileiter abgebunden werden. Von Kastration ist die Rede, wenn die Hoden beziehungsweise Eierstöcke eines Tiers entfernt werden.

Im Zentrum der neuartigen Verhütungsmethode für weibliche Katzen aus den USA steht das Anti-Müller-Hormon (AMH): ein komplexes Eiweißmolekül aus mehr als 500 Aminosäuren, das die Differenzierung der Geschlechtsorgane im Mutterleib regelt – bei Katzen wie auch bei Menschen. Eine unnatürlich hohe Dosis dieses Hormons im Körper wirkt jedoch verhütend und verhindert laut Studie den Eisprung, der bei Katzen in der Regel durch die Paarung ausgelöst wird.

Für die Pilotstudie konstruierten die Forschenden ein Gen, das für die Produktion des Verhütungshormons codiert und verpackten es in Adeno-Assoziierte Viren (AAV), die das neue Erbmaterial in Körperzellen schleusen können. Neun weibliche Katzen des Tierschutzzentrums in Cinncinati dienten als Probandinnen. Drei erhielten hoch dosierte, drei niedrig dosierte Injektionen und die restlichen drei, als Kontrollgruppe dienende Katzen, gar keine Spritze.

Im Körper vervielfältigten sich die manipulierten Gene offenbar. Schon nach ein, zwei Tagen konnten die Forschenden sie im Urin und Blut der Tiere nachweisen. Nach zwei Monaten sank die Konzentration deutlich. Die Dosis Anti-Müller-Hormon schrumpfte langsamer und blieb im zweiten Jahr nach der Injektion praktisch konstant.

Zwei Jahre lang wurden die Katzen beobachtet, immer wieder medizinisch untersucht und der Status verschiedener Hormone über die Exkremente ermittelt. Außerdem hatten Tiere zweimal für je vier Monate Kontakt mit zwei Katern, mit denen sie sich auch mehrfach paarten. Doch nur die Katzen aus der Kontrollgruppe wurden anschließend tragend. Sie brachten insgesamt 21 Katzenwelpen zur Welt.

In der Humanmedizin haben Gentherapien mit AAV-Vektoren in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Behandlung von Erbkrankheiten gebracht. Das habe neue Möglichkeiten in Sachen Empfängnisverhütung bei Tieren eröffnet, schreiben die Forschenden. Ob und wann die Verhütungsspritze für weibliche Katzen in der Tierarztpraxis zum Einsatz kommt, bleibt aber abzuwarten. Zwar konnten das Team bisher keine Nebenwirkungen beobachten, doch Wirksamkeit, Wirkdauer, die optimale Dosis und mögliche unerwünschte Effekte müssten in weiteren Studien erst noch genauer geprüft werden, heißt es in der Publikation.

(bsc)