Mikrobiom: Mit Genediting zu mehr Gesundheit?

Wissenschaftler entwickeln im Labor Mikroben, die neuartige Stoffe im Darm herstellen. Damit könnten Krankheiten bekämpft werden.

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(Bild: Design_Cells / Shutterstock)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
Inhaltsverzeichnis

Mikroorganismen sind überall. Die, die in unserem Körper leben, sind nicht nur schlecht für unsere Gesundheit – ganz im Gegenteil. Sie scheinen sogar sehr wichtig für deren Erhaltung zu sein, zumindest, wenn sie sich am richtigen Ort befinden.

Evolutionsbiologisch sind sie uralt – sie haben sich schon Millionen von Jahren vor der Entstehung des Menschen auf unserem Planeten entwickelt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie komplizierte Beziehungen zu anderen lebenden Systemen entwickelt haben. Sie ernähren sich von den chemischen Stoffen in ihrem Umfeld und produzieren andere chemische Stoffe – von denen einige für andere Organismen nützlich sind.

Die Frage lautet nun: Können wir die Genome dieser Mikroben so verändern, dass wir genau steuern können, welche Stoffe sie abbauen und welche sie produzieren? Was wäre, wenn wir Mikroorganismen dazu bringen könnten, uns bei der Reduzierung der Umweltverschmutzung zu helfen? Was wäre, wenn wir Mikroben schaffen könnten, die Medikamente herstellen oder in unserem Darm besonders gesunde Stoffe produzieren?

Modifizierte Mikroben scheinen bereits bei der Behandlung von Krebs in Mäusen zu helfen. Versuche am Menschen sind auf dem Weg. Die winzigen Organismen dazu zu bringen, für uns zu arbeiten, ist für Wissenschaftler seit Jahrzehnten eine verlockende Aussicht. Neue Technologien bringen uns der Verwirklichung dieses Ziels nun immer näher.

Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit von Brad Ringeisen, dem Geschäftsführer des Innovative Genomics Institute in Berkeley, Kalifornien. Das Team um den Forscher hat vor kurzem eine umfangreiche Finanzierung erhalten, um neue Wege zu erforschen, wie Mikroben zum Wohle des Planeten und seiner Menschen – insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen – weiterentwickelt werden können.

"Wir haben 70 Millionen US-Dollar erhalten, um Präzisionswerkzeuge für das Mikrobiom-Editing zu entwickeln", sagt Ringeisen. Das Team konzentriert sich auf den Einsatz von CRISPR, um das Verhalten der Organismen zu verändern – nicht nur von Bakterien, sondern auch von ihren weniger erforschten Mitbewohnern wie Pilzen und Archaeen. Die Idee ist, das Darmmikrobiom in einen gesünderen Zustand zu versetzen.

Die ersten Empfänger solcher Behandlungen werden wahrscheinlich Kühe sein. Die Art und Weise, wie wir diese Tiere halten, hat aus mehreren Gründen enorme Auswirkungen auf die Umwelt. Ein wichtiger Faktor ist das Methan, das sie ausstoßen – denn Methan ist ein starkes Treibhausgas, das zum Klimawandel beiträgt.

Technisch gesehen wird das Methan nicht von den Kühen selbst erzeugt. Es wird von den Bakterien in ihren Därmen produziert. Ringeisen und seine Kollegen suchen nach Möglichkeiten, die Mikroben im Pansen – dem ersten und größten Magenbereich der Wiederkäuer – so zu verändern, dass sie viel weniger von dem Gas produzieren oder gar keines.

Ringeisen ist der Meinung, dass die Veränderung bestehender Mikroben weniger störend sein dürfte als die Einführung völlig neuer. Er vergleicht den Ansatz mit dem eines Dirigenten, der den Klang eines Orchesters feinabstimmt. "Es wäre so, als würde man die Geige lauter machen und die Basstrommel leiser, um das Mikrobiom zu stimmen", sagt er.

Das Team untersucht auch, wie eine CRISPR-Mikrobiom-Behandlung menschlichen Säuglingen zugute kommen könnte. Das erste Mikrobiom eines Babys – von dem man annimmt, dass es bei der Geburt entstanden ist – lässt sich in den ersten zwei Lebensjahren besonders gut formen. Mikrobiologen halten es daher für wichtig, das Mikrobiom eines Säuglings so früh wie möglich gesund zu erhalten.

