Menstruation auf dem Chip

Forscher können in kleinen Laborsystemen bereits unterschiedliche menschliche Organe wie Lungen oder Lebern simulieren. Jetzt ist das auch mit den weiblichen Reproduktionsorganen gelungen – mitsamt monatlichem Zyklus.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Emily Mullin
Inhaltsverzeichnis

Eine virtuelle Repräsentation eines Menschen wird als Avatar bezeichnet. Aber wie nennt man eine biologische Repräsentation der weiblichen Reproduktionsorgane? Wie wäre es mit "Evatar"?

Organe auf einem Chip, die sich verhalten wie kleine Lungen oder Lebern, gibt es bereits. Evatar aber ist laut den Erfindern das erste Gerät aus dem Labor, das einen über 28 Tage laufenden Menstruationszyklus nachahmen kann, in dessen Verlauf eine Eizelle reift und freigesetzt wird.

Das Gerät ist ungefähr so groß wie ein Taschenbuch. Plastikkammern darin stehen für Eierstöcke, Eileiter, Uterus, Gebärmutterhals und Leber von Frauen. In dem System befinden sich echte menschliche Zellen, die Frauen bei aus anderen Gründen vorgenommenen Operationen entnommen wurden. Eine Mini-Leber ist dabei, weil in diesem Organ Medikamente verstoffwechselt werden.

Wissenschaftler von Northwestern University, University of Illinois in Chicago und Draper Laboratory haben Evatar entwickelt, indem sie jeden Gewebetyp in seiner eigenen Plastikkammer gezüchtet und dann mit einem Netz aus winzigen Röhren verbunden haben. Zwanzig elektrische Mikropumpen lassen einen blauen Cocktail aus Nährstoffen und Hormonen zirkulieren, der als Blutersatz dient und die Gewebe miteinander kommunizieren lässt.

Um zu testen, ob ihr Chip ein Ei ausstößt, verwendeten die Forscher dafür den Eierstock einer Maus (weil menschliche Eierstöcke schwierig zu bekommen sind). Innerhalb von 14 Tagen, so berichtet das Team in Nature Communications, gab der Eierstock tatsächlich ein Ei frei.

Geräte im Kleinmaßstab, die menschliche Organe imitieren, könnten eine deutlich realitätsnähere Umgebung für die Medikamentenentwicklung bieten.

Laut Teresa Woodruff, Reproduktionswissenschaftlerin an der Northwestern University und Leiterin des Projekts, arbeitet das Team auch an einer männlichen Version des Systems. Irgendwann werde es vielleicht möglich sein, einer beliebigen Frau Gewebeproben zu entnehmen und dann mit Hilfe von Stammzellen einen "personalisierten Evatar" für sie zu entwickeln.

Mit Evatar ist die Wissenschaft dem Ziel ein Stück näher gekommen, einen kompletten "Körper auf einem Chip" zu entwickeln, der die Physiologie von Menschen simulieren könnte. Laut Jonathan Coppeta, einem Biosystem- und Gewebe-Ingenieur bei Draper, soll der künstliche Menstruationszyklus Pharmafirmen die Möglichkeit geben, gefahrlos mit Verhütungsmitteln zu experimentieren oder Behandlungen für Krankheiten wie Myome, Endometriose sowie Gebärmutterhals- und Eierstock-Krebsarten zu testen. "Historisch war die Physiologie von Frauen in den Pipeline zur Medikamentenentwicklung unterrepräsentiert", sagt er.

(sma)