Linux auf Smartphones
Auch wenn der Verkaufsstart des Google-Handys in Amerika nicht mit dem des iPhone zu vergleichen war, sorgte das Android-Smartphone für einige Bewegung in der Branche und bei den Linux-Entwicklern.
Das Google-Handy hat nicht nur weltweit in den Medien für viel Aufsehen gesorgt, vor allem die Linux-Entwickler warten seit langem darauf, das Smartphone endlich in die Finger zu bekommen, um es komplett analysieren zu können. Da kam ihnen die Veröffentlichung des kompletten Quellcodes von Android-Linux durch Google parallel zum Verkaufsstart des G1 in Amerika gerade recht. Und tatsächlich, kaum zwei Wochen später gibt es die ersten Hacks, mit denen man als Root-Benutzer im Android-System nach Belieben schalten und walten kann.
Aber auch die mit der Android-Plattform konkurrierenden Gremien wie die LiMo-Foundation und Intels Moblin-Initiative sahen sich gezwungen, angesichts des Android-Hypes Flagge zu zeigen – schließlich ist die von Google initiierte Open Handset Alliance nicht das einzige Gremium, das sich mit Linux auf mobilen Geräten beschäftigt.
Für die LiMo-Foundation, die eine eigene Linux-Plattform für Smartphones entwickelt, trat Access ins Licht der Öffentlichkeit und präsentierte die lange versprochene Access Linux Plattform (ALP) 3.0. Sie besteht aus dem Embedded-Betriebssystem Access Linux und sowohl einem LiMo-kompatiblen API für Java-Programme als auch einem Garnet-API für Palm-OS-Programme. Damit soll ALP 3.0 offiziell die Nachfolge von Palm OS antreten, das die Software-Schmiede Palmsource mitbrachte, als sie im Herbst 2005 von Access aufgekauft wurde.
Mit ALP 3.0 ist Access jedoch nicht allein, auch die LiMo-Mitglieder Motorola und Wind River haben bereits LiMo-kompatible Linux-Plattformen vorgestellt und im Fall von Motorola sogar als sogenannter Common Code allen LiMo-Mitgliedern kostenlos zur Verfügung gestellt.
Der direkte Konkurrent, Wind River, ist jedoch nicht nur in der LiMo-Foundation tätig, sondern als Mitglieder der Open Handset Alliance gleichzeitig an der Entwicklung der Android-Plattform beteiligt. So kündigte der Embedded-Spezialist ein Android-Entwicklerpaket für das erste Halbjahr 2009 an, das eine leicht angepasste Version des hauseigenen Wind River Linux anstatt von Googles Android-Linux verwendet, wie es beim G1 von HTC zum Einsatz kommt.
Denn die Android-Plattform spezifiziert nur die Schnittstelle zu den Applikationen (API), wie das Betriebssystem unterhalb der Applikationsschicht aussieht, ist jedem Smartphone-Hersteller freigestellt. Theoretisch ließe sich sogar ein Android-Smartphone auf Basis von Windows Mobile entwickeln. Wind River will auf sein hauseigenes Linux-System zurückgreift, das auch im LiMo-Entwicklungspaket enthalten ist, was weniger Aufwand und Kosten verursacht, als neben Wind River Linux auch noch Googles Android-Linux unterstützen zu müssen. Die Entwickler kann es nur freuen, sie haben damit zumindest die Wahl zwischen zwei Smartphone-Betriebssystemen.
Die von Intel unterstützte Moblin-Initiative kommt ebenfalls voran, Ende Oktober kündigten das Taiwanische Wirtschaftsministerium und der Prozessorhersteller an, ein "Enabling Center" für Moblin einrichten zu wollen, das sich mit der Anwendungsentwicklung für Mobile Internet Devices (MIDs), Netbooks sowie Informationssysteme für Autos beschäftigen soll. Bei letzterem sitzt wieder der Embedded-Spezialist Wind River mit im Boot, der mit Intel eine Moblin-Plattform für Car-Entertainment-Systeme entwickelt.
Die größte Überraschung kam von Motorola: Der Telekommunikationskonzern unterstützte bislang als eines der Gründungsmitglieder vor allem die LiMo-Foundation, beschäftigte ein über 300-köpfiges Entwickler-Team und spendete erst im August das hauseigene Motorola-Linux in den Common Code Pool der Foundation. Ein nennenswertes Engagement für die Open Handset Alliance, die Motorola ebenfalls zusammen mit Google und anderen Partnern aus der Taufe hob, wurde erst im September erkennbar, als Motorola sein Android-Entwicklerteam von 50 auf 350 Programmierer aufstockte.
Allerdings hat Motorola massive Geldsorgen, die Handysparte verursachte allein im 3. Quartal 2008 einen Nettoverlust von über 300 Millionen Euro bei schwindenden Umsatzzahlen. Deshalb soll dieser Geschäftsbereich bis 2011 vom Hauptkonzern abgespalten werden. Neuer CEO wird voraussichtlich Sanjay Jha, heute Vize-CEO von Motorola und Chef der Handy-Sparte. Bei der Präsentation der Quartalszahlen verkündete Jha, dass man aus Kostengründen zukünftig nur noch drei Handy-Betriebssysteme benutzen werde: Windows Mobile für Business-Smartphones, das Motorola-eigene System P2K für Einsteiger-Handys und Android für die Geräte der Mittelklasse.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Motorola sein LiMo-Engagement einstellt und die LiMo-Foundation eine der treibenden Kräfte verliert. Kaum ein anderes der über 40 Mitglieder hat in der Vergangenheit so viel zur Entwicklung der Standards und zum Common Code Pool der Foundation beigetragen wie Motorola.
Dennoch ist es zu früh, von einer Vorentscheidung für Android zu sprechen, was die Chancen der LiMo- und Android-Plattform am Smartphone-Markt betrifft: Neben den weiterhin erhältlichen LiMo-kompatiblen Motorola-Smartphones haben Panasonic und Samsung weitere Geräte für Ende des Jahres angekündigt. Allerdings hat Android bei den verfügbaren Anwendungen klar die Nase vorn und ist derzeit für die Anwender und Entwickler die interessanteste der Plattformen.
Auch Nokia darf man nicht vergessen: Die Finnen haben mit der Maemo-Plattform für die Nokia Internet Tabletts, Qt Extended (ehemals Qt Embedded bzw. Qtopia) und der Symbian-Plattform S60 selbst einige heiße Eisen im Feuer – und gehören im Moment noch keinem der großen Linux-Mobil-Gremien an. Software-Chef Sebastian Nyström sagte anlässlich der Entwicklertagung in Kalifornien Ende Oktober, dass man Qt nicht nur auf Symbian und Maemo portieren wolle, sondern auch auf andere Plattformen. Welche das sind, behielt er jedoch für sich. (mid)