Menschliches Gen macht fettleibige Kartoffeln

Forschende haben den Ertrag von Kartoffeln und Reis dramatisch gesteigert, indem sie ein menschliches Fettleibigkeits-Gen, in die Pflanzen eingeschleust haben.

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(Bild: Rodrigo dos Reis / Unsplash)

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Es gibt bislang nur wenige Strategien gegen den zunehmenden Hunger in der Welt. Das landwirtschaftliche System ist weitgehend ausgereizt und die Pflanzenzucht – selbst wenn man genmanipulierte Pflanzen mit einbezieht – feiert bereits geringe Ertragssteigerungen von zehn Prozent. Das reicht nicht, um den steigenden Bedarf an Nahrung zu decken.

Eine Forschungsgemeinschaft aus den USA und China hat nun einen in mehrfacher Hinsicht erstaunlichen Erfolg erzielt: Ihr ist es gelungen, ein menschliches Gen in das Erbgut von Reis- und Kartoffelpflanzen einzuschleusen. Und dieser Gentransfer hat nicht etwa dazu geführt, dass die Pflanzen eingehen oder sich in irgendeiner Form fehlentwickeln, sondern hat ihren Ertrag regelrecht explodieren lassen. Die in Nature Biotechnology veröffentlichte Studie besagt, dass der genetisch veränderte Reis in Gewächshäusern dreimal so viel Ertrag gebracht hat wie die Ursprungssorte. Auf Versuchsfeldern konnten die Forschenden sogar doppelt so viel Kartoffeln und Reis ernten.

Das Gen, das diesen erstaunlichen Effekt auf Reis und Kartoffeln hat, stammt von uns Menschen. Es heißt FTO Gen und codiert das FTO-Protein, eine RNA-Methylase, die mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wird. Das FTO-Protein nimmt Einfluss auf die Protein-Produktion in der Zelle: Um ein Protein herstellen zu können, muss die Zelle eine Abschrift der passenden genetischen Information aus dem Zellkern herausschleusen – die RNA. Damit diese RNA dann tatsächlich in das Protein übersetzt und nicht verworfen wird, muss sie zuvor aktiviert werden und das ist die Aufgabe der RNA-Methylase FTO. Während des Wachstums von Mensch und Säugetier ist dieses Enzym besonders aktiv – in Pflanzen gibt es jedoch kein Pendant dazu.

Da Pflanzen dieses Regulationsprinzip nicht nutzen, haben sie auch keine Kontrollmechanismen dafür, vermuten die Forschenden. Sie erzwingen also durch eine konstante Aktivierung der RNA eine stärkere Proteinproduktion in den Pflanzen. Der Ertrag steigt. Allerdings werden nicht nur die Speicherorgane wie die Körner und Knollen größer, so die Forschenden – FTO fördere auch die Aktivität der Wurzeln, steigere die Effizienz der Photosynthese und mache die Pflanzen toleranter gegenüber Trockenheit. Die einzelnen Zellen werden jedoch nicht größer, auch werden die Pflanzen nicht höher oder der Wurzeldurchmesser breiter. Andere Pflanzen reagieren auf das Einschleusen von FTO ähnlich: Gras wächst üppiger, Bäume werden schneller größer.

Besonders, da dem Ertrag von Pflanzen ein sehr komplexes Steuerungssystem zugrunde liegt, ist der Effekt des einen menschlichen Gens umso erstaunlicher. Pflanzen wägen permanent ab und ändern ihre Überlebensstrategie – wie etwa die diesjährige Getreideernte gezeigt hat, die durch hitzebedingte Notreife der Getreidekörner trotz des eigentlich guten Wetters geringer ausgefallen ist, als erwartet. Ist es zur falschen Zeit heiß, kalt, trocken oder nass, passen Pflanzen ihren Ertrag spontan an. FTO scheint auch diese Mechanismen außer Kraft zu setzen.

Was fast zu gut klingt, um wahr zu sein, hat jedoch noch einen Haken: Die Ausgangssorten, denen die Forschenden das FTO-Gen eingeschleust haben, waren keine modernen Hochleistungsnutzpflanzen. Sie haben keine ohnehin bereits züchterisch optimierten Erträge gebracht und waren daher leichter zu beeindruckenden Leistungssteigerungen zu bewegen. Was FTO in den leistungsoptimierten Sorten, die Landwirte heute anbauen, noch erreichen kann, müssen weitere Experimente zeigen.

(jsc)