Libra light

Die von Facebook geplanten Digitalwährung hat wichtige Unterstützer verloren. Tot ist das Projekt damit noch nicht, aber es könnte mehr Konkurrenz bekommen – auch von staatlicher Seite.

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Libra light

(Bild: Ascannio / shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Plötzlich waren es nur noch 21: In dieser Woche verabschiedeten die Gründungsmitglieder wie vorgesehen die Satzung für die Stiftung hinter der von Facebook konzipierten Digitalwährung Libra, doch einige der erwarteten großen Namen fehlten in der Libra Association. Denn sozusagen in letzter Minute hatten kurz vorher mehrere wichtige Unternehmen aus dem Finanzbereich dem ambitionierten neuen Kryptogeld ihre Unterstützung entzogen.

Dadurch muss die in der Schweiz ansässige Libra-Stiftung, die eine von Facebook unabhängige Kontrolle der Währung gewährleisten soll, für den Anfang mit 21 statt der zunächst geplanten 28 Gründungsmitglieder auskommen. Und aus dem Projekt ausgestiegen sind nicht irgendwelche unbedeutenden Partner, sondern mit Visa und Mastercard zwei der wichtigsten Abwickler von Zahlungen überhaupt. Ihre Beteiligung hätte Libra sowohl mehr Glaubwürdigkeit verleihen als auch die Akzeptanz der Digitalwährung erhöhen können. Stattdessen muss Facebooks Digitalgeld jetzt wohl eher mit zusätzlicher Konkurrenz rechnen.

Dabei hat es das Projekt auch so schon schwer genug. Nach der Vorstellung im Juni dauerte es nicht lange, bis Technik-Experten Kritik an seiner Konzeption äußerten. Libra sei anders als von Facebook dargestellt offenbar nicht einmal eine richtige Blockchain-Währung, wurde unter von ihnen anderem bemängelt.

Und schon wenig später traten Vertreter von Regierungen und Zentralbanken auf den Plan, die sich durch die weltweite Digitalwährung in ihrer Souveränität bedroht sahen. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz zum Beispiel erklärte im September, Regierungen könnten die Entstehung von parallelen Währungen wie Libra nicht akzeptieren. Berlin werde jegliche derartigen Pläne zurückweisen, sagte er.

Denn auch wenn grundsätzlich alle Kryptowährungen einschließlich der länger etablierten Bitcoin und Ether das Potenzial haben, staatlichen Währungen Konkurrenz zu machen, scheint Facebook deutlich mehr getan zu haben, um das wirklich zu erreichen. Damit Geld von der Öffentlichkeit akzeptiert wird, so erklärt Sören Hettler von der DZ Bank in einer Studie, muss es drei wesentliche Funktionen erfüllen: Es muss sich als Medium für Tausch und Zahlungen eignen, als Recheneinheit und zur Wertaufbewahrung. Eine Grundvoraussetzung für all das sei zudem nachhaltiges Vertrauen in seine Stabilität.

"Bei der Ausgestaltung von Libra haben die Initiatoren aus den Unzulänglichkeiten anderer Kryptowährungen gelernt", hält Hettler fest – auch wenn viele Fragen dazu bislang ungeklärt seien. Schon einmal hilfreich ist nach seiner Darstellung, dass Libra als so genannte "Stablecoin" konzipiert ist. Der Wert schwankt also anders als bei Bitcoin oder Ether nicht wild in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage (bisweilen getrieben von Gier und Angst), sondern wird fest an einen Korb aus stabilen Reservewährungen wie Euro und US-Dollar gebunden.

Dazu sollen die Libra-Mitglieder neue Einheiten nur dann ausgeben, wenn Nachfrage danach besteht – und das dabei eingenommene Geld sofort in einen Reservefonds stecken. Jede Libra-Einheit wäre also ein mit einem entsprechenden Betrag in harten Währungen gedeckt, Dies verspricht tatsächlich einen nur wenig schwankenden Wert.

Vergleichbar ist das Konzept mit einer Bank, die für jeden eingezahlten Euro denselben Betrag auf ein Konto bei ihrer Zentralbank bucht. Kunden könnten dann mit hoher Sicherheit darauf vertrauen, dass sie ihr Geld unter allen Umständen zurückbekommen – und Libra-Nutzer eben darauf, dass ihre Digitalgeld-Einheiten nicht rapide an Wert verlieren.

Das gilt laut Hettler allerdings nur so lange, wie die Libra-Betreiber nicht auf die Idee kommen, statt der gesamten ausgegebenen Libra-Summe nur einen Teil davon in den Reservefonds einzuzahlen, um den Rest besser verzinst anzulegen – so wie Banken ebenfalls nur einen kleinen Teil der Kundengelder bei der Zentralbank verwahren und den Rest zum Beispiel verleihen. Damit aber würde Libra so anfällig für einen "Run" – also einen Ansturm von Kunden, die sofort wieder echtes Geld haben wollen – wie ein klassisches Finanzinstitut.

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Genau diese Bankähnlichkeit des Libra-Systems ist es, die zu Verwirrung bei Beobachtern und zu Bedenken auf staatlicher Seite geführt hat – und möglicherweise auch zum Ausstieg der erhofften Gründungspartner Visa und Mastercard (zusammen mit eBay, PayPal und Stripe). Denn die erhielten kurz vor ihrer Entscheidung einen Brief von zwei US-Senatoren, die den Unternehmen unverhohlen mit „verschärfter Beobachtung durch Aufsichtsbehörden, nicht nur bei Aktivitäten mit Bezug zu Libra, sondern bei allen Zahlungsaktivitäten“ drohten, wenn sie sich auf Libra einlassen.

Grundsätzlich hält Hettler immer noch für denkbar, dass Libra ein "neues vollumfängliches Geld- und Finanzsystem" wird – im Extremfall könnten Zentralbanken in Staaten, deren Währungen nicht im Libra-Reservekorb enthalten sind, dadurch sogar irrelevant werden.

Ein Verbot hält der Analyst trotzdem für nicht sinnvoll. Lieber, so schlägt er vor, sollten Regierungen die Verwendung der eigenen Währung für staatliche Leistungen, Steuerzahlungen und Privatgeschäfte vorschreiben. Und sie könnten eigene Kryptowährungen entwickeln, "um die Vorteile eines (stabilen) gesetzlichen Zahlungsmittels mit denjenigen von Libra, Bitcoin & Co. zu kombinieren".

(sma)