Wir wissen immer noch nicht genau, was das bedeutet oder wie ein gesundes Mikrobiom wirklich aussehen sollte. Aber im Idealfall wollen wir vermeiden, dass Bazillen vorhanden sind, die chemische Stoffe produzieren, die beispielsweise schädliche Entzündungen verursachen oder die Darmschleimhaut schädigen. Und wir möchten vielleicht das Wachstum von Mikroben fördern, die Chemikalien produzieren, die die Darmgesundheit unterstützen – wie Butyrat, das entsteht, wenn einige Mikroben Ballaststoffe fermentieren, und das die natürliche Barriere des Darms zu stärken scheint.

Die Arbeiten befinden sich noch in einem frühen Stadium. Die Forscher stellen sich jedoch eine orale Behandlung vor, die Säuglingen verabreicht werden könnte, um ihr Mikrobiom zu beeinflussen. Ein bestimmtes Alter haben sie noch nicht im Sinn, aber es könnte schon bald nach der Geburt sein.

Solange die veränderten Mikroben nichts Schädliches produzieren, sollte es relativ einfach sein, diese Behandlungen zu genehmigen, sagt Ringeisen. "Das sind Experimente, die relativ einfach durchzuführen sein werden", sagt er.

Justin Sonnenburg, Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Stanford University in Kalifornien, sucht ebenfalls nach Möglichkeiten, die Mikroben in unserem Darm zu verändern, um unsere Gesundheit zu verbessern. Ein wichtiges Ziel ist der Bereich Entzündung – ein Prozess, der mit allen möglichen Krankheiten in Verbindung gebracht wird, von Arthritis bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Mikroben, die in unseren Eingeweiden leben, können Entzündungen erkennen, sagt Sonnenburg. Wenn es uns gelänge, den genetischen "Schaltkreis" dieser Mikroben neu zu verdrahten, könnten wir sie möglicherweise in die Lage versetzen, entzündungshemmende Stoffe abzusondern, die Entzündungen behandeln, wenn sie auftreten. "All dies [würde] hinter den Kulissen geschehen, ohne dass die Person, die die Mikroben beherbergt, etwas davon weiß", sagt er.

Eine der Herausforderungen wird darin bestehen, eine Behandlung zu entwickeln, die bei verschiedenen Menschen, die unterschiedliche Mikrobiome haben, auf die gleiche Weise wirkt. Aber vielleicht gibt es einige Möglichkeiten, dies zu umgehen. In einer Studie vor einigen Jahren brachten Sonnenburg und seine Kollegen eine modifizierte Mikrobe in die Eingeweide von Mäusen ein. Diese Mikrobe leuchtete unter dem Mikroskop, sodass die Wissenschaftler feststellen konnten, wie gut sie sich im Darm der Mäuse eingenistet hatte. Das Ergebnis war recht unterschiedlich – einige Mäuse hatten mehr von der Mikrobe als andere.

Diese spezielle Mikrobe ernährte sich auch von Kohlenhydraten, die in Seetang vorkommen, dem sogenannten Porphyr. Als die Wissenschaftler die Mäuse mit Seetang fütterten, stellten sie fest, dass sie den Gehalt der Mikrobe im Darm beeinflussen konnten. Eine Ernährung, die reich an Seetang war, erhöhte beispielsweise die Werte bei allen Mäusen. "Jetzt sind wir in der Lage, die Einnistung und den Gehalt der Mikrobe unabhängig der Hintergrundmikrobiota zu kontrollieren", sagt Sonnenburg.

Einige der Wissenschaftler, die mit Sonnenburg an dieser Studie gearbeitet haben, haben inzwischen ein Unternehmen namens Novome gegründet, das gezeigt hat, dass es ähnliche Ergebnisse bei Menschen erzielen kann.

Das Unternehmen arbeitet an einem geschützten Mikrobenstamm, der so entwickelt wurde, dass er Oxalat abbaut, eine Verbindung, die zur Bildung von Nierensteinen beiträgt. Das Unternehmen arbeitet auch an der Entwicklung von Mikroben für das Reizdarmsyndrom und entzündliche Darmerkrankungen.

Wissenschaftler arbeiten schon seit Jahrzehnten an "Designer-Mikroben". Aber die Fortschritte der letzten Jahre haben solche Behandlungen ein Stück näher an die Realität gebracht. Ringeisen schätzt, dass wir vier bis sechs Jahre von einer Behandlung für den Menschen entfernt sind. Er glaube, dass die Behandlung von Kühen sogar noch näher liegt als das.

(jle)