Kernel-Log: Llano-Unterstützung, Union-Dateisysteme

Treibercode für den Grafikchip der Llano-APUs von AMD hat es noch in Linux 3.0 geschafft – dessen Versionsnummer vielleicht doch 3.0.0 lauten muss. Derweil wird mal wieder über den besten Ansatz für Overlay- oder Union-Dateisysteme diskutiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

In der Nacht von Montag auf Dienstag hat Linus Torvalds die dritte Vorabversion von Linux 3.0 freigegeben. Mit ihr stieß Unterstützung für den Grafikkern von AMDs am Dienstag vorgestellten Llano-Prozessoren zum Kernel – die Änderungen schienen Torvalds wohl klein und ungefährlich genug, um sie auch mehr als eine Woche nach Ende des Merge Window noch in den Hauptentwicklungszweig aufzunehmen.

Nach dem Versionssprung auf 3.0 flossen zudem einige Änderungen ein, die Probleme mit zweistelligen Versionsnummern beseitigen. In einer daraufhin entstandenen Diskussion deutet Torvalds an, den nächsten Kernel vielleicht doch "3.0.0" zu nennen, wenn keine Tricks gefunden werden, damit ältere Programme mit einem "3.0" klarkommen. Schwierigkeiten mit einer zweistelligen Versionsnummer zeigen unter anderem ältere Versionen der Module-Init-Tools (Depmod und Co.), Mdadm sowie die LVM2- und Device-Mapper-Werkzeuge. Torvalds scheint aber langfristig auf Versionsnummern mit zwei Stellen wechseln zu wollen. In einer anderen Diskussion hat Torvalds erklärt, Programme sollen möglichst keine Annahmen über den Aufbau der Versionsnummer enthalten.

Rafael J. Wysocki hat kurz vor der Freigabe des RC3 neue Regression Reports veröffentlicht. Demnach zeigte der Hauptentwicklungszweig am Wochenende 7 Fehler, die Linux 2.6.39 nicht aufwies; zudem sind 18 Fehler bekannt, die mit 2.6.38 nicht auftraten.

Viele Linux-Distributionen nutzen für ihre Live-Medien Overlay- oder Union-Dateisysteme, um ein beschreibbares Dateisystem über ein schreibgeschütztes zu legen, damit man beispielsweise nach dem Booten von einem nicht beschreibbaren Dateisystem einer CD oder DVD Software nachinstallieren kann. Fedora verwendet dazu den Device Mapper; bei anderen Distributionen wie Ubuntu kommt das Overlay-Dateisystem aufs zum Einsatz, das allerdings außerhalb der Kernelquellen gepflegt wird. Verschiedene Entwickler arbeiten daher seit Jahren an Overlay- oder Union-Funktion auf Dateisystemebene, die den Qualitätsansprüchen der Kernel-Hacker genügt, damit sie in den Hauptentwicklungszweig einziehen kann.

Der durch Fuse bekannte Entwickler Miklos Szeredi hat seine Overlay-Lösung jetzt zur Aufnahme bei Linux 3.1 vorgeschlagen. Die daraufhin entstandene Diskussion erweckt ein wenig den Eindruck, dass auch einige der Kernel-Hacker endlich eine Lösung im offiziellen Kernel sehen wollen. Die Dateisystemspezialistin Valerie Aurora merkt allerdings an, die Lösung von Szeredi habe möglicherweise einige Probleme. Aurora hat zusammen mit anderen Entwicklern ein alternatives Union-Framework vorangetrieben, sich aus der Kernel-Entwicklung aber vor einigen Monaten weitgehend zurückgezogen.

Die jetzige Diskussionen scheint im Sande zu verlaufen – das Thema dürfte aber vermutlich in nächster Zeit wieder aufkommen. Einige Hintergründe zum Ansatz von Szeredi liefert ein LWN.net-Artikel aus dem September 2010. Er verweist auf viele ältere LWN.net-Artikel, die einige Probleme beim Überlagern von Dateisystemen erläutern, die manche außerhalb des Kernels gepflegte Lösungen ignorieren.

