Post aus Japan: Schreiben in der Luft

Wearables sind der Trend des Jahres. Diese Woche überraschte Fujitsu mit einem Ring, mit dem wir mit dem Finger in der Luft schreiben, virtuelle Computermenüs bedienen und noch viele Dinge mehr machen können.

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Von
  • Martin Kölling

Wearables sind der Trend des Jahres. Diese Woche überraschte Fujitsu mit einem Ring, mit dem wir mit dem Finger in der Luft schreiben, virtuelle Computermenüs bedienen und noch viele Dinge mehr machen können.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Korrespondent Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Mit Wearables-Geräten verbindet mich eine Art Hassliebe. In vielen Fällen halte ich den Hype für fehlgeleitet. Smartwatches, und seien sie von Apple, sind für mich allenfalls als Zeit-, Weg- und Pulsmesser beim Joggen interessant. Head-mounted-Displays (HMDs) wie Google Glass sehe ich als Nischenprodukte für professionelle (und spezielle) Anwendungen. Und dann ist da noch der Ring von Logbar, der auf der amerikanischen Elektronikmesse CES mit einem Innovationspreis ausgezeichnet wurde. Und was ermöglicht der? Poppelige Gestensteuerung von Leuchten, Fernsehern, Handyfunktionen etc. Gähn.

Doch am Dienstag habe ich ein Produkt gesehen, das mich mal wirklich begeistert: Fujitsu hat einen Ring entwickelt, mit dem wir mit dem Zeigefinger in der Luft schreiben, virtuelle Computermenüs bedienen und noch vieles mehr machen können. Ich kann zum Beispiel über die Kamera an meinem HMD ein Foto schießen und dieses dann gleich frei schwebend beschriften. Außerdem kann ich mit dem Ring einen RFID-Chip an einem Bauteil oder einem Karton antippen. Daraufhin wird mir dann ein Bauplan des entsprechenden Teils oder ein Inhaltsverzeichnis im HMD eingeblendet.

Die Beispiele zeigen, dass Fujitsu das nicht einmal zehn Gramm schwere Schmuckstück nicht für den Massenmarkt entwickelt hat. Vielmehr sind Unternehmenskunden das Ziel. Der Ring soll Ingenieuren der Kunden die Rechenkraft und Speichergröße der Cloud in Situationen zur Seite stellen, in denen sie bisher auf computergestützte Hilfe verzichten mussten. So kann das System Arbeitern in Autofabriken oder -werkstätten anleiten, auch in neuen Situation die richtigen Bauteile an die richtigen Stellen im Motorblock zu setzen. Experten können bei Inspektionen vor Ort quasi mit einem Fingerzeig schnell mit der Zentrale kommunizieren und zusätzlich Informationen erhalten. Und wenn der Elektriker aus Versehen ein Starkstromkabel anfassen will, warnt der Ring ihn auch noch. Da hat jemand mitgedacht.

Ermöglicht werden diese Funktionen durch die Kombination von einem Beschleunigungssensor, einem Gyroskop, einem Magnetometer, einem Mikrocontroller, einem RFID-Chip-Leser, einem Bedienknopf, Bluetooth Low Energy, einer Batterie und natürlich der Rechenkraft der Cloud. Dort in der Wolke sind die Informationen von Bauteilen und Produkten gespeichert, die durch Anticken abgerufen werden können. In den Rechenzentren werden auch die krakeligen Fingerbewegungen algorithmisch geglättet in Zahlen, Buchstaben oder japanische Schriftzeichen umgesetzt. In mehr als 95 Prozent der Versuche soll dies bereits funktionieren. Das ist nicht perfekt, aber gut genug für die angedachten Anwendungen. Es soll ja niemand einen Liebesbrief mit dem Ring verfassen.

Auch die Batterielaufzeit ist auf einen normalen, tariflich vereinbarten Arbeitstag ausgelegt. Für 1500 Lesevorgänge eines RFID-Chips oder ungefähr acht Stunden Betrieb soll der Strom ausreichen. Danach muss die Batterie nicht etwa aufgeladen, sondern ausgewechselt werden. Das ist für Unternehmenskunden sicherlich sinnvoller als den Ring erstmal auf Ladegerät zu stecken und abzuwarten. Zeit ist im Job schließlich Geld.

Mein Fazit: Fujitsu zeigt, dass Wearables mehr sind als Spielerei und Spaßprodukte, sondern wirklich die Produktivität erhöhen können. Apropos Produktivität: In Japan findet diese Woche auch die erste "Wearables Expo" statt. Und die Ausstellung platzt aus den Nähten: 100 zumeist kleine Firmen aus aller Welt stellen aus. Kommendes Jahr wollen die Veranstalter die Fläche vervierfachen. Von den Erfahrungen auf der Messe berichte ich später mehr. ()