Meerestechnik

Immer mehr Nationen entdecken den Meeresgrund als Nachschublager für Rohstoffe. Umweltschützer warnen allerdings vor einer Industrialisierung der Ozeane.

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Von
  • Niels Boeing

Immer mehr Nationen entdecken den Meeresgrund als Nachschublager für Rohstoffe. Umweltschützer warnen allerdings vor einer Industrialisierung der Ozeane.

Ein bekanntes Bonmot der Umweltbewegung lautet: Wir verbrauchen Rohstoffe, als hätten wir irgendwo im All noch eine zweite Erde in der Hinterhand. Unablässig verlangt der wachsende globale Maschinenpark nach wertvollen Metallen, Öl und Erdgas – erst recht, da mit Indien und China zwei neue Wirtschaftsmächte den Hunger auf Rohstoffe anschwellen lassen. Ob wir den notwendigen Nachschub an Materialien eines Tages tatsächlich im Weltraum finden werden, steht allerdings in den Sternen. Kein Wunder, dass seit einiger Zeit ein anderes Universum ins Blickfeld rückt: die Tiefsee.

Mehr als zwei Drittel des Planeten sind von Ozeanen bedeckt, in denen gewaltige Bergrücken und endlose Ebenen verborgen sind. Zwar ist die Tiefsee bis heute nur bruchstückhaft erforscht, aber man weiß: In ihr schlummern riesige Rohstoffvorkommen – Öl, Erdgas und seltene Metalle. Längst stecken Unternehmen und Industrieländer wie China, Russland, Australien, Kanada oder auch Deutschland erste Claims am Meeresboden ab, läuft die ­Er­kundung der Tiefsee auf Hochtouren. Seit 2002 haben sich die Ausgaben für sie auf mehr als 13 Milliarden Euro versechsfacht.

Im Unterschied zu den 1970er-Jahren, als man schon einmal die industrielle Erschließung der Tiefsee testete, scheint es nun ernst zu sein. Das Ende des billigen Öls ist in Sicht, und die Abhängigkeit von den russischen Erdgasvorkommen macht so manchen nervös. Vor allem beunruhigen Experten aber die anziehenden Preise von seltenen Metallen, ohne die eine grüne Hightech-Gesellschaft mit ihren Computern und Elektroautos, Windrädern und Solarzellen nicht funktionieren wird. Gold, Kobalt, Kupfer, Molybdän, Neodym oder Indium – für die moderne Elektronik sind sie unverzichtbar. „Anders als in den Siebzigern ist eine Metallknappheit ­eine realistische Aussicht“, sagt Johannes Post vom Meerestechnikunternehmen Hydromod Service GmbH aus Hannover, Co-Autor einer neuen Studie für das Bundeswirtschaftsministerium zur Erschließung der Meeresressourcen.

Auf 34 Milliarden Tonnen Erz werden allein die sogenannten Manganknollen im zentralen Pazifik geschätzt. Das sind kartoffel- bis melonengroße Gesteinsbrocken auf dem flachen Meeresgrund in bis zu 5000 Metern Tiefe, auf denen sich im Laufe von Jahrmillionen metallische Schichten abgesetzt haben. Allein in der „Clarion-Clipperton-Zone“, einem Gebiet 4000 Kilometer westlich von Mexiko, das Deutschland von der Internationalen Meeresbodenbehörde lizenziert hat und das etwas größer als Bayern ist, lagert in den Knollen 50-mal so viel Kobalt wie weltweit pro Jahr verbraucht wird. Die Knollen enthalten außerdem in geringeren Mengen Kupfer, Nickel, Aluminium und Titan. Hauptbestandteile sind Mangan und Eisen.

Ähnlich wie auf den Knollen haben sich diese Metalle auch auf den Felsen unterseeischer Berge, in Tiefen zwischen 800 und 1500 Meter, in bis zu 15 Zentimeter dicken Krusten abgelagert: Die Metallatome bleiben an absinkendem, totem Plankton haften und „regnen“ auf den Meeresboden. Geschätzte Erzmenge allein im Zentralpazifik: noch einmal 40 Milliarden Tonnen. Auch im Atlantik und im Indischen Ozean finden sich Manganknollen und -krusten. Eine dritte Art von Erzlagerstätten sind die Massivsulfide – Gesteinstürme, die sich an unterseeischen, 400 Grad heißen Quellen, den „Schwarzen Rauchern“, aus dem mineralreichen Wasser bis zu 70 Meter hoch bilden. Auch sie enthalten Kupfer, Zink, Gold und Silber.

Und schließlich locken noch die Gashydrate. Das ist ein gefrorenes Gemisch aus Wasser und Methan – also Erdgas –, das im Meeresboden der Kontinentalhänge eingelagert ist. Es bildet sich unter hohem Druck und bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt in einer Tiefe von 300 bis 700 Metern. Optimistische Schätzungen gehen von Reserven von bis zu zehn Billionen Tonnen aus ­– doppelt so viel wie alle bekannten Öl- und Gasvorräte an Land und in den flachen Kontinentalschelfen wie der Nordsee oder dem Golf von Mexiko zusammen.

Ein solches Füllhorn spornt den Pioniergeist an. Doch so groß der Anreiz zur Erschließung der Meere ist – die Schwierigkeiten sind es nicht minder ...

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(nbo)