  • Die durch den USB-3.0-Code bekannte Sarah Sharp hat einen "USB mini-summit" angekündigt, der im Rahmen der LinuxCon Vancouver stattfinden soll. Daraus entstand eine Diskussion, die sich unter anderem mit Techniken zum Weiterreichen von USB-Geräten an virtuelle Maschinen beschäftigt. An der hat sich auch Hans de Goede beteiligt, der kürzlich einem Blog-Eintrag zu einer von ihm vorangetriebenen Lösung verfasst hat.
  • Die bereits erwähnte Diskussion zum Union- und Overlay-Dateisystemen enthielt auch einige Beiträge zu Userspace-Dateisystemen. Torvalds erwähnt dort, dass Fuse zwar für gewisse Dinge gut sei, für das Root-Dateisystem aber ungeeignet sei. Ein Tuxera-Entwickler der NTFS-Treiber für den Linux-Kernel und Fuse erklärte, der Kernel-Treiber sei viel schneller, als ein Userspace-Treiber je werden könne.
  • Amir Goldstein hat Patches veröffentlicht, die Ext4 um eine Snapshot-Funktion erweitern. In der daraus entstandenen Diskussion merken einige Entwickler an, dass der Device Mapper durch das noch in Entwicklung befindliche "Multisnap" ähnliche Funktionen ermögliche, ohne dass tief greifende Änderungen an Ext4-Code nötig seien (u.a. 1, 2).
  • Die im letzten regulären Kernel-Log erwähnten Probleme rund um die Linux-Unterstützung von (U)EFI haben weitere Diskussionen nach sich gezogen. In einem Beitrag spricht Torvalds alles andere als positiv über (U)EFI und verwendet dabei deutliche Worte; er bezeichnet aber auch die Unterstützung von (U)EFI in Linux als kaputt. Matthew Garrett berichtet in seinem Blog derweil über einen praktischen Nutzen, den EFI bringt: Ein Ort zum Speichern von Daten, die helfen können, die Ursache von Systemabstürzen zu finden.
  • Keith Packard übernimmt die Pflege des DRM/KMS-Treiber für Notebook- und Desktop-Grafikchips von Intel; er liefert und erhielt in dem Rahmen einige Tipps zum Einsatz von Git zur Kernel-Entwicklung.
  • In einer Diskussion um ein im Longterm-Kernel 2.6.32 bislang nicht korrigiertes XFS-Problem stellte Kernel-Urgestein Theodore Tso klar, dass Korrekturen nicht magisch in die Stable- oder Longterm-Kernel eingehen, sondern es eines Entwicklers bedarf, der sich um solche Dinge kümmere; später führte er noch aus, dass dies nicht der Job der Stable- und Longterm-Betreuer sei.

Kernel

  • Wie erwartet sind kurz nach dem letzten regulären Kernel-Log die Linux-Versionen 2.6.39.1 und 2.6.38.8 erschienen; mit der letztgenannten endet die Pflege der 38er-Serie.
  • Auf video.linux.com ist ab Zeitstempel 8:45 eine Video-Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Linus Torvalds und Greg Kroah-Hartman abrufbar, das die beiden kürzlich im Rahmen der LinuxCon Japan 2011 geführt haben. Sie unterhalten sich unter anderem über den Versionssprung auf 3.0 und den 20. Geburtstag, der im Spätsommer ansteht; eine Zusammenfassung des Bühnengesprächs liefert LWN.net.
  • Der langjährige Libata-Kernel-Hacker Tejun Heo hat das Wiki zum ATA-Code von Linux um eine Warnung vor Marvell-ATA-Controllern mit AHCI erweitert. Die Linux-Unterstützung für diese Chipsätze sei unvollständig und/oder fehlerhaft; für erste solle man sie besser meiden. In der begleitenden Mail erklärt er, es gäbe viele Probleme mit diesen Controllern; die Schuld daran liege mit Sicherheit bei den Marvell- und den Libata-Entwicklern. Er habe nicht genug Zeit und Energie, um Chipsätzen und Dokumentation nachzujagen; auch Marvell scheine nicht sonderlich an einer Lösung interessiert zu sein.
  • Die Webseite Phoronix hatte vor einigen Wochen berichtet, dass manche Notebooks mit aktuellen Kerneln eine höhere Leistungsaufnahme aufweisen. Die Hauptursache scheint noch immer nicht gefunden zu sein; eine in Linux 3.0 und 2.6.39.1 eingeflossene Änderung beseitigt allerdings einen anderen Fehler, der auf manchen Systemen zu einer leicht höheren Leistungsaufnahme geführt hat.
  • Ein Blog-Eintrag im bei news.opensuse.org liefert am Linux-Kernel interessierten Suse-Anwendern einige Tipps. Er verweist unter anderem auf das kürzlich umgezogene Git-Repository mit den Quellen der OpenSuse-Kernel und einige Depots, über die man vorkompilierte und auf OpenSuse oder Suse Linux Enterprise (SLE) abgestimmte Kernel beziehen kann – darunter neue OpenSuse- und Vanilla-Kernel sowie solche auf Basis des Hauptentwicklungszweigs oder Linux-Next.
  • Das OSADL hat einen Artikel veröffentlicht, der einige Tipps zum Verbessern der Echtzeit-Eigenschaften von RT-Kerneln enthält.

