Mehr Achtsamkeit in der Datenanalyse

Technology Review stellt in loser Folge junge Innovatoren unter 35 vor. Heute in der TR35: Saika Guha will die Analyse für die Platzierung von Online-Anzeigen auf den Rechner des Nutzers verlagern, während Hossein Rahnama Smartphones sensibler für Situationen machen will.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Prachi Patel
  • Jessica Leber

Technology Review stellt in loser Folge junge Innovatoren unter 35 vor. Heute in der TR35: Saika Guha will die Analyse für die Platzierung von Online-Anzeigen auf den Rechner des Nutzers verlagern, während Hossein Rahnama Smartphones sensibler für Situationen machen will.

Schließen sich der Schutz der Privatsphäre im Internet und das Streben nach Profit aus? Ja, glauben viele Netz-Aktivisten. Nein, meint Saikat Guha. Der 30-jährige Informatiker von Microsoft Research India will das auch beweisen: mit einer Software-Plattform, die eine gezielte Platzierung von Online-Anzeigen erlaubt, ohne persönliche Informationen über die jeweiligen Nutzer offenzulegen.

Saika Guha

(Bild: Sami Siva)

Guhas Trick besteht darin, die Analyse für das so genannte Targeted Advertising zu verlagern. Bislang ziehen Werbenetzwerke Daten über die Online-Bewegungen eines Nutzers auf ihre Server: Dort wird dann analysiert, welche Webseiten er ansteuert, was er dort kauft. Guhas Software hingegen arbeitet auf dem Rechner des Nutzers. Je nachdem, wonach der sucht, fordert sie passende Anzeigen von Werbenetzwerken an. Die Software könnte in Browser eingebaut werden, aber auch in soziale Netzwerke wie Facebook. Sie benötige dafür nicht besonders viel Speicherplatz eines Smartphones oder PCs, betont Guha.

Damit will der Informatiker verhindern, dass Unternehmen bei sich Nutzerdaten anhäufen, die in falsche Hände gelangen könnten. Indem die Analyse nur auf dem Rechner eines Nutzers stattfindet, könnten sogar sehr persönliche Informationen berücksichtigt werden, weil sie nicht mehr den Rechner verlassen müssen. So könnte die Software im Dateisystem das Geburtsdatum des Nutzers aufspüren und der Altersgruppe entsprechende Anzeigen anfordern, ohne dass das Datum etwa in den Besitz von Google gelangt. Unternehmen könnten auf diese Weise sogar viel mehr Daten berücksichtigen als bislang.

Guha hat auch eine Privacy-freundliche Lösung für Smartphone-Apps gefunden. Die übermitteln immer häufiger auch identifizierende Daten und Standortinfos eines Nutzers. „Daraus kann man heutzutage eine lückenlose Chronik anfertigen, wo Sie sich überall aufgehalten haben“, sagt Guha.

Sein Smartphone-System zieht solche Daten zwar auch heran. Doch bevor sie an eine Cloud-Anwendung geschickt werden, verschlüsselt die Software sie und zerlegt sie in verschiedene Teile. Während Außenstehende aus den Fragmenten kein Nutzerprofil mehr erstellen können, kann Guhas Software daraus auf dem Smartphone eine Analyse für potenzielle Anzeigen vornehmen.

Natürlich wird es weiterhin Akteure geben, die sich um den Schutz der Privatsphäre nicht scheren und versuchen, Schutzsysteme auszutricksen. Hierfür arbeitet Guha zurzeit an Algorithmen, die erkennen, ob jemand doch unberechtigterweise Daten absaugt. Die Software würde dann automatisch die entsprechenden Apps und Server blockieren.

Hossein Rahnama

(Bild: Flybits)

Auch Hossein Rahnama, 32, beschäftigt der Umgang mit Daten auf Smartphones. Den Ingenieur stört aber, dass die Interaktion mit den kleinen Mobilcomputern noch immer zu sehr der alten Desktop-Welt verhaftet ist. Da müssen Icons angetippt, Menüs aufgeklappt und Links angeklickt werden. In der Digital Media Zone der Ryerson University in Toronto hat Hossein daran gearbeitet, Smartphones zuvorkommender zu machen: Sie sollen von sich aus nützliche Informationen genau dann anbieten, wenn wir sie brauchen.

Rahnamas Software analysiert ebenfalls Daten wie Standort und Tageszeit und konstruiert daraus eine Art Reiseverlauf des Nutzers. Steigt der beispielsweise aus einem Flugzeug aus, kann das System ihm gleich mitteilen, wo im Ankunftsterminal Autovermietungen zu finden sind.

Solche kontextsensitiven Anwendungen habe zwar auch andere entwickelt. Rahnamas System, das er mit seinem Start-up Flybits vermarktet, zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass es nicht viel kostet und keine privaten Daten weitergibt. Einige Flughägen in Kanada sowie Nahverkehrssysteme in Toronto und Paris nutzen die Flybits-Plattform bereits, um Auskunft-Apps anzubieten.

Ein britischer Netzbetreiber entwickelt mit Hilfe des Flybits-Systems eine App, die Anrufe so umleitet, dass möglichst wenig Roaming-Gebühren anfallen. Stellt die Anwendung fest, dass ein Nutzer auf Reisen ist, können eingehende Anrufe auf das Festnetz-Telefon des Hotelzimmers statt auf das Handy geleitet werden.

Mit dem neuen Dienst Flybits Lite will Rahnama außerdem Menschen zu spontanen sozialen Netzen zusammenführen. Die Software schlägt einem Nutzer hierfür Kontakte vor, die sich in einem definierten Umkreis um den momentanen Standort aufhalten. Wer mit Flybits seinen Weg durch die Pariser Metro zum Louvre gefunden hat, könnte dann dort dank Flybits Lite Menschen finden, die sich etwa für den niederländischen Maler Jan Vermeer interessieren – noch bevor er das Gebäude überhaupt betreten hat.

(nbo)