Meldeportal für Patienten: "Laie ist Experte in eigener Sache"

Ein Portal gibt Patienten eine Stimme. Über erste Erkenntnisse haben wir mit Hardy Müller von der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit gesprochen.

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Krankenhausflur mit einem Bett

(Bild: hxdbzxy/Shutterstock.com, Bearbeitung: heise online)

Lesezeit: 13 Min.
Inhaltsverzeichnis

Jedes Jahr kommt es zu Tausenden von Behandlungsfehlern, die auch auf die Überlastung des Gesundheitssystems zurückzuführen sind. Manchmal sind die Schwachstellen im System leicht zu beheben, es fehlt schlicht an der Umsetzung. Manchmal ist es aber auch komplizierter. Häufig fühlen sich Patienten nicht gehört. Um Patienten eine Stimme zu geben und deren Erlebnisse besser zu hören, hat der Verband der Ersatzkassen vdek die Deutsche Gesellschaft für Patientensicherheit DGPS gGmbH beauftragt, gemeinsam mit den Ersatzkassen das Patientenportal "mehr-patientensicherheit.de" zu betreiben.

Hardy Müller ist Generalsekretär bei der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit gGmbH.

(Bild: Hardy Müller)

Über die ersten Ergebnisse sprachen wir mit Hardy Müller von der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit gGmbH. Er war bis Mitte 2024 Beauftragter für Patientensicherheit bei der Techniker Krankenkasse. Von 2011 bis 2019 engagierte er sich zusätzlich als ehrenamtlicher Geschäftsführer und Generalsekretär im Aktionsbündnis Patientensicherheit APS e.V.

heise online: Wie kam die Idee für "Mehr Patientensicherheit"?

Hardy Müller: Dazu gab es viele Vorstufen. Zunächst haben wir ausprobiert, wie die von den Gesundheitswissenschaften geforderte Idee, die Patientinnen und Patienten systematisch einzubeziehen, gut funktionieren kann. Der sogenannte informed consent stellte eine rechtliche Voraussetzung dar, um Patienten überhaupt korrekt behandeln zu können. Ohne Zustimmung ist jede Behandlung, ist jeder Eingriff in den Körper, formal eine Körperverletzung.

Eine patientenzentrierte und partizipative Gesundheitsversorgung erfordert die systematische Einbeziehung der Patienten. Mit deren Einbezug wird auch eine effizientere Behandlung möglich. Das gilt auch, wenn wir im Themenfeld Patientensicherheit unterwegs sind und speziell die Sicherheit und die Qualität im Gesundheitswesen ausbauen wollen. Eine Kurzdefinition von Patientensicherheit lautet: "Vermeidung von unerwünschten Ereignissen". Zur Unterstützung dieses Zieles hat die Weltgesundheitsorganisation einen Strategieplan für zehn Jahre entwickelt, den Global Patient Safety Action Plan 2021-2030, und setzt dazu jedes Jahr wechselnde Schwerpunkte.

Im vergangenen Jahr war das Motto: "Elevate the voice of patients!". Der Auftrag ist, die Patientinnen und Patienten einzubeziehen, ihre Stimme zu hören. Auf der anderen Seite geht es u.E. darum, "Ohren zu entwickeln", wir alle müssen Patienten auch (besser) zuzuhören. Dazu haben wir das Web-Angebot mehr-patientensicherheit.de realisiert. Dabei erfragen, analysieren und dokumentieren wir sowohl negatives als auch positives Feedback zu den Behandlungserfahrungen von Patientinnen und Patienten. Wir sehen, dass das Angebot von den Versicherten sehr gut angenommen wird.

Welche Schwierigkeiten gab es dabei?

Die erste Schwierigkeit bei der Porjektrealisation bestand darin, Ressentiments zu überwinden, die in die Richtung gehen, dass wir damit keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn generieren. Überspitzt ausgedrückt lauten die Vorwürfe: "Die Befragten sind alles medizinische Laien. Wenn diese was über die Qualität der Behandlung aussagen können, dann vielleicht wie das Essen im Krankenhaus war. Außerdem würden die Menschen eine systematische Rückmeldemöglichkeit sowieso nur als Meckerkasten missbrauchen. Außerdem gab es aus der Versicherungswirtschaft die Befürchtung, dass die Klagebereitschaft von Menschen erhöht würde.

In Deutschland erleben wir immer noch eine Kontroverse über die Bedeutung von Laien-Voten. Im Mittelpunkt der Behandlung muss aber der Patient oder die Patientin stehen. Es hilft nicht, wenn medizinische Verfahren und Einrichtungen die besten Bewertungen haben, der Patient aber eine ganz andere Wahrnehmung hat.

Unsere Erfahrungen sind, dass all die oben genannten Befürchtungen nicht eingetreten sind. Patienten und Angehörige können und wollen gute Meldungen über Ihre Erfahrungen im Gesundheitswesen abgeben. Jetzt können wir mit noch mehr Sicherheit sagen: die Menschen berichten keinen Blödsinn. Bei den Rückmeldungen gibt es einen gewissen Anteil, den wir nicht verwenden können. Bei diesem Portal sind es weniger als drei Prozent. Das ist die erste wichtige Erkenntnis. Weiter sehen wir, dass Versicherte sich tatsächlich einbringen und gerne und umfangreich ihre Erfahrungen teilen, wenn diese denn von dem Angebot Kenntnis haben.

Warum ist das Portal relevant?

Wir müssen die Rückmeldungen der Menschen über Ihre Behandlungserfahrungen ernst nehmen und systematisch die Menschen dazu befragen. Nur so ist deren auch politisch geforderte Partizipation möglich. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Laienberichte unverzichtbar sind. Die Gesundheitswissenschaften sprechen dabei von Patient reported outcomes oder experiences (PROM, PREM).