Unterstützung für Grafikhardware

  • Gnome- und Mutter-Entwickler Owen Taylor liefert in einem Blog-Eintrag Informationen und Messergebnisse zum Einfluss verschiedener Compositor auf die Grafikperformance im Desktop-Alltag. Motiviert dazu wurde er durch einen Test von Phoronix, in dem die Gnome-Shell nicht sonderlich gut abgeschnitten hat. Daran, so Taylor, sei der Fenstermanager und Compositor Mutter schuld, der eine im Vollbild laufende 3D-Anwendung nicht in Ruhe lässt, weil er keinen "unredirect support" bietet. Es gibt aber Patches, die dieses Feature nachrüsten.
  • Alex Deucher hat die X.org-Wiki-Seite zu dem von ihm mitentwickelten Radeon-Treiber um einen Hinweis zu "Hybrid Graphics" erweitert. Demnach funktioniert die Umschaltung zwischen Chipsatz-Grafik und separatem Grafikchip mit vgaswitcheroo, sofern die Hardware einen Multiplexer (Mux) zum Umschalten zwischen den beiden Wegen zum Display-Ausgang verwendet.
  • Adam Jackson hat in Tweets und Diskussionsbeiträgen Verbesserungen an Mesa 3D angedeutet, durch die die auf 3D-Unterstützung angewiesene Gnome Shell von Gnome 3 ausreichend auch dann schnell arbeiten soll, wenn die 3D-Berechnungen nicht durch einen Grafikchip, sondern durch den Hauptprozessor erfolgen ("Software Rendering").
  • Mesa 3D 7.1 soll am 22. Juli erscheinen.
  • Intel-Entwickler Chris Wilson hat den X.org-Treiber für Notebook- und Desktop-Hardware von Intel um ein "sna" (SandyBridge's New Acceleration) genanntes Beschleunigungs-Framework erweitert. Der Commit-Kommentar des weiter verbesserten und korrigierten Codes enthält einige Messergebnisse mit Desktop-Anwendungen wie Firefox, xfce4-terminal und gnome-terminal; die meisten Benchmarks sind schneller geworden, mache sogar um ein Mehrfaches. Das Framework ist auf den Grafikkern der Sandy-Bridge-Prozessoren abgestimmt, die Intel Anfang des Jahres eingeführt hat; er deutet aber an, dass auch ältere Intel-Chips davon profitieren könnten.
  • Nvidia hat die Version 275.09.07 (x86-32, x86-64) seiner proprietären Grafiktreiber freigeben. Sie bringen unter anderem Unterstützung für die GeForce-Modelle 315M, 320M, 410M, GT 545, GTX 560 und GTX 560M sowie die Open-GL-Erweiterung GL_EXT_x11_sync_object extension. Die neue Version korrigiert zudem Probleme beim Zusammenspiel mit Gnome 3 und KDE 4.

Kernel-Umland ("Plumbing layer"), Userland-Treiber, Entwicklertools, ...

  • Die Smartmontools sind seit kurzem in Version 5.41 erhältlich. Das Werkzeug zur Analyse des Gesundheitszustands von ATA-Datenträgern mit SMART (Self-Monitoring, Analysis and Reporting Technology) erhielt mit der neuen Version unter anderem eine erweiterte Gerätedatenbank sowie Unterstützung für Festplatten, die mit 4 KByte großen Sektoren arbeiten.
  • WLAN-Entwickler Luis R. Rodriguez hat acs präsentiert – ein als "proof of concept" eingestuftes Programm, das den "idealen" WLAN-Kanal zu finden verspricht.
  • OpenSuse-Entwickler Frédéric Crozat beschreibt in seinem Blog einige der nächsten Schritte zudem Umstieg auf Systemd, der für OpenSuse 12.1 geplant ist. Einige Hintergründe zur Arbeitsweise und dem Praxiseinsatz von Systemd liefern zwei Artikel in der aktuellen, noch bis zum Wochende am Kiosk erhältlichen c't 13/11, die von den Systemd-Hauptentwicklern Lennart Poettering und Kay Sievers stammen.
  • Anlässlich des "World IPv6 Day" hat Kernel.org-Admin John 'Warthog9' Hawley IPv6-Unterstützung bei einigen Kernel.org-Diensten aktiviert.
  • Die Programmseite zur Linux Audio Conference (LAC) 2011 verweist auf Videoaufzeichnungen, Präsentationsfolien und Textfassungen vieler Konferenzvorträge; darunter etwa "Configuring your system for low-latency real-time audio processing" von Jeremy Jongepie.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangenen Kernel-Logs auf heise open und in c't. Neue Ausgaben des Kernel-Logs werden auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog" erwähnt; die englischen, bei den Kollegen von "The H" erscheinenden Übersetzungen auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog2". Gelegentlich zwitschert der Autor des Kernel-Logs unabhängig davon über einige Kernel-Log-Themen bei Identi.ca und Twitter als "@kernellogauthor". (thl).

(thl)