Kernel-Log: Entwicklung von Linux 3.6 läuft

Linux 3.6 wird das Userspace-Treiber-Framework VFIO mitbringen und hybrides Standby beherrschen. Der 64-Bit-ARM Code bekommt nun doch die Bezeichnung "arm64". Die verbreitete Werkzeugsammlung Util-Linux erhält eine Reihe neuer Tools.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Keine 24 Stunden nach der Freigabe von Linux 3.5 hat Linus Torvalds die ersten Änderungen für Linux 3.6 in den Hauptentwicklungszweig von Linux integriert. Mittlerweile ist der erste Release Candidate von Linux 3.6 veröffentlicht.

Unter den eingepflegten Neuerungen war wie erwartet das Userspace-Treiber-Framework VFIO, das Userspace-Programmen mit Hilfe von I/O-Virtualisierungstechniken wie AMD-Vi und Intels VT-d den direkten Zugriff auf Geräte ermöglicht. Hardware soll sich vom Userspace aus mit geringer Latenz und hohem Datendurchsatz ansprechen lassen.

Eingezogen ist auch eine "Suspend to Both" genannte Funktion, die hybrides Standby ermöglicht. Dabei wird der Speicherinhalt während des Systemschlafs sowohl im Arbeitsspeicher als auch auf einem Systemdatenträger vorgehalten. Im Normalfall wacht der Rechner sehr schnell mit Hilfe der Daten im Arbeitsspeicher aus dem Suspend-to-RAM auf; sollte jedoch die Stromversorgung zwischenzeitlich unterbrochen worden sein, spielt das System den alten Arbeitsspeicherinhalt wie beim Aufwachen aus dem Suspend-to-Disk vom Datenträger wieder ein. So findet der Anwender seine Arbeitsumgebung immer wie vor dem Systemschlaf vor, selbst wenn zwischendurch der Notebook-Akku seine letzten verwertbaren Milliwattsekunden Energie abgeliefert hat.

Am Wochenende endet das Merge Window, in dem Torvalds noch größere Neuerungen für Linux 3.6 aufnimmt; anschließend beginnt die dieser Tage meist sieben oder acht Wochen lange Stabilisierungsphase.

In den vergangenen Tagen wurden die Stable- und Longterm-Kernel Linux 3.2.24 und Linux 3.4.7 freigegeben. Erschienen ist auch der Kernel 3.0.39; in Kürze dürfte Linux 3.2.25 folgen. Diese beiden Versionen bringen eine ganze Reihe kleinerer Performance-Optimierungen, wie sie bislang bei Longterm-Kerneln unüblich waren; um solche Änderungen zu integrieren, haben die Kernel-Entwickler kürzlich extra die Regeln rund um die Aufnahme von Patches für Stable- und Longterm-Kernel angepasst.

Christoph Hellwig erwähnt einige der jüngsten Entwicklungen am XFS-Dateisystem in seinem "XFS status update for June 2012".

Der frühere Kernel-Entwickler Andre Hedrick hat sich das Leben genommen, wie unter anderem "The Register" berichtet. Hedrick hat vor zirka 10 Jahren eine ganze Weile die IDE-Treiber des Linux-Kernels betreut. Jeff Garzik, der das Libata-Subsystem entwickelt hat, auf dem die SATA- und PATA/IDE-Treiber moderner Linux-Distributionen aufbauen, hat Hedrick als "Großvater" von Libata bezeichnet, weil Hedrick ihm viel über ATA beigebracht habe; Garzik hat auch einen Nachruf an die LKML gesandt. Vor einen Jahrzehnt zählte Hedrick zu den wichtigeren Kernel-Entwicklern; er hat aber schon seit vielen Jahren nicht mehr direkt zum Linux-Kernel beigetragen.

Die Webseite klang.eudyptula.org erläutert ein Konzept für ein Klang (Kernel Level Audio Next Generation) genanntes und für Linux und FreeBSD gedachtes Audio-System, bei dem der Kernel mehr Aufgaben bei der Audioverarbeitung übernimmt. Klang soll unter anderem mit kleinstmöglichen Latenzen aufwarten. Die Software soll bereits in Entwicklung sein; ein Eintrag im News-Bereich der Website schraubt die Erwartungen jedoch etwas zurück und betont, die Website sei nur als Platzhalter gedacht und Klang noch nicht offiziell angekündigt. Hinter dem Vorhaben steckt offenbar der als "Datenwolf" bekannte Wolfgang Draxinger.

Intel hat die Version 2.20.2 seiner Treiber für den X-Server von X.org veröffentlicht; er behebt einen neun Monate alten Fehler, der zu Abstürzen des Grafikkerns HD2500 (IvyBridge-GT1-Systeme) führte.

Eine während der Entwicklung von Linux 3.5 vorgenommene Änderung am Intel-Grafiktreiber führt auf dem antiquierten Thinkpad x220i des SCSI-Subsystem-Betreuer James Bottomley zu einem erhöhten Stromverbrauch; bislang gibt es aber keine Hinweise darauf, dass das Problem auch moderne Hardware betrifft. [Update 02. August 2012, 15:30] Die von Bottomley gelieferten Informationen widersprechen sich. Offenbar handelt es sich um ein nicht allzu altes Thinkpad mit Sandy-Bridge-Prozessor, denn die Angabe, die auf ein antiquiertes Modell mit Intels 845-Chipsatz hindeutet, passt nicht zu den anderen Informationen, die Bottomley in der Diskussion zum Fehler veröffentlicht hat. [/Update].

Mit dem ersten RC der Werkzeugsammlung Util-linux 2.22 erhielten die Programme blkid, findmnt, mount, wwapon und umount Erweiterungen, um Datenträger mit Hilfe ihres Labels oder ihrer UUID zu finden. Das Programm dmesg unterstützt jetzt die in Linux 3.5 eingeflossen Änderungen an den Logging-Mechanismen und bietet so eine Follow-Funktion, um ähnlich wie bei einem "tail -f" auf neue Kernel-Meldungen zu warten und diese bei Eintreffen auszugeben. Ferner wurden die Programme eject, su, sulogin und utmpdumpa in die Werkzeugsammlung integriert, die allen Mainstream-Distributionen beiliegt.

Junio C Hamano hat den ersten RC von Git 1.7.12 veröffentlicht.

Citrix-Entwickler Stefano Stabellini hat Kernel-Patches auf der LKML zur Diskussion gestellt, die den Xen-Code von Linux um Unterstützung für die Virtualisierungserweiterungen nachrüsten, welche die ARMv7-A-Kerne Cortex-A7 und A15 bieten. Bereits Anfang des Monats hat Virtualopensystems-Entwickler Christoffer Dall die neunte Version der KVM-Unterstützung für die ARM-Virtualisierungsfunktionen zur Begutachtung an die KVM-Entwickler gesandt; ein Patch, der Grundlagen dafür legt, ist kürzlich in Linux 3.6 eingegangen.

Das Unterverzeichnis mit dem Linux-Code für die 64-Bit-ARM-Architektur soll nach den neuesten Planungen den Namen "arm64" erhalten, nachdem die ursprünglich geplante Bezeichnung Aarch64 keinen Anklang fand.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangenen Kernel-Logs auf heise open und in c't. Neue Ausgaben des Kernel-Logs werden auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog" erwähnt; die englischen, bei den Kollegen von "The H" erscheinenden Übersetzungen auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog2". Gelegentlich zwitschert der Autor des Kernel-Logs unabhängig davon über einige Kernel-Log-Themen bei Identi.ca und Twitter als "@kernellogauthor". (thl) (